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       # taz.de -- Neue Science-Fiction-Serie „Silo“: 144 Stockwerke unter der Erde
       
       > In der dystopischen Serie „Silo“ geht es um viele genretypische
       > Narrative, doch sie überrascht mit einer ungewöhnlichen Dramaturgie.
       
   IMG Bild: Rashida Jones und David Oyelowo in der Serie Silo
       
       Es ist keine wirklich neue Prämisse, von der „Silo“ ausgeht: In einer
       mutmaßlich nicht allzu fernen Zukunft hat die Menschheit eine verheerende
       Apokalypse hinter sich, die die Erde unbewohnbar gemacht hat.
       
       Die wenigen Überlebenden sind, auf engstem Raum und um wesentliche
       zivilisatorische Errungenschaften gebracht, gezwungen, sich ganz neu eine
       Gesellschaft aufzubauen, deren Fortbestand nicht selten auf strikten Regeln
       basiert. So weit, so altbekannt, was dystopische
       [1][Science-Fiction-Szenarien] angeht.
       
       Die Serie, verantwortet von Showrunner Graham Yost („Justified“) und
       basierend auf einer Romantrilogie von Hugh Howey, leben rund 10.000
       Menschen, die mutmaßlich die letzten auf der Welt sind, in einem
       unterirdischen Silo, das sich 144 Stockwerke tief in die Erde erstreckt.
       
       Oben, wo ein paar Panoramafenster noch den Blick freigeben auf die
       zerstörte und durch eine toxische Atmosphäre unbewohnbare Außenwelt, leben
       jene, die das Sagen haben. Es ist eine nicht mehr ganz neue
       Überlebensgemeinschaft, vom Sheriff über die Bürgermeisterin bis hin zu den
       Verantwortlichen der Judikative oder dem Leiter der IT-Abteilung.
       
       Je weiter man sich nach unten begibt, desto niedriger wird die soziale
       Schicht: Ganz unten hausen unter einfachsten Bedingungen jene, die als
       Mechaniker*innen oder durch das Recyceln von Müll das System am Laufen
       halten.
       
       ## Kinder machen erfordert Genehmigung
       
       Das Reglement, das [2][die friedliche Ordnung] im Silo aufrechterhalten
       soll, ist streng. Beziehungen müssen abgesegnet werden, wer Kinder bekommen
       möchte, braucht dafür eine Genehmigung. Verbote gibt es viele, selbst
       Fahrstühle und andere Fortbewegungsmittel sind nicht erlaubt, was das
       Durchbrechen des herrschenden Klassensystems zu einem aufwändigen Kraftakt
       macht.
       
       Von den Annehmlichkeiten, mit denen [3][ihre Vorfahr*innen] vermutlich
       einst lebten, wissen die Menschen aber ohnehin nichts mehr: Alle
       Erinnerungen an die Katastrophe oder die Zeit davor scheinen ausgelöscht;
       rätselhafte Relikte von früher sind als Besitz so kostbar wie gefährlich.
       
       Doch hin und wieder hinterfragen Einzelne das große Ganze. So wie Allison
       (Rashida Jones), die überzeugt davon ist, dass der Bevölkerung des Silos
       die Wahrheit vorenthalten wird, dass sie sich vor aller Augen nach draußen
       in ihren wohl sicheren Tod verbannen lässt. Für Sheriff Holston (David
       Oyelowo), ihren Ehemann, gerät daraufhin alles ins Wanken, woran er ein
       Leben lang geglaubt hat.
       
       Eine Mordermittlung sorgt dafür, dass sein Weg den von Juliette (Rebecca
       Ferguson) kreuzt, die als verbissene Mechanikerin am Grund des Silos für
       den Generator verantwortlich ist. Unerwartete Ereignisse und eine
       persönliche Agenda sorgen dafür, dass sie bald mit ganz neuen Aufgaben
       betraut wird, bei denen die unermüdliche Suche nach Antworten schnell
       lebensbedrohlich wird.
       
       Wie die Serie innerhalb der ersten Folgen immer wieder den Fokus von Figur
       zu Figur verschiebt, bis sich schließlich die wahre Protagonistin
       herauskristallisiert hat, ist so reizvoll wie ungewohnt. Davon abgesehen
       kommt einem vieles vertraut vor, nicht nur die sich auf unnötig viele
       Rückblenden verlassende Erzählstruktur.
       
       ## Aufbegehren des Individuums
       
       Vom Dystopie-Kauderwelsch bis hin zu den verhandelten Themen kennt man
       vieles aus ähnlich gelagerten Geschichten, von „Brave New World“ bis
       „Snowpiercer“.
       
       Das Aufbegehren des Individuums, von dem eigentlich erwartet wird, dass es
       sich in den Dienst der Masse stellt. Das Ringen um Wahrheit in einer Welt,
       die auf kollektivem Unwissen und einem System aus Kontrolle und Überwachung
       basiert.
       
       Dass solche Konfliktfelder, über die hier ein düsteres Zukunftsbild
       entworfen wird, nicht sonderlich neu sind, wiegt „Silo“ damit auf, dass sie
       dramaturgisch und inszenatorisch stimmig, spannend und beklemmend als eine
       Art Mordermittlung erzählt werden, unterstützt von einem starken Ensemble
       und hochkarätigen Nebendarsteller*innen wie Harriet Walter, Tim
       Robbins oder Common sowie einem exzellenten Produktionsdesign.
       
       Insgesamt zieht sich der Stoff über zehn Episoden vielleicht allzu langsam
       hin. Doch atmosphärisch ist das so dicht, dass man kaum abschalten mag. Am
       Ende sind gerade nur so viele Fragen zu Ursprung und Führung des Silos
       beantwortet, dass man die nächste Staffel kaum erwarten kann.
       
       9 May 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Heidmann
       
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