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       # taz.de -- Big Brother Awards verliehen: Und es hat Zoom gemacht
       
       > Mit der Pandemie hat es der Videokonferenz-Dienst Zoom zu großer
       > Beliebtheit gebracht. Doch in Sachen Datenschutz gibt es Haken.
       
   IMG Bild: Im Homeoffice: Das Videokonferenz-Programm Zoom ist mit Beginn der Pandemie populär geworden
       
       Berlin taz | Der Videokonferenz-Anbieter Zoom bekommt am Freitagabend den
       Big Brother Award verliehen, einen Negativpreis für Überwachung. Die
       Auszeichnung in der Kategorie „Kommunikation“ gehe an den Anbieter mit Sitz
       in den USA, weil er nach dortiger Rechtslage Daten an Geheimdienste
       weiterleiten müsse. Dennoch behaupte das Unternehmen, im Einklang mit der
       europäischen Datenschutz-Grundverordnung zu arbeiten, heißt es in der
       Begründung der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage.
       
       Weiter heißt es: „Der Preis geht auch an alle Gruppen, insbesondere
       Menschenrechts- sowie Umwelt- und Klimaorganisationen, die Zoom einsetzen
       und damit ihre Teilnehmer.innen der Überwachung preisgeben, obwohl es freie
       und datenschutzfreundliche Alternativen gibt.“
       
       Zoom selbst gab auf Anfrage eine allgemeine Stellungnahme zu der
       Preisverleihung ab: Man verbessere ständig die „Richtlinien, Verfahren und
       unsere Plattform, um die Nutzer und ihre Daten zu schützen“, sagte ein
       Sprecher des Unternehmens. „Gerade mit Blick auf Anforderungen in
       Deutschland und Europa haben wir in den letzten Jahren Ressourcen in den
       Ausbau unserer Maßnahmen zum Datenschutz investiert und werden dies weiter
       vorantreiben.“
       
       Das Videokonferenz-Programm des 2011 gegründeten Unternehmens ist mit
       Beginn der Pandemie populär geworden, weil es Nutzer:innen einen
       einfachen und stabil laufenden Zugang zu der zuvor noch in einer Nische
       befindlichen Technologie bot. Schnell wurde der Dienst zu einer der am
       stärksten nachgefragten Apps.
       
       ## Nutzer:innenzahlen durch Pandemie verzwanzigfacht
       
       Lag die Zahl der täglichen Nutzer:innen vor Pandemie-Beginn bei rund 10
       Millionen, war sie im März 2020 bereits auf rund 200 Millionen weltweit
       gestiegen. [1][Im vierten Quartal 2022] meldet das Unternehmen nun im
       Geschäftskundenbereich ein jährliches Wachstum von 12 Prozent.
       
       Während Behörden und [2][Universitäten stärker auf den Konkurrenz-Anbieter
       Cisco Webex] setzen [3][und Schulen häufig auf Microsoft Teams], beide
       ebenfalls nicht frei von Datenschutz-Problemen, ist das Spektrum der
       Nutzenden bei Zoom heute denkbar breit: von Privatpersonen über Kirchen und
       Verbände bis hin zu Parteien.
       
       Der bekannte Digitalexperte von Digitalcourage, der unter dem Pseudonym
       padeluun auftritt, hält auf der Preisverleihung eine kritische Laudatio auf
       Zoom: „Das Verb lautet ‚zoomen‘ und hat die Bedeutung 'unter Beobachtung
       der Geheimdienste verschiedener Länder und Firmen Geheimnisse ausplaudern
       und gleichzeitig sein komplettes Beziehungsnetzwerk offenlegen.“
       
       ## Zoom in Europa nicht legal einsetzbar
       
       So werte das Unternehmen unter anderem folgende Daten aus: Persönliche
       Daten zur Identifikation wie Name, Mail-Adresse und Telefonnummer,
       Informationen über Tätigkeit und Arbeitgeber sowie zum verwendeten Endgerät
       und Internetanschluss – zum Beispiel Betriebssystem und IP-Adresse. Dazu
       kämen weitere Daten, etwa die Informationen, die Nutzende im Zuge einer
       Videokonferenz hochladen, bereitstellen oder erzeugen.
       
       „Eine Firma wie Zoom, die in den USA ansässig ist, unterliegt dem Cloud
       Act, dem Patriot Act und dem FISA Act. Und die bedeuten, dass eine in den
       USA ansässige Firma sämtliche Daten von Nicht-US-Bürger.innen an die
       dortigen Geheimdienste weitergeben muss“, erklärt der Laudator. Zoom sei
       damit in Deutschland und Europa nicht legal einsetzbar.
       
       Das Unternehmen widerspricht: Mit einer entsprechenden
       Datenschutzerklärung, die einen Transfer der Nutzerdaten in Länder
       außerhalb der EU enthält, sei der Einsatz rechtskonform möglich.
       
       ## Auch deutsche Behörden kritisieren Zoom
       
       Doch auch die Datenschutzaufsichtsbehörden sehen den Dienst kritisch. So
       warnte bereits zu Beginn der Pandemie der Bundesdatenschutzbeauftragte
       Ulrich Kelber vor der Nutzung. Ein Dienst ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
       solle nicht verwendet werden, wenn es bei der Kommunikation auch um
       personenbezogene Informationen geht.
       
       Mittlerweile hat Zoom hier zwar nachgebessert, doch es sind längst nicht
       alle Videokonferenzen Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Und die
       Ende-zu-Ende-Verschlüsselung betrifft auch nur die Inhaltsdaten, nicht die
       anderen Daten, deren Auswertung Digitalcourage kritisiert.
       
       Die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte, die während der Pandemie eine
       Reihe von Videokonferenzdiensten [4][per Ampelsystem bewertete], vergab für
       Zoom die Farbe Rot. Dieses Schicksal teilen auch etliche Konkurrenzdienste,
       es gibt aber durchaus Varianten, die grünes Licht bekommen haben, etwa das
       Open-Source-Programm BigBlueButton.
       
       ## Nur unter Auflagen erlaubt
       
       Die hessische Landesdatenschutzaufsicht erlaubte im vergangenen Jahr den
       ansässigen Universitäten die Nutzung von Zoom nur unter Auflagen. So muss
       unter anderem sämtliche Kommunikation Ende-zu-Ende-verschlüsselt sein, es
       muss ein Auftragsverarbeiter mit Sitz in der EU zwischengeschaltet werden,
       damit „möglichst wenige“ Daten in die USA gelangten.
       
       Die Nutzenden müssen zudem die Möglichkeit haben, ihre IP-Adresse mit einem
       sogenannten VPN vor Zoom zu verschleiern, so die Behörde. Zoom verweist
       dann auch auf dieses Modell. Es zeige, dass der Einsatz der Software im
       Einklang mit den Datenschutz-Vorgaben der EU möglich sei.
       
       In der Laudatio kritisiert padeluun auch die Haltung der Nutzer:innen
       beim Thema Technik im Allgemeinen und Videokonferenzen im Speziellen.
       „Wenn’s bei den Kommerzlösungen nicht funktioniert, liegt’s an den
       Nutzer:innen. Funktioniert die Alternative nicht, liegt’s an der
       Software…“, skizziert er eine seiner Meinung nach verbreitete Haltung.
       
       Der Digitalexperte fordert mehr digitale Souveränität: „Wir brauchen, um in
       einer friedlichen übermacht-freien Gesellschaft mündige, souveräne,
       dezentrale Strukturen aufbauen zu können, gut ausgebildete Menschen, die
       ohne Berührungsängste Server aufsetzen, administrieren und sicher am Laufen
       halten können.“
       
       28 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://investors.zoom.us/news-releases/news-release-details/zoom-video-communications-reports-fourth-quarter-and-fiscal-2
   DIR [2] /Streit-um-Datenschutz-an-der-FU-Berlin/!5879096
   DIR [3] /Online-Unterricht-in-Corona-Krise/!5710461
   DIR [4] https://www.datenschutz-berlin.de/fileadmin/user_upload/pdf/orientierungshilfen/2021-BlnBDI-Hinweise_Berliner_Verantwortliche_zu_Anbietern_Videokonferenz-Dienste.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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