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       # taz.de -- Gipfeltreffen in China: Xi Jinping umgarnt Zentralasien
       
       > Chinas Staatschef hat die Präsidenten von fünf ehemaligen
       > Sowjetrepubliken eingeladen. Vor allem geht es um Sicherheitspolitik.
       
   IMG Bild: Ankunftszeremoniell: Xi Jinping beim Gipfel in Xian
       
       Peking taz | Serikjan Bilash hat einen großen Anteil daran, dass die
       Weltöffentlichkeit von den Umerziehungslagern in der chinesischen Provinz
       Xinjiang erfuhr. Das Büro seiner NGO Atajurt im kasachischen Almaty war
       eine zentrale Anlaufstelle für Journalisten und internationale
       Menschenrechtsorganisationen, um die Leidensgeschichten von Betroffenen zu
       dokumentieren.
       
       Doch im Frühjahr 2019 wurde der Aktivist von kasachischen
       Sicherheitskräften verhaftet und als Terrorist gebrandmarkt. Unter immensem
       Druck floh Serikjan Bilash schließlich ins Ausland, weil er in seiner
       Heimat nicht mehr arbeiten durfte. Sein Schicksal verdeutlicht auf
       anschauliche Weise, wie massiv der gestiegene Einfluss Chinas in
       Zentralasien auf die dortigen Zivilgesellschaften wirkt.
       
       Am Donnerstag nun lud Staatschef Xi Jinping alle fünf ehemaligen
       Sowjetrepubliken in die chinesische Metropole Xian, um einen zweitägigen
       Gipfel zu abzuhalten. Der Austragungsort ist hochsymbolisch: Die
       historische Hauptstadt war der Beginn der alten Seidenstraße, die
       Warengüter vom Reich der Mitte über Zen-tralasien nach Europa
       transportierte. Zudem ist die Veranstaltung auch ein Gegenpol zum
       gleichzeitig in Hiroshima stattfindenden G7-Gipfel, bei dem die führenden
       Industriestaaten auch auf die zunehmende Bedrohung der Volksrepublik China
       reagieren werden.
       
       Historisch waren die Beziehungen Chinas zu Zentralasien alles andere als
       harmonisch. Während man zu Korea oder den Staaten Südostasiens
       tributpflichtige Vasallen-Beziehungen unterhielt, wurden die Stämme
       Zentralasiens als Bedrohung für die eigene politische Stabilität
       wahrgenommen. Durch die Gründung der Sowjetrepubliken kam es zur Zäsur –
       seither standen Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan nahezu
       ausschließlich unter russischem Einfluss.
       
       ## Schock für Peking
       
       Der Fall der Sowjetunion und die damit einhergehende Unabhängigkeit der
       zentralasiatischen Staaten war für Peking zunächst ein Schock. Von
       Kasachstan über Kirgistan bis nach Tadschikistan teilt man eine über 3.300
       Kilometer lange Grenze mit der autonomen Region Xinjiang, wo seit
       Jahrzehnten ein ethnischer Konflikt brodelt: Die muslimische Minderheit der
       Uiguren fühlt sich von den Han-Chinesen, die zu Hunderttausenden in der
       Region angesiedelt wurden, unterdrückt.
       
       Während die Uiguren in den vergangenen fünf Jahren zu Hunderttausenden in
       Umerziehungslager gesteckt wurde, gab es gleichzeitig weiterhin rund eine
       Million Anhänger des Turkvolks, die in Zentralasien nicht unter Kontrolle
       der kommunistischen Partei Chinas standen. Peking fürchtete daher, dass sie
       sich im Exil organisieren und eine Unabhängigkeitsbewegung formieren
       könnten.
       
       Chinas Staatsführung fuhr gegenüber Zentralasien zweigleisig, um seinen
       Einfluss auf die Region zu erhöhen. Zum einen vergab man großzügige Kredite
       zum Aufbau der Infrastruktur. Stets standen die Darlehen jedoch auch unter
       der Bedingung, dass chinesische Firmen für die Bauaufträge angeheuert
       wurden. All dies hat zu immensen Abhängigkeiten geführt: Tadschikistan und
       Kirgisistan halten nahezu die Hälfte ihrer Auslandschulden bei China. „Das
       Engagement der Volksrepublik China in Zentralasien hat in den vergangenen
       20 Jahren zu einer dramatischen Umorientierung der Region von Russland zu
       China geführt“, analysiert Expertin Niva Yau von der Washingtoner
       Denkfabrik „Atlantic Council“.
       
       Auch beim gemeinsamen Handel hat Peking mittlerweile mehr zu bieten als
       Moskau. Das Warenvolumen zwischen der Volksrepublik und den fünf
       zentralasiatischen Nationen stieg exponentiell: Waren es vor 20 Jahren nur
       rund 2,3 Milliarden US-Dollar, sind es mittlerweile über 70 Milliarden.
       
       Auf diesem Wege konnte China auch die Uiguren-Frage auf seine Weise
       „lösen“: Auf Druck Pekings wurden dort sämtliche Organisationen, die sich
       für eine Unabhängigkeit Xinjiangs einsetzten, unter Strafe gestellt. Dann
       lösten die Behörden de facto sämtliche uigurische Kulturorganisationen auf.
       Und selbst unbescholtene Bürger werden seit einigen Jahren stark unter
       Beobachtung gestellt. Dementsprechend zeigte sich der Weltkongress der
       Uiguren, eine Exil-Organisation mit Sitz in München, in einer Aussendung
       „zutiefst besorgt über die Vertiefung der Beziehungen zwischen China und
       Zentralasien“.
       
       18 May 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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