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       # taz.de -- Die Wahrheit: Der Gesang der Schnitzelbrötchen
       
       > Was, wenn ausgerechnet der Sohn des Metzgers die Spitzengrillprodukte
       > seines Vaters verabscheut und den Laden nicht übernehmen will?
       
       Coolness war das Wichtigste für Bennie und seine Freunde.
       Selbstverständlich wollten sie den Planeten retten, aber wenn der Globus am
       Ende doch in einem großen Feuerball verglühen sollte, wollten sie dabei
       wenigstens cool bleiben: Gerade so, als ob sie das alles nichts anging.
       
       Besonders cool wirkten sie allerdings nicht, als sie ins Café Gum
       hereinstürmten, eher wie die panischen kleinen Schweinchen auf der Flucht
       vor dem bösen Wolf. „Was ist los?!“, rief Luis seinem Sohn zu. „Hier!“,
       keuchte Bennie und schob Kalli nach vorne: „Ihr müsst ihm helfen!“ –
       „Helfen?“ – „Ja“, rief Bennie: „Jetzt!“
       
       Kalli war der Sohn des Bio-Metzgers vom Goetheplatz, und Oxer, der Metzger,
       ging davon aus, dass Kalli den Laden später mal übernehmen würde. Anders
       als Oxer, der so aussah, als ob er den Sauen, die er zu Schnitzeln
       verarbeitete, mit seinen bratpfannengroßen Händen höchstselbst den Hals
       umdrehte, war Kalli indes eher klein und zart. Vor allem aber verabscheute
       er Schnitzel.
       
       „Oxer hat auf einer Schnitzelmesse die ideale Schwiegertochter gefunden“,
       keuchte Bennie: „Eine Metzgerstochter aus Bielefeld, die ihm grillmäßig
       krass passt.“ – „Er will was?! Er will Kalli verheiraten?“, rief Raimund:
       „Aber das ist ja total mittelalterlich!“ – „Phhh … einem Grillriesen ist
       das echt egal!“ – „Außerdem“, zischte Luis Raimund zu, „hätte sich das
       Problem längst erledigt, wenn du und die anderen Fleischfresser mal
       aufgehört hättet, totes Tier zu vertilgen und bei ihm einzukaufen.“
       
       „Stimmt ja“, sagte Raimund gequält, „aber seine Schnitzelbrötchen sind ’ne
       Wucht! Wenn der Duft der frischen Schnitzel über den Goetheplatz zieht,
       folge ich dem willenlos bis an seine heiße Theke.“
       
       Draußen hörten wir Holzpantinen klappern. „Er kommt!“, kreischte Bennie,
       und Raimund griff sich unwillkürlich an die Kehle, als spüre er bereits den
       Bratpfannengriff. Sogar Luis wich zwei Schritte zurück. Nur Petris,
       Gumwirt, Grieche und Stoiker, nahm Kalli am Arm, schob ihn ins Bierlager
       und schloss die Tür.
       
       Sekunden später kam Oxer rein. „Wo ist Karl?!“, schnaubte er. „Nicht hier“,
       entgegnete Petris bestimmt. „Lass mich durch, warum versperrst du den Weg
       in dein Bierlager?“ Doch Petris trat nicht zur Seite. Er verschränkte die
       Arme vor der Brust und fixierte ihn wie ein Schlangenbeschwörer.
       
       Wir kniffen die Augen zusammen, weil Oxer Petris im nächsten Moment zu
       Bifteki verarbeiten würde. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen
       ließ Petris den Schlachter durch pure Willenskraft auf Zwergengröße
       zusammenschnurren, und Oxer sagte: „Hm … na, dann geh ich wieder.“ Und
       verschwand.
       
       Bennie und seine Jungs hingegen erklärten die Griechen zum coolsten Volk
       der Welt, und Kalli verstand den Wink des Schicksals, nahm den Bus nach
       Athen und versuchte dort sein Glück mit einer veganen Gyrosbude. Aber so
       cool waren die Griechen dann doch nicht.
       
       17 May 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joachim Schulz
       
       ## TAGS
       
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