URI: 
       # taz.de -- Zukunft auf den Straßen: Städte ohne Autos – wie schön!
       
       > Immer weniger junge Menschen wollen ein eigenes Auto. Die
       > Nichtmotorisierten erkämpfen sich öffentlichen Raum zurück.
       
   IMG Bild: Autofreie Friedrichstraße in Berlin
       
       Falls [1][Außerirdische] eines der größten zusammenhängenden Bauwerke der
       Erde – das deutsche Straßennetz mit seinen 830.000 Kilometern Gesamtlänge –
       analysieren würden, würden sie nie darauf kommen, dass Fußgängerinnen und
       Radfahrende in diesem System gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind.
       
       Wenn selbst die Innenstädte so mit Parkplätzen ausgestattet sind, dass man
       möglichst bis ins Schaufenster fahren kann. Kein Zufall also, dass sich im
       Roman [2][„Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams] der beste
       Freund des Helden (ein Außerirdischer von Beteigeuze 5) den Erdennamen Ford
       Prefect gibt, weil er glaubt, bei der vermeintlich dominanten Spezies
       dadurch nicht weiter aufzufallen.
       
       Als der Roman 1981 in Deutschland erschien, war mein Vater so alt wie ich
       heute. Ich glaube nicht, dass er in seinem Erwachsenenleben je in einen Zug
       gestiegen ist; er war passionierter Autofahrer, das Auto stets das
       Fortbewegungsmittel seiner Wahl.
       
       Ich erinnere mich daran, wie er sich über Spielstraßen echauffierte. Er sah
       nicht ein, dass er langsamer fahren sollte, weil Kinder auf der Straße
       Fußball spielen wollten. Die Straße war schließlich für Autos da! Und Autos
       waren für ihn das Sinnbild für Fortschritt, Selbstständigkeit und Freiheit.
       Vom ersten Mercedes des reichen Großonkels, über die Schlitten der
       Amerikaner, die er als Teenager einparken durfte, bis zu seinen eigenen
       Wagen, die natürlich Fabrikate deutscher Luxushersteller sein mussten.
       
       Auto, Straße, Freiheit. Dieser Dreiklang schien für ihn kein Werbeslogan,
       sondern eine Selbstverständlichkeit – und offenbar teilen viele Deutsche
       diese Mentalität: Die Straße gehört den Autos. Alles unter 6 PS wird zwar
       toleriert, aber durch die StVO so benachteiligt, dass jeder weiß, welchen
       Platz er in der Hackordnung des Straßenverkehrs einnimmt. Und jetzt kommt
       die FDP mit der Forderung um die Ecke, es Autofahrern leichter zu machen,
       die Innenstädte zu erreichen. Tatsächlich, [3][die Partei fordert den
       Einsatz der „Brötchentaste“] an Parkscheinautomaten, damit Autos für eine
       Zeit kostenlos abgestellt werden können.
       
       Mehr Platz für Autos, die allein in den letzten zwanzig Jahren im Schnitt 7
       cm höher, 10 cm breiter, 20cm länger und 250 kg schwerer geworden sind.
       Schon werden breitere Straßen und höhere Tiefgaragen gefordert – denn
       natürlich müssen wir uns der dominanten Spezies auf diesem Planeten
       anpassen, oder?
       
       Nein, denn das Aussterben der Straßendinosaurier ist eingeläutet. Immer
       weniger junge Menschen wollen ein eigenes Auto, das 23 Stunden am Tag im
       öffentlichen Raum vor sich hin rostet; immer weniger machen den
       Führerschein. Die Nichtmotorisierten erkämpfen sich den öffentlichen Raum
       zurück.
       
       Bis der Deutschlandtakt dafür sorgen wird, [4][dass 2070 die Bahn pünktlich
       kommt], werden wir längst ein Land sein, in dem vielfältige
       Mobilitätskonzepte genutzt werden: Radschnellwege, Carsharing, E-Bikes,
       E-Roller und nicht zuletzt Flugtaxis, die seit über 100 Jahren auf sich
       warten lassen.
       
       Sie alle werden mit einem umfassenden ÖPNV-Netz verbunden sein. Und wir
       werden staunen, wie schön unsere Städte sind, wenn nicht jeder Zentimeter
       mit Autos vollgeparkt ist. Denn das hat auch mein Vater auf seinen Reisen
       immer gesucht: Ein Café in der Innenstadt, in dem man ein Glas Wein trinken
       konnte, ohne dass der Autoverkehr Gespräche und Aussicht verdarb.
       
       13 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gruene-Maennchen-nur-innerstaedtisch/!5912666
   DIR [2] /Der-Anhalter-von-Douglas-Adams-wird-30/!5154383
   DIR [3] https://www.spiegel.de/auto/fdp-praesidium-will-laengeres-kurzzeitparken-und-broetchentaste-fuer-alle-kommunen-a-fc1dae8a-c6af-4c39-a121-b8ca26d35741
   DIR [4] /Deutsche-Bahn/!t5008760
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Theresa Hannig
       
       ## TAGS
       
   DIR wochentaz
   DIR Kolumne Über Morgen
   DIR Zukunft
   DIR Kolumne Über Morgen
   DIR wochentaz
   DIR Mobilität
   DIR Schweiz
   DIR Verkehrswende
   DIR Schwerpunkt klimaland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Lernen ohne soziale Kontrolle: Wenn Fettnäpfchen helfen
       
       Sich selbst zu ertappen hat Macht. So kann man sich ändern, ohne sich
       rechtfertigen zu müssen, findet unsere Autorin.
       
   DIR Positiv bleiben trotz Krisen: Berufsoptimistin ist ein harter Job
       
       In krisenreichen Zeiten fällt es schwer, hoffnungsvoll zu sein. Dabei ist
       alles eine Frage der Perspektive, findet unsere Autorin.
       
   DIR Urteil über Parkgebühren in Freiburg: Darf ruhig teuer werden
       
       In Freiburg ist eine Debatte über die Nutzung des städtischen Raums
       eröffnet. Auslöser war ein Urteil über Parkgebühren.
       
   DIR Mini-E-Auto statt SUVs: Aus eins mach drei
       
       Eine Schweizer Firma will den Trend zu immer größeren Autos umkehren. Drei
       ihrer Mini-E-Autos vom Typ „Microlino“ passen auf einen Stellplatz.
       
   DIR Infrastruktur für Fahrrad: Der radlose Verkehrsminister
       
       Volker Wissing will neue Autobahnen und eine Weiterführung des Verbrenners.
       Sein jüngster „Vorstoß“ für Fahrräder ist unglaubwürdig.
       
   DIR Klimafreundlicher Umbau in Städten: Die Autos aus den Köpfen kriegen
       
       Wie klappt die Mobilitätswende außerhalb der Metropolen? Beim klimaland
       Talk in Oldenburg ging es um die nötige radikale Wende in der
       Verkehrspolitik.