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       # taz.de -- An der Selbstscan-Kasse: Karmapunkte sammeln im Supermarkt
       
       > Bezahlen heißt in Lebensmittelläden meist: warten. Die Alternative:
       > Kassen zum selber scannen. Doch dabei stellen sich mitunter existenzielle
       > Fragen.
       
   IMG Bild: Wenn es am Laufband länger dauert: Einfach selber scannen!
       
       Kürzlich stand ich im Supermarkt an einer Selbstscan-Kasse. Wie ich dahin
       gekommen bin ist ein bisschen kompliziert. Es hatte jedenfalls mit einer
       sehr langen Schlange von Menschen an der Laufband-Kasse zu tun, einem
       Geräusch, das nach zerbrochenem Glas klang und einer etwas flehenden Bitte
       der Kassiererin.
       
       Und was soll ich sagen? Es war dann meine beste Technik-Erfahrung seit
       langem. Die Bedienung an der Selbst-Scann Kasse war intuitiv, samt Bildern
       für alle, die sich mit Buchstaben schwer tun. Es gab ein funktionierendes
       Touch-Display, eine Möglichkeit zum Barzahlen und nirgends gab es Probleme,
       nirgends. Ein technischer Prozess, der keine Fehlermeldungen produziert,
       der keine Verbindungsprobleme hat, keine fies klingenden Warntöne von sich
       gibt, der nicht etwas anderes macht als erwartet und der ganz ohne
       eingefrorenen Bildschirm endet.
       
       Selbstscan-Kassen haben das Zeug, die Gesellschaft in zwei Hälften zu
       teilen. Und diese Eigenschaft haben sie mit ziemlich vielen technischen
       Entwicklungen gemeinsam. Android oder iOS? Nachricht tippen oder
       Sprachnachricht? [1][Cookie]-Ablehnmenü oder alles akzeptieren?
       [2][Elektronische Patientenakte] oder Röntgenbilder von Arzt zu Ärztin
       tragen? Und in der Kassenfrage manifestiert sich direkt eine ganze Reihe
       von Konfliktlinien: Eile versus Entschleunigung. Mensch versus Maschine.
       Alles-wie-immer versus alles-neu. Kleiner Schnack versus meditatives
       Schweigen.
       
       Aber manchmal rücken diese ganzen Grundsatzfragen in den Hintergrund und es
       geht nur darum, wie man schnellstmöglich mit der Nudelpackung wieder aus
       dem Laden kommt. Diese ich-hab-doch-nur-drei-Sachen-Käufer:innen sind
       schließlich die klassische Zielgruppe der Selbstscan-Kassen. Positiver
       Nebeneffekt für die Angehörigen der XXL-Wocheneinkauf-Fraktion: Sie müssen
       sich nicht ständig damit auseinandersetzen, wie viele Menschen mit wie
       wenigen Waren sie vorlassen müssen, um ihr Karmakonto wieder in den
       positiven Bereich zu kriegen.
       
       Jedenfalls: Nach der Kassen-Erfahrung fragte ich mich, warum nicht mehr
       Technik so sein kann wie diese Kasse. Einfach zu bedienen, super
       Datenschutz dank Bargeldzahlung und funktionstüchtig, wenn man sie braucht.
       Ob es an der Auffassung von Software als Bananenprodukt liegt – reift bei
       den Kund:innen? Oder daran, dass in Zeiten, in denen sich nicht einmal alle
       Menschen darauf einigen können, dass die Erde rund und der Klimawandel ein
       Problem ist, das gemeinsame Schimpfenkönnen über Technik etwas sehr
       Verbindendes hat?
       
       Für diesen Fall rechne ich bei der nächsten Generation von
       Selbstscan-Kassen mit entsprechenden Anpassungen: Eingebauten Kameras,
       ausgebauten Bargeldfächern oder umgebauter Programmierung, die Äpfel als
       Birnen abrechnet. Und perspektivisch natürlich mit einer [3][Künstlichen
       Intelligenz], die schon weiß, was ich kaufe, bevor ich auch nur den Laden
       betrete. Ich werde dann wohl wieder die Seite wechseln, rüber zur
       Laufband-Kasse. Zumindest, wenn es sie dann noch gibt.
       
       5 May 2023
       
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