URI: 
       # taz.de -- Greenpeace-Proteste auf dem Landtagsdach: Nachspiel mit Sektkühler
       
       > Die CDU in Niedersachsen ärgert sich über den lässigen Umgang mit
       > Protestierenden. Dabei hat der Landtag doch ein paar
       > Demokratie-Botschafter übrig.
       
   IMG Bild: Wer gefährdet hier wen oder was? Ein Konzern die Umwelt oder Aktivisten die Demokratie?
       
       Es gibt ja so Sätze, die geben einem als Kind Rätsel auf. Die Drohung: „Das
       wird ein Nachspiel haben, Fräuleinchen“, zum Beispiel. Ich habe lange nicht
       begriffen, was für ein Spiel das ist und nach welchen Regeln es gespielt
       wird, aber gut klang das nie.
       
       Die [1][Greenpeace-Aktion auf dem Dach des Landtages], über die ich hier
       vor zwei Wochen geschrieben habe, hat auch das ein oder andere Nachspiel.
       
       Aus Sicht der Umweltschützer sogar ein erfolgreiches – jedenfalls ist
       [2][von einer Gasförderung noch im Jahr 2024 nicht mehr die Rede.] Die
       meisten politischen Berichterstatter waren außerdem froh, über etwas
       Spannenderes berichten zu können als die Beratungen zum zweiten
       Nachtragshaushalt.
       
       Die Opposition ist nach wie vor not amused. Die CDU wollte sogar die
       Bannmeile zurück, die Rot-Grün schon vor einer Weile abgeschafft hat, aber
       das will sie eigentlich immer.
       
       Es glaubt wahrscheinlich niemand, dass eine Bannmeile die Aktion ernsthaft
       verhindert hätte – aber aus Sicht der Konservativen hätten die Aktivisten
       dann immerhin neben dem Hausfriedensbruch noch eine Ordnungswidrigkeit auf
       dem Zettel, das erhöht zumindest die Geldstrafe.
       
       ## Was, wenn da Identitäre raufgeklettert wären?
       
       Es ist dann viel von Respekt die Rede und dem „hohen Haus“, wobei ich immer
       an den wunderbaren [3][Roger Willemsen und seine 2014 erschienene
       Parlamentsbeobachtung] denken muss. Es ist das mit Abstand langweiligste
       seiner Bücher. Man fängt fast an, sich Rhetorik als Schulfach zu wünschen.
       
       Aber natürlich haben die konservativen Kritiker einen Punkt, wenn sie
       sagen, man würde das Ganze wohl kaum so amüsiert beobachten, wenn man mit
       den politischen Forderungen der Demonstranten nicht sympathisieren würde.
       
       Was wäre denn zum Beispiel, wenn die Identitären da oben stehen würden und
       mit großen Bannern den Erhalt der arischen Rasse fordern? Man würde drinnen
       wahrscheinlich nicht so nonchalant weiter beraten wollen.
       
       Andrerseits: Was ist die Alternative? Parlamentssitzungen unterbrechen?
       Scharfschützen beauftragen, damit sie die vom Dach pusten? Oder den Landtag
       von vornherein an jedem Sitzungstag von Uniformierten mit Maschinenpistolen
       weiträumig abriegeln lassen?
       
       ## Wie weit sollen sich Volksvertreter abschirmen dürfen?
       
       Wie weit sollte sich ein demokratisches Parlament abschirmen von seinen
       Bürgern, egal, was für quatschige Meinungen oder absurde Einzelinteressen
       die gerade vertreten?
       
       Popstars, Päpste und Adelsgesocks können vielleicht selbst entscheiden, wie
       viel Kontakt zur gemeinen Masse sie so zulassen, aber der gewöhnliche
       Volksvertreter? Gehört das da nicht quasi zur Arbeitsplatzbeschreibung?
       
       Das scheint ja auch alles ein wenig unverhältnismäßig, solange der Protest
       friedlich bleibt, nicht wahr? Die Entscheidung für Bannmeilen speiste sich
       ja nicht unwesentlich aus den Erfahrungen der Weimarer Republik, in der es
       zu gewalttätigen, blutigen Auseinandersetzungen rund um den Reichstag kam.
       Oder sind wir schon wieder so weit?
       
       ## Vizes verteidigen die Demokratie auf Lobby-Empfängen
       
       Vielleicht sollte man vorläufig einfach mal kleinere Geschütze auffahren.
       Viel Diskussionen gab es ja zu Beginn dieser Wahlperiode auch um die
       sagenhaft aufgeblähte Anzahl der Landtagsvizepräsidenten.
       
       Weil man damals nicht öffentlich sagen konnte, dass diese fünf
       Stellvertreter der Landtagspräsidentin aus reinem Parteienproporz und
       Postengeschiebe zustande kam, hieß es offiziell, diese sollten im gesamten
       Land verstärkt für die Demokratie werben.
       
       [4][Die HAZ will nun herausgefunden haben,] dass sie das vor allem bei
       Lobbyabenden und Sektempfängen tun. Nun sind Lobbyisten mit ziemlicher
       Sicherheit auch eine Gefahr für die Demokratie, die Frage ist aber, ob man
       sie mit Grußwörtern oder Häppchen im Mund wirksam bekämpft.
       
       Bis das geklärt ist, könnte man diese überflüssigen Vizes doch vielleicht
       zur Verteidigung der Ehre des hohen Hauses auf dem Dach postieren. Sie
       können den Sektkühler ja mitnehmen.
       
       21 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Protest-gegen-Gasbohrungen-vor-Borkum/!5928632
   DIR [2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Gasfoerderung-vor-Borkum-wird-sich-wohl-erheblich-verzoegern,borkum690.html
   DIR [3] /Bundestagsbuch-von-Roger-Willemsen/!5046443
   DIR [4] https://www.haz.de/der-norden/niedersachsen-wo-vizepraesidenten-des-landtags-fuer-demokratie-werben-OOX6ABFJXFC7PFK77OQ4QKN6ZM.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Hannover
   DIR Landtag Niedersachsen
   DIR Greenpeace
   DIR Krise der Demokratie
   DIR Nationalpark Wattenmeer
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
   DIR Kolumne Provinzhauptstadt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Geplante Gasbohrung im Wattenmeer: Nicht in Stein gemeißelt
       
       Vor Borkum befinden sich mehr zu schützende Steinriffe als bislang bekannt.
       Das ergibt eine Greenpeace-Untersuchung zur geplanten Gasbohrung.
       
   DIR Dreimal desaströse Politik in Hannover: So geht kurzsichtig
       
       In Hannover versucht man, sich zu Obdachlosigkeit, Ladendieben und „Clans“
       zu verhalten. Im Fokus ist mal wieder das Sicherheitsempfinden der Bürger.
       
   DIR Endlich wieder Open-Air: Fast-Sommer ohne Parkplatz
       
       In der Provinz muss man mit dem Blick auf den Parkplatz trinken. In der
       Stadt hat der Frühsommer eine vergängliche Leichtigkeit.
       
   DIR CDU klagt über Neubauer-Essay im Abitur: Volksverarschung im Sonderangebot
       
       In Niedersachsen wurde ein klimapolitischer Essay von Luisa Neubauer bei
       einer Abiprüfung verwandt. Nun raunt die CDU von Indoktrination. Geht's
       noch?
       
   DIR Zukunftstag in Niedersachsen: So wirksam wie schmutzige Socken
       
       Der Boysday ist schlecht organisiert und weitgehend wirkungslos, glaubt die
       Kolumnistin. Aber die Kultusministerin sieht das natürlich ganz anders.
       
   DIR Banalität des Rassismus: Dem sauberen Herrn Holt sein Clan
       
       In Osnabrück wurden kürzlich mehrere Familienmitglieder wegen Betrugs
       verurteilt. Eine Frage bleibt mir: Warum gilt das nicht als
       „Clankriminalität“?