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       # taz.de -- Popstar Bad Bunny: Kardashians Latin Lover
       
       > Der puertorikanische Reggaeton-Sänger Bad Bunny gehört zu den weltweit
       > erfolgreichsten Popkünstlern, obwohl er auf Spanisch singt. Wie kann das
       > sein?
       
   IMG Bild: Bad Bunny war dreimal meistgestreamter Künstler auf Spotify
       
       Mit der einen Hand an der Hüfte und der anderen am Kreuz seiner Goldkette,
       den Kopf nach oben gereckt, schaut er etwas entrückt drein auf dem
       Magazincover. „El mundo de Bad Bunny“ steht auf der Titelseite, dazu ein
       Zitat von ihm auf Spanisch: „No voy a hacer otra cosa para que a ti te
       guste“, was auf Deutsch so viel heißt wie: „Ich werde nichts anders machen,
       nur um dir zu gefallen.“
       
       Es [1][war das erste spanischsprachige Cover des Time-Magazins], mit dem
       der puertorikanische Reggaeton-Sänger Bad Bunny im April gefeiert wurde.
       Schon 2022 war sein Jahr: Zum dritten Mal hintereinander ist er der
       meistgestreamte Künstler auf Spotify, sein Album „Un verano sin tí“
       schaffte es auf Platz 1 der US-Billboard-Charts. Das war ihm schon mit
       seinem Vorgänger „El último tour del mundo“ gelungen – es war das erste
       Mal, dass ein rein spanischsprachiges Album auf den Spitzenplatz gelangte.
       Bei den MTV Video Music Awards gewann er 2022 als Erster nicht
       englischsprachiger Künstler in der Kategorie „Song of Summer“.
       
       Was den überwältigenden Erfolg des 28-Jährigen ausmacht, lässt sich auf den
       ersten Blick gar nicht so leicht sagen. Reggaeton ist ein Genre mit
       eingängigen karibischen Beats und soften Auto-Tune-Vocals, das sich
       vortrefflich zum Hüftschwingen, Twerken und Aneinanderreiben einschlägiger
       Körperteile eignet und dessen Lyrics oft den allseits dominierenden
       Machismo widerspiegeln. Spätestens die Sommerschnulze „Despacito“ von Luis
       Fonsi und Daddy Yankee hat den Reggaeton in der ganzen Welt populär
       gemacht.
       
       ## „Würze, Rhythmus, Reggaeton“
       
       Dass Bad Bunny gelegentlich mehr musikalischen Tiefgang und vor allem mehr
       Sprachwitz als der Mainstream-Reggaeton zu bieten hat, erschließt sich oft
       erst beim zweiten Hören – wenn man seinen dahingenölten Slang versteht.
       Wenn er reimt, „Tú no ere´ bebecita / tú ere´ bebesota“, dann redet er zwar
       von seinem „Babe“. Doch das soll kein „kleines Mädchen“ sein, sondern eine
       starke Frau, ein Boss.
       
       Auf seinem aktuellen Album, „Un verano sin tí“ („Ein Sommer ohne Dich“),
       will er die Hörer auf einen entspannten Strandausflug mitnehmen, wofür
       immer wieder Möwen zu hören sind. Dass er dabei manchmal innerhalb eines
       Songs den Stil wechselt – vom Mambo zu Trap und weiter zu Reggaeton –, ist
       zu einer Art Markenzeichen Bad Bunnys geworden; auch Anklänge an Indie-Pop
       und Alternative-Rock finden sich.
       
       Sein Hit „El apagón“ („Stromausfall“) ist zunächst nur von zurückhaltender
       Percussion unterlegt, wandelt sich aber plötzlich zu einem House-Bouncer,
       wie er auf dem Zenit einer Party erklingen könnte. Dazu singt er, dass
       inzwischen jeder ein Latino sein wolle – nur fehle es den meisten „an
       Würze, Rhythmus und Reggaeton“.
       
       In den USA hat der Erfolg Bad Bunnys zweifelsohne auch mit dem zunehmenden
       Einfluss der Latinos zu tun – nach Schätzungen wird im Jahr 2050 jeder
       dritte US-Amerikaner Spanisch sprechen. Angesichts der aufgeladenen Debatte
       über die Migration aus Mittel- und Lateinamerika nach Norden hat der
       spanischsprachige Pop in den Vereinigen Staaten immer auch eine politische
       Komponente.
       
       ## Verdrängung der Einheimischen
       
       Überall und immer wieder betont Bad Bunny, dass er Puerto Rico, seine
       Schönheit und seinen kulturellen Reichtum liebe. Doch bis heute leidet die
       Karibikinsel an ihrem postkolonialen Status: Puerto Rico ist offiziell ein
       „Außengebiet“ der USA und damit kein vollwertiger Staat. Seine
       Bewohner:innen sind US-Bürger, an den Präsidentschaftswahlen dürfen sie
       dennoch nicht teilnehmen.
       
       Die hochverschuldete Insel wurde nach dem Hurrikan „Maria“ von 2017 und dem
       umstrittenen „Act 22“, der Zugezogenen unter bestimmten Bedingungen
       Steuererleichterungen einräumt, zu einem El Dorado für Glücksritter und
       Neureiche aus den USA, die sich hier während der Coronapandemie
       niederließen. In der Folge stiegen die Immobilienpreise derart an, dass
       sich sogar Bad Bunny einmischte: Im September 2022 veröffentlichte er eine
       20-minütige Dokumentation über die Gentrifizierung und Verdrängung der
       Einheimischen.
       
       Kurz zuvor hatte ein Auftritt Bad Bunnys schon für Aufsehen gesorgt: Im
       Juli gab er in der Hauptstadt San Juan ein kostenloses Konzert, das auf
       Leinwänden auf der ganzen Insel übertragen wurde. Als er „El apagón“
       anstimmte, gab es kein Halten mehr. Das Lied ist eine Liebeserklärung an
       seine Heimat, zugleich heißt es darin: „Verdammt, noch ein Stromausfall!“
       Die kennen seine Landsleute gut, seit das Stromnetz 2021 privatisiert
       wurde. Nicht nur der Stromkonzern LUMA könne zur Hölle fahren, sondern mit
       ihm gleich die gesamte politische Klasse Puerto Ricos, forderte Bad Bunny
       unter lautem Jubel.
       
       Doch so wenig wie es Sinn macht, die brasilianische Sängerin Anitta zur
       feministischen Ikone zu verklären, nur weil sie [2][mit Cellulitis in einem
       Video aufgetreten] ist, so wenig ist der eigenwillige, kreative Bad Bunny
       wohl ein genuin politischer Künstler. In einem oft misogynen Genre wie
       Reggaeton lässt gerade sein Spielen mit Geschlechterrollen trotzdem
       aufhorchen.
       
       ## Viel mehr Fame geht nicht
       
       Während eines Konzerts hat er einmal einen männlichen Tänzer geküsst, im
       Video zu „Yo perreo sola“ („Ich twerke allein“) tritt er in einem
       Drag-Kostüm auf. Später sagt er, er wisse nicht, ob er in 20 Jahren immer
       noch ein heterosexueller Mann sein werde. Solche mehrdeutigen Statements
       haben ihm andererseits die Kritik eingebracht, „Queerbaiting“ zu betreiben.
       
       Es könnte Bad Bunny mit dem Aufbrechen überkommener Rollen allerdings schon
       ernst sein. Dafür spricht, dass er eine Serie mit queeren
       lateinamerikanischen Charakteren nach dem Bestseller „Beide sterben am
       Ende“ produzieren will. Vanessa Díaz, Professorin für
       Lateinamerika-Studien, redet in einem NPR-Interview von einer
       [3][„Fluidität seiner Geschlechterpräsentation“] und erinnert daran, dass
       er 2020 in der Jimmy-Fallon-Show in Gedenken an eine in Puerto Rico
       ermordete Trans-Frau ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Mataron a Alexa, no a un
       hombre con falda“ trug: „Sie haben Alexa ermordet und keinen Mann im Rock.“
       
       Bad Bunny arbeitet aber auch an seinem Celebrity-Status weiter: Es heißt,
       er date inzwischen das Supermodel Kendall Jenner – damit wäre er im Kosmos
       der Kardashians angekommen. Viel mehr Fame geht heutzutage nun wirklich
       nicht.
       
       Der Artikel erscheint in der Beilage taz thema global pop.
       
       12 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://time.com/6266349/bad-bunny-cover-story/
   DIR [2] /Bumbum-mit-Cellulite/!5504274/
   DIR [3] https://www.npr.org/sections/codeswitch/2023/01/17/1149529616/bad-bunny-reggaeton-and-puerto-rico-resistance
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ole Schulz
       
       ## TAGS
       
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