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       # taz.de -- Umgang mit Geflüchteten in Deutschland: Hauptsache weit weg
       
       > Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert für Asylverfahren an den
       > EU-Außengrenzen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert das
       > scharf.
       
   IMG Bild: Feuerwehrleute löschen den Brand in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft im hessischen Roßdorf
       
       Roßdorf/Berlin afp/taz | In Hessen ist eine geplante Unterkunft für
       Flüchtlinge in der Nacht zum Sonntag abgebrannt. Wie das Polizeipräsidium
       Südhessen mitteilte, wurde der Brand der Container-Wohnanlage auf einem
       Sportgelände in Roßdorf kurz nach Mitternacht gemeldet. Erste Ermittlungen
       deuteten demnach auf Brandstiftung hin.
       
       „Das ist eine schlimme Nachricht“, schrieb Bundesinnenministerin Nancy
       Faeser (SPD) im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Auch wenn zum Glück noch
       niemand darin gewohnt hat – eine Flüchtlingsunterkunft anzuzünden, zeigt
       eine furchtbare Menschenverachtung.“
       
       Wenn sich der Verdacht erhärte, müssten „die Täter hart bestraft werden“,
       forderte Faeser, die auch Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der
       Hessen-SPD ist. Die Kriminalpolizei in Darmstadt bat die Bevölkerung um
       Hinweise zu möglichen Verdächtigen.
       
       Die Feuerwehr habe den Brand zwar unter Kontrolle bringen und löschen
       können, es sei aber nach ersten Schätzungen ein Sachschaden von mehreren
       hunderttausend Euro entstanden, teilte die Polizei mit. Zur genauen Klärung
       der Ursache des Feuers sollen nach dem Feiertagswochenende Brandexperten
       die Anlage untersuchen.
       
       ## Ampelkoalition für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen
       
       Unterdessen teilte Faeser am Sonntag mit, dass die Bundesregierung sich für
       Asylverfahren an den EU-Außengrenzen einsetzen wolle. Die Innenminsiterin
       sagte [1][in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“], in der europäischen
       Asylpolitik zeichne sich eine „große Veränderung“ ab. Die Ampelkoalition
       habe sich nun darauf geeinigt, „dass wir dieses gemeinsame Asylsystem
       voranbringen wollen“, fügte die SPD-Politikerin hinzu.
       
       Konkret gehe es darum, dass „an den Grenzen schon Asylverfahren stattfinden
       können“, führte Faeser aus. „Das heißt, dass bereits dort die Registrierung
       und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten stattfinden wird“, sagte
       die Innenministerin. Im Zuge eines „Ausgleichs“ innerhalb der EU sei dann
       die „Solidarität der anderen Staaten“ gefragt. Wer die Voraussetzungen für
       Asyl erfülle, müsse dann auch aufgenommen werden.
       
       Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist es der EU nicht gelungen, sich auf eine
       umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu einigen. Faeser sieht nun
       die Chance, dass Europa in der Asylpolitik gemeinsam vorankommt. „Wir sehen
       jetzt ein historisches Momentum, dass wir mit anderen europäischen Staaten
       es schaffen können, ein gemeinsames Asylsystem auf den Weg zu bringen, wo
       an den Grenzen die Asylverfahren stattfinden“, sagte sie in der ARD.
       
       Über die Einzelheiten des neuen Verfahrens sei sie seit Monaten mit anderen
       EU-Ländern im Gespräch, sagte Faeser. Deutschland arbeite dabei unter
       anderem mit Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und Belgien zusammen. Im
       Gespräch sei eine Bearbeitungszeit der Asylanträge von maximal zwölf
       Wochen.
       
       ## Kritik von Menschenrechtsorganisation
       
       Kritik an den Plänen der Bundesregierung kommt vom [2][Deutschen Institut
       für Menschenrechte]. Ein solches Asylverfahren an den EU-Grenzen, wie es
       der Ampelkoalition vorschwebt, ließe sich in der Praxis nur durch
       geschlossene Aufnahmezentren oder erhebliche Einschränkungen der
       Bewegungsfreiheit in Transitzonen oder auf kleinen Inseln durchsetzen.
       
       „Bereits jetzt werden europarechtliche Vorgaben für den Umgang mit
       Schutzsuchenden – wie eine menschenwürdige Unterbringung, der Zugang zu
       einem effektiven und fairen Asylverfahren, die Information über Rechte und
       die Identifizierung und Versorgung von Folteropfern und anderen besonders
       Schutzbedürftigen – an den EU-Außengrenzen oft missachtet“, kritisiert die
       Organisation in einer am Montag veröffentlichten Erklräng. Eine
       weitergehende Etablierung von Außengrenzverfahren droht diese Zustände zu
       verfestigen und zu institutionalisieren.
       
       Die Reformvorschläge ließen befürchten, dass Mitgliedstaaten, die bereits
       jetzt eine Abkehr von den asyl- und menschenrechtlichen Standards in der EU
       befürworten und teilweise schon praktizieren, das EU-Recht zukünftig als
       Legitimation für ihr Handeln nutzen. „Ein System, das vorrangig auf
       Abschreckung und die Auslagerung von Asylprüfungen an die Außengrenzen oder
       sogar in vermeintlich sichere Drittstaaten außerhalb der EU setzt, ist mit
       Deutschlands flüchtlings- und menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht
       vereinbar“, kritisiert das Menschenrechtsinstitut.
       
       1 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ardmediathek.de/video/bericht-aus-berlin/bericht-aus-berlin/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2JlcmljaHQgYXVzIGJlcmxpbi8yMDIzLTA0LTMwXzE4LTAwLU1FU1o
   DIR [2] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/
       
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