# taz.de -- Punk-Kandidat für Kommunalwahl auf Sylt: „Ich krieg' ungefähr kein Prozent“
> Jörg Otto war Sprecher des Punk-Camps auf Sylt. Jetzt will für die Linke
> in die Gemeindevertretung einziehen.
IMG Bild: Auch wenn gerade die Sonne aufgeht: Jörg Otto wird wohl nicht der König von Westerland werden
Sylt ist eine benachteiligte Region: Mit dieser – auf den ersten Blick
überraschenden – Botschaft tritt Jörg Otto bei den Kommunalwahlen in
Schleswig-Holstein an. Der 46-Jährige, der als Sprecher des [1][Punk-Camps
im vergangenen Sommer] bundesweit bekannt wurde, will für die Linke in die
Gemeindevertretung einziehen. Große Chancen auf einen Sitz im
Inselparlament rechnet er sich zwar nicht aus, aber Sylts Zukunft möchte er
dennoch mitgestalten.
Ein paar Mitglieder des heutigen Gemeinderats lernte Otto im vergangenen
Sommer schon kennen: Der gebürtiger Stormaner, der lange in Hamburg gelebt
hat, gehörte zu den Punks, die damals [2][mit dem Neun-Euro-Ticket auf die
Insel kamen]. Straßenkunst habe er gemacht, mit vielen Leuten geredet und
dafür gesorgt, dass die Szene friedlich bliebe, berichtet er. Nach außen
trat der Mann mit dem rot gefärbten Iro-Haarschnitt als einer der Sprecher
der Gruppe auf, auch mit Gemeinderäten sprach er damals: „Die kamen in
Shorts und Birkenstock-Sandalen ins [3][Camp], es waren ganz lockere
Gespräche.“
Auf der Homepage der Gemeinde Sylt, die mehrere Inselorte umfasst, zeigt
ein Foto die aktuelle Vertretung: viele ältere Herren in Anzug und
Krawatte, einige wenige Damen. Sieben Parteien sitzen zurzeit im Rat, die
CDU dominiert deutlich, es folgen mit je vier Sitzen gleichauf SPD, Grüne
und die Wählergemeinschaft „Die Insulaner“. Als Vertreter der Linken „krieg
ich wahrscheinlich ungefähr kein Prozent“, sagt Jörg Otto. „Ich werde also
nicht König von Westerland.“ Das findet er aber nicht schlimm: „Politik
machen geht auch außerhalb der Parlamente.“
Auf der Insel blieb Otto der Liebe wegen, den Winter über wohnte er bei
seiner Freundin. Die Beziehung ist beendet, Otto sucht zurzeit einen Job
und eine möglichst billige Wohnung. Das ist bekanntlich schwierig auf der
Insel, mit ebenso bekannten Folgen: „Die Bevölkerung von Sylt hat sich in
den vergangenen Jahren halbiert“, sagt Otto. „Jenseits der
[4][Schicki-Micki-Szenerie] ist die Insel echt arm.“ Um die Nachteile
auszugleichen, müsse Sylt eine „Sonderregion“ werden, verlangt der Linke.
## Akuter Mangel an Wohnraum
Zurzeit diskutieren die Sylter*innen über ein neues
Beherbergungskonzept, das keine neuen Ferienwohnungen mehr zulassen würde.
Denn der Massentourismus und der Ausverkauf der Insel an die Reichen „ist
den Leuten zuwider“, glaubt Otto.
Er selbst ist zwar Neu-Sylter, kennt aber den Kampf gegen kapitalistische
Strukturen aus langer Erfahrung in Hamburg. „Auch auf der Reeperbahn gibt’s
fast keine Wohnungen mehr, nur noch Business“, sagt Otto. Auf Sylt sei
inzwischen eine ähnliche Widerständigkeit wie auf dem Hamburger Kiez
festzustellen. Das habe er etwa bei den Protesten um den [5][Abriss eines
traditionsreichen Gasthofs] deutlich gemerkt. „Es gibt viele politische
Gruppen und Initiativen“, sagt Otto. Und er ist überzeugt: „Die Leute
wollen die Probleme jetzt selbst in die Hand nehmen.“
12 May 2023
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