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       # taz.de -- Kosten für Polizeieinsätze: Recht auf Rechnung
       
       > In Schleswig-Holstein wird diskutiert, Kosten für Polizeieinsätze bei
       > Demonstrant*innen in Rechnung zu stellen. Andere Bundesländer machen das
       > längst.
       
   IMG Bild: Brauchen Sie einen Kassenzettel? Polizei bei der Durchführung einer kostenpflichtigen Maßnahme
       
       Worin besteht der Unterschied zwischen einem Fußballspiel und einem
       Klimaprotest? Ganz einfach: Wer den Polizeieinsatz zahlt. Beim Fußball
       werden die Kosten auf alle Steuerzahler*innen umgelegt, denn die
       Vereine und deren Dachverband Deutsche Fußball Liga (DFL) verweigern sich –
       auch nach mehreren Gerichtsurteilen, die Bremen recht gaben, das die Kosten
       als bisher einziges Bundesland [1][an die Klubs durchreicht]. Wer aber
       nicht für ein Millionenhonorar gegen einen Ball tritt, sondern sich gegen
       den Klimawandel auf die Straße setzt, muss für die „Ingewahrsamnahme“
       zahlen.
       
       In immer mehr Bundesländern, darunter Bayern, Hessen und Hamburg, schickt
       die Polizei Aktivist*innen nach einem Einsatz die Rechnung und
       [2][verlangt Gebühren für Festnahmen], Transport zur Wache oder die
       „erkennungsdienstliche Behandlung“. Andere Landtage beraten zurzeit, ob sie
       das zum Vorbild nehmen und selbst auch solche „Wegtragegebühren“ einführen.
       
       Beispiel Hamburg: Im Schnitt rund 145 Euro koste es, sich kurzzeitig
       festsetzen zu lassen, berichtet der NDR. Der Senat der Hansestadt geht von
       rund 7.000 Fällen pro Jahr aus und verspricht sich Einnahmen in Höhe von
       rund einer Million Euro.
       
       Berechnet wird dabei nicht pauschal, sondern nach Stundensätzen: „Wer
       besser klebt, zahlt mehr“, fasst das Polit-Magazin „Panorama“ zusammen. In
       Hessen wird entweder besserer Kleber eingesetzt, oder die Beamt*innen
       arbeiten langsamer als in Hamburg, denn hier zahlen Demonstrierende im
       Schnitt rund 215 Euro.
       
       ## Das ist schlicht Aufgabe der Polizei
       
       Im April beantragte die CDU im niedersächsischen Landtag [3][„eine
       Wegtrage-Gebühr für sogenannte Klimakleber“]. Das SPD-geführte
       Innenministerium lehnte ab: Eine ungenehmigte Demo zu beenden, gehöre
       schlicht zu den Aufgaben der Polizei.
       
       Das sieht auch der Linken-Abgeordnete Deniz Celik in Hamburg so:
       Hoheitliche Maßnahmen müssten mit Steuergeldern bezahlt werden. Durch die
       Gebührenpflicht in Hamburg bekäme „man Angst, seine Grundrechte
       wahrzunehmen“.
       
       Die FDP in Schleswig-Holstein widerspricht. Natürlich „gehört es zu den
       Grundrechten, sich zu versammeln und zu demonstrieren“, sagte der
       FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz bei der Mai-Tagung. Doch wer „meint, dass
       man sich an Straßen ankleben und andere blockieren darf, der wird selbst
       zum Straftäter, weil das eben Nötigung ist.“
       
       Für Jan Kürschner, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Grünen im
       Kieler Landtag, ist der FDP-Vorstoß dagegen ein „Zündeln mit Drohgebärden
       gegenüber unliebsamen Protesten“. Bei anderen Demonstrationen, etwa gegen
       Coronamaßnahmen, seien schließlich auch keine Gebühren gefordert worden.
       „Wer würde denn noch politische Versammlungen veranstalten oder daran
       teilnehmen, wenn man danach bezahlen muss?“, fragte Kürschner. Er erinnerte
       daran, dass der Staat und alle Bundesländer gesetzlich verpflichtet seien,
       Klimaneutralität zu erreichen: „Das ist geltendes Recht, das es
       durchzusetzen gilt.“
       
       Doch in Kiel regieren die Grünen mit der CDU, und für die ist die
       „Zahlungspflicht bei Polizeieinsätzen denkbar“. Schließlich sei „nicht
       hinnehmbar, wenn eine kleine Gruppe eine ganze Stadt lahmlegt“, so der
       Abgeordnete Tim Brockmann. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass die Grünen
       um des Koalitionsfriedens willen am Ende zustimmen – wie bereits die Grünen
       in Hamburg, die das Thema „kritisch begleiten“ wollen.
       
       Immerhin darf in der Hansestadt eine Gruppe ganz ohne Angst vor Geldstrafen
       demonstrieren: Obdachlose sind von der Gebühr ausgenommen. Der Aufwand sei
       zu groß, die Kosten einzutreiben, befand der Senat.
       
       18 May 2023
       
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