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       # taz.de -- Warnstreik bei der Bahn angekündigt: Management gönnt sich Boni
       
       > Mit einem erneuten Ausstand eskaliert der Tarifstreit bei der Bahn.
       > Scheitern die Gespräche erneut, ist auch ein unbefristeter Arbeitskampf
       > denkbar.
       
   IMG Bild: Die Mitglieder der Gewerkschaft EVG demonstrierten Ende März für höhere Löhne
       
       Berlin taz | Der wichtigste Streitpunkt klingt banal. Die [1][Deutsche
       Bahn] bietet den über 2.000 Beschäftigten der untersten Lohngruppen den
       Mindestlohn tabellenwirksam an und obendrauf bis zu 10 Prozent, also
       zusammen 13,20 Euro pro Stunde. Das wäre schon ein Fortschritt. Denn bisher
       steht in der für prozentuale Anhebungen maßgeblichen Tabelle noch ein Lohn
       unterhalb der Mindestlinie, die nur durch eine Zulage erreicht wird. Damit
       sei die Hauptforderung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für
       den Beginn richtiger Verhandlungen erfüllt, so das Unternehmen. Das sieht
       EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch ganz anders.
       
       „Das ist ein trojanisches Pferd“, sagt er und verweist auf eine kleine
       Einschränkung des Bahnangebots. Danach soll sich die Bezahlung der
       Sicherheits- oder Reinigungsleute am jeweiligen Branchentarif orientieren.
       „Hier würde eine Deckelung von maximal 13 Euro stattfinden“, wettert
       Loroch. Bahnvorstand Martin Seiler widerspricht und rechnet beim aktuellen
       Angebot einen Stundenlohn von 13,20 Euro aus. Würde sich die EVG mit ihrer
       Forderung von 650 Euro Mindestbetrag oder 12 Prozent mehr durchsetzen,
       kämen die Geringverdiener jedoch auf über 16 Euro. Deshalb der angekündigte
       Warnstreik.
       
       Während unten um vergleichsweise geringe Beträge gerungen wird, zeigt sich
       die Bahn beim Management und bei außertariflich Beschäftigten großzügiger.
       Wie die Süddeutsche Zeitung und der NDR berichten, können sich Tausende
       Beschäftigte über teils fünfstellige Boni freuen. Möglich macht dies ein
       nicht ganz einleuchtendes System von Kennziffern, an denen sich die
       Sonderzahlungen orientieren.
       
       Dem Bericht zufolge sorgen die schlechten Leistungen der Bahn hinsichtlich
       ihrer Pünktlichkeit und der Kundenzufriedenheit nicht für deutliche Abzüge.
       Das wird durch hohe Erfolgsquoten zum Beispiel bei der
       Mitarbeiterzufriedenheit oder dem Frauenanteil in Spitzenpositionen
       weitgehend ausgeglichen. Einen dreistelligen Millionenbetrag gibt die Bahn
       dafür aus. Das konnte sie ohne die Politik so gestalten. Zum Leidwesen der
       Verkehrspolitiker müssen diese Verträge nun auch bis zu deren Ablauf
       erfüllt werden.
       
       ## Von Sonntag 22 Uhr bis Dienstag 24 Uhr
       
       Weiter unten im Konzern wird um jeden Prozentpunkt mehr gerungen. Deshalb
       gibt es nun den dritten Warnstreik in dieser Tarifrunde. Bahnreisende
       müssen sich in der anstehenden Feiertagswoche auf Hindernisse einstellen.
       [2][Von Sonntagabend, 22 Uhr, bis zum Dienstagabend, 24 Uhr, ruft die
       Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) alle Beschäftigten flächendeckend
       zu einem Warnstreik auf].
       
       Auch am Mittwoch vor dem Himmelfahrtstag könnten Nachwirkungen des
       Arbeitskampfs spürbar sein, etwa durch Verspätungen oder Zugausfälle. „Die
       Geduld unserer Beschäftigten ist zu Ende“, begründet EVG-Tarifvorständin
       Cosima Ingenschay den 50-stündigen Ausstand. Sie rechne mit einer hohen
       Beteiligung am Arbeitskampf.
       
       „Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen“,
       kritisiert Seiler. Millionen Reisende kämen nicht da hin, wo sie hin
       wollten. Das käme einem Vollstreik ohne Urabstimmung gleich. Die Deutsche
       Bahn geht von massiven Einschränkungen im Schienenverkehr aus und kündigt
       Kulanzregelungen für die Fahrgäste an. Tickets für Fahrten zwischen dem 16.
       und 18. Mai können ab sofort genutzt werden. Auch gelten die üblichen
       Fahrgastrechte weiter, die bei Verspätungen eine Teilerstattung des
       Fahrpreises vorsehen.
       
       ## Für die Deutsche Bahn wirds teuer
       
       Es ist bereits der dritte und mit Abstand längste Ausstand in der laufenden
       Tarifrunde. Die Fronten zwischen Arbeitgebern und EVG sind überwiegend
       verhärtet. Insgesamt verhandelt die Gewerkschaft parallel Lohnerhöhungen
       mit 50 Bahnunternehmen. Nur wenige haben aus Sicht der EVG ausreichende
       Angebote für Verhandlungen vorgelegt. Dort soll auch nicht gestreikt
       werden. Zu diesen kleinen Bahnen gehört etwa die Eurobahn, die Nahverkehr
       in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen betreibt. Allerdings dürften auch
       die Züge der nicht bestreikten Bahnen stillstehen, weil die Gewerkschaft
       das Netz lahmlegen will.
       
       Teuer wird der Streik vor allem für die Deutsche Bahn als größtem
       Branchenunternehmen. Auch die Güterbahnen befürchten große Einbußen. Deren
       Verband fordert Vereinbarungen mit der EVG, die einen Betrieb des
       Güterverkehrs ermöglichen. Die Streikfolgen dürften europaweit spürbar
       sein, denn sechs von zehn europäischen Frachtkorridoren führen durch
       Deutschland.
       
       Die Deutsche Bahn wirft der EVG vor, dass sie gar nicht ernsthaft
       verhandeln wolle. Vielmehr gehe es um die Durchsetzung eines Tarifdiktats
       im Machtkampf zwischen den Bahngewerkschaften. Hier kommt die
       Lokführergewerkschaft GDL ins Spiel. Sie will Anfang Juni ihre Forderungen
       bekannt geben. Der nächste Verhandlungstermin zwischen EVG und Bahn ist für
       den 23. Mai vorgesehen. Scheitern die Gespräche erneut, ist auch eine
       Urabstimmung über einen unbefristeten Arbeitskampf denkbar.
       
       11 May 2023
       
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