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       # taz.de -- Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina: Republika Srpska hat Schmidt satt
       
       > Das Parlament der Republika Srpska hat entschieden, den Hohen
       > Repräsentanten ignorieren zu können. Ist das der erste Schritt zum
       > unabhängigen Staat?
       
   IMG Bild: Trotz viel Kritik noch im Amt: der Hohe Repräsentant Christian Schmidt
       
       Sarajevo taz | Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in
       Bosnien und Herzegowina wird scharf von serbischer Seite angegriffen. Am
       Mittwochabend erklärte das Parlament der serbisch dominierten Teilrepublik
       (Entität Republika Srpska), jegliche Zusammenarbeit mit dem deutschen
       CSU-Politiker Christian Schmidt einzustellen, der seit fast zwei Jahren
       dieses Amt innehat.
       
       Mit einer Zweidrittelmehrheit haben die Parlamentarier beschlossen,
       zukünftig alle Entscheidungen des Hohen Repräsentanten ignorieren zu
       können. Die Nationalversammlung beschloss zudem, seine Entscheidungen nicht
       im Gesetzesblatt der serbischen Entität abzudrucken und sie dadurch für
       ungültig zu erklären.
       
       Die serbische Teilrepublik hält die Einsetzung des deutschen Diplomaten
       ohnehin für illegal, weil seine Einsetzung als Hoher Repräsentant nicht vom
       Weltsicherheitsrat bestätigt wurde. 2021 stimmte Russland in New York gegen
       die Implementierung Schmidts, China enthielt sich damals der Stimme.
       
       Für Srpskas [1][Präsidenten Milorad Dodik] und die serbische Entität ist
       damit klargestellt, dass sie keine Intervention des Hohen Repräsentanten in
       ihre Angelegenheiten zu dulden braucht.
       
       ## Dodik stellt sich gegen den Dayton-Vertrag
       
       Wird die Republika Srpska damit zu einem eigenen unabhängigen Staat
       erhoben, wie es Dodik und der Führung Serbiens in Belgrad insgeheim
       vorschwebt? Nach dem Rechtsverständnis der anderen beteiligten Staaten war
       die Bestellung Schmidts aber durchaus legal, denn der Hohe Repräsentant
       wird nicht durch den Weltsicherheitsrat, sondern durch den PIC, den
       Peace-Implementation Council, bestimmt.
       
       Dem PIC gehören über 50 Staaten und internationale Organisationen, darunter
       auch die UNO oder die OSZE an. Somit spielt der Weltsicherheitsrat bei der
       Bestellung des Hohen Repräsentanten keine Rolle – auch wenn der Hohe
       Repräsentant dazu verpflichtet ist, regelmäßig vor diesem Gremium
       Rechenschaft abzulegen.
       
       Damit stellen sich die serbische Entität und P[2][räsident Milorad Dodik
       offen gegen das Abkommen von Dayton], das den von 1992 bis 1995 währenden
       Krieg beendet hatte. Und sie versuchen, im ohnehin komplizierte Gefüge
       Bosnien und Herzegowina jegliche gemeinsame Politik zu verhindern.
       
       Der [3][Hohe Repräsentant soll die zivile Umsetzung des Friedensvertrags in
       Bosnien und Herzegowina überwachen]. Dafür stehen ihm mehrere
       Machtinstrumente zur Verfügung: Er kann Politiker absetzen, die gegen den
       „Geist von Dayton“ verstoßen. Das meint vor allem jene, die nicht für eine
       friedliche Zusammenarbeit im zweigeteilten Staat mit drei „Konstitutiven
       Nationen“ zu gewinnen sind und internationale Rechtsnormen ignorieren.
       
       ## Schmidt etablierte Expertengremium
       
       Durch die sogenannten „Bonner Befugnisse“ kann der Hohe Repräsentant zudem
       in Gesetzesvorhaben eingreifen. Dieser Machtzuwachs wurde ihm bei einer
       Konferenz des PIC in Bonn 1997 gewährt.
       
       Seit Schmidt das Amt übernommen hat, ist er nur zweimal mit Dodik
       aneinandergeraten: Er strich beide Male Gesetze der serbischen Entität, die
       den Besitz an Grund und Boden neu regeln sollten.
       
       [4][Dodik hatte in seiner Finanznot Ländereien und Wald] an ausländische
       Geldgeber verpfändet, ohne zu beachten, dass diese Ländereien dem
       Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina gehören und nicht dem serbischen
       Teilstaat. Als das Verfassungsgericht des Gesamtstaats urteilte, seine
       Politik sei nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen, negierte Dodik
       das Gericht und erkennt es seither nicht an. Er zog sogar den serbischen
       Richter aus dem Verfassungsgericht zurück. Allerdings wohl auch, weil
       dieser nicht immer seinen Befehlen folgte.
       
       Schmidt gab sogar in der Frage um die Ländereien und den Wald nach. Er
       etablierte ein Expertengremium, das sogleich als intransparent und als
       nicht repräsentativ kritisiert wurde.
       
       Dodik kümmerte sich jedoch nicht darum. Ihn zog es vor Kurzem nach Moskau,
       wo ihn Putin empfing. Dodik organisiert dessen Sympathisanten auch in der
       EU. So wird der ungarische Ministerpräsident Orbán, der am Donnerstag
       Sarajevo besucht hat, die Nacht in Banja Luka, der Hauptstadt der
       serbischen Teilrepublik, verbringen. Orbán hat Dodik vor wenigen Monaten
       mit 200 Millionen Euro gesponsert.
       
       22 Jun 2023
       
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