URI: 
       # taz.de -- Gefälle zwischen Stadt und Land: Zurück zum Telefon
       
       > Unser Autor hat ein Stadt-Land-Gefälle in der Kommunikation ausgemacht –
       > und greift deshalb wieder lieber zum Hörer. So geht's am besten.
       
   IMG Bild: Unser Autor hat das Telefon wieder schätzen gelernt
       
       Das Telefon klingelt. „Hallo, hier Rüttger aus Wüstenfelden …“ In Franken
       haben die Leute eine besondere Gewohnheit: Sie melden sich nicht nur mit
       dem Nachnamen, häufig wird auch der Ort hinzugesetzt. „Haben Sie noch ein
       Doppelzimmer am Pfingstmontag frei?“ „Ja“, sage ich, „eines ist noch frei.
       Ich reserviere es Ihnen gerne.“ „Sehr gut“, sagt Herr Rüttger, „es ist für
       meine Schwiegereltern. Ich werde dann mittags den Schlüssel abholen.
       Brauchen Sie noch irgendwelche Infos von mir?“ „Nein“, sage ich, „ich habe
       ja Ihren Namen. Bis zum 29.“
       
       Nach dem Anruf öffne ich den Computer. Wieder eine E-Mail von Frau Kerner
       aus Berlin, die siebte oder achte. Vor zwei Tagen hatte ich sie gebeten,
       mich doch wegen ihrer vielen Fragen einfach anzurufen. Oder mir ihre
       Telefonnummer zu geben. Doch eine Nummer ist in der Mail wieder nicht
       enthalten. Frau Kerner überlegt seit 14 Tagen, ob sie mit Mann und Hund an
       Ostern 2025 zu uns kommt. Heute fragt sie nach unseren Stornobedingungen,
       falls sie gegebenenfalls kurzfristig absagen muss. Und ich überlege, ob ich
       ihr nicht einfach schreibe, dass wir inzwischen an dem Termin ausgebucht
       sind.
       
       Nirgendwo ist das Stadt-Land-Gefälle so sichtbar wie in der Kommunikation.
       Stadtmenschen mailen, whatsappen, schicken SMS und Sprachnachrichten oder
       nutzen die Messengerdienste diverser Buchungsplattformen. Sie machen das
       ganz individuell, so wie sie Rad fahren, Mofa oder E-Scooter, die Öffis
       nehmen oder ins Auto steigen. Die Menschen auf dem Land nehmen das Auto,
       sie rufen an oder stehen einfach vor der Tür.
       
       Ich habe das Telefon wieder schätzen gelernt. Auch, weil Kochhände und
       sensible Smartphone-Displays nicht wirklich kompatibel sind. Irgendwo sitzt
       immer ein Fettfilm, der die Kommunikation erschwert. Eine Zeitlang habe ich
       versucht, Kurznachrichten und E-Mails zu diktieren und war anfangs baff,
       wie schnell die KI lernt.
       
       Aber dann hat es doch genervt, dass Siri meinen Vornamen und unseren
       Wohnort einfach nicht richtig schreiben will. Außerdem lassen sich Emojis
       nicht ansagen oder ich habe noch nicht herausgefunden wie. Inzwischen rufe
       ich immer öfter zurück, wenn eine SMS oder eine Whatsapp-Nachricht
       eintrifft. Schon allein eine menschliche Stimme am anderen Ende der Leitung
       führt dazu, dass die Atmosphäre verbindlicher ist und Vertrauen entsteht.
       
       Nach der Mail von Frau Kerner habe ich zum Telefonbuch gegriffen und
       erreichte tatsächlich die richtige Person. Wir konnten all ihre Fragen
       schnell klären. Nach dem Anruf erst fiel mir auf, wie ich mich gemeldet
       hatte: „Hier Kabisch aus Castell.“
       
       14 May 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörn Kabisch
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Der Wirt
   DIR Kommunikation
   DIR Reisen
   DIR Landleben
   DIR WhatsApp
   DIR Kolumne Der Wirt
   DIR Kolumne Der Wirt
   DIR Dienstleistungen
   DIR Kolumne Der Wirt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Überpünktliche Hotelgäste: Der frühe Vogel nervt den Wirt
       
       Check-out-Zeiten stecken im Biorhythmus jedes Hotelgastes, hat unser Autor
       festgestellt. Bei Check-in-Zeiten aber, da herrscht Anarchie.
       
   DIR In der Spülküche: Mr Hobart und der eingebrannte Topf
       
       Die beiden „Mitarbeiter des Monats“ sind ein Mensch und eine Maschine. Ohne
       dieses Dreamteam würde unser Gastwirt in schmutzigem Geschirr versinken.
       
   DIR Vertreter für Hygienedinge: Immer schön sauber bleiben
       
       Als Gastwirt hat man es schnell mit Vertretern zu tun. Sie bieten Waren
       oder Dienstleistungen vor allem für die Hygiene, analog und digital.
       
   DIR Beerdigung in Castell: Abschied vom Willi
       
       Zeit seines Lebens hatte Willibald Lösch lange Tage, arbeitete im Gasthaus,
       auf dem Feld und im Weinberg. Und nicht nur dort. Nun ist er gestorben.