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       # taz.de -- Wohnungsbau in Hamburg: Der Trend geht zur großen Wohnung
       
       > Die Bilanz des Wohnungsneubaus im vergangenen Jahr sieht in Hamburg trotz
       > Krieg und Krise nicht schlecht aus. Doch der Neubau geht am Bedarf
       > vorbei.
       
   IMG Bild: Es wird viel gebaggert und gebaut in Hamburg – nur für wen?
       
       Hamburg taz | Trotz Krieg, Krise und Inflation geht es der Hamburger
       Baubranche ziemlich gut. Mit 9.234 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2022
       verfehlte Hamburg zwar das selbst gesteckte Ziel von jährlich 10.000 neuen
       Wohnungen. Doch die Erwartungen sind nach den Coronajahren und angesichts
       der Wirtschaftslage allseitig niedrig.
       
       Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karen Pein (SPD), nannte das
       Ergebnis „erfreulich“ und sagte: „Ich bin froh, dass wir trotz der
       erschwerten Rahmenbedingungen diese Zahl erreichen konnten. Dafür danke ich
       allen Beteiligten am Bündnis für das Wohnen sehr.“ Das Bündnis für das
       Wohnen, das aus Vertreter*innen des Senats, der Bezirke und der
       privaten Wohnungswirtschaft besteht, [1][wird mittlerweile als bundesweites
       Vorbild gehandelt] – trotz des massiv angespanntes Wohnungsmarktes in
       nahezu allen Stadtteilen.
       
       Immerhin: Im Vergleich zu 2021 stellt die Anzahl der im letzten Jahr
       fertiggestellten Wohnungen ein Plus von 17,8 Prozent dar. Von den
       hamburgweit 9.234 neuen Wohnungen sind 2.430 gefördert, unterliegen also
       einer sozialen Mietpreis- und Belegungsbindung. Das entspricht einem Anteil
       von 26,3 Prozent – auch damit verfehlt der Senat sein Ziel von einem
       Drittel geförderter Wohnungen.
       
       Hinzu kommt: Auf die Fläche gerechnet ist der Anteil an sozialem
       Wohnungsneubau verschwindend gering. Von insgesamt 770.100 Quadratmetern
       Neubau stehen nur 148.719 Quadratmeter für förderberechtigte
       Mieter*innen zur Verfügung.
       
       ## Linke spricht von „billigen Tricks“
       
       Die Linksfraktion sprach zudem von „billigen Tricks“, mit denen die Zahlen
       geschönt worden seien. Denn nicht alle geförderten Wohnungen seien
       klassische Sozialwohnungen mit einer Anfangsmiete von 6,90 pro Quadratmeter
       – dies treffe lediglich auf 1.986 Wohnungen zu. Die restlichen 444 seien
       Wohnungen des zweiten Förderwegs mit Anfangsmieten von neun Euro pro
       Quadratmeter. Was allerdings für Hamburg immer noch sehr billig ist.
       
       Die Mietervereine weisen immer wieder darauf hin, dass [2][jedes Jahr mehr
       Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen als neue hinzukommen]. 2022
       gingen 2.511 Sozialwohnungen in den freien Wohnungsmarkt über, gab die
       Stadtentwicklungsbehörde auf taz-Nachfrage an. Mit anderen Worten: Hamburg
       verlor im vergangenen Jahr 81 Sozialwohnungen.
       
       Das Statistikamt Nord, das die Neubauzahlen am Dienstag veröffentlichte,
       stellte außerdem einen Trend zur immer größeren Wohnung fest. Die
       durchschnittliche Größe der neu geschaffenen Wohnungen stieg im Vergleich
       zum Vorjahr von 74,9 auf 81,7 Quadratmeter. Dabei sind, wie für Großstädte
       üblich, die meisten Wohnungen Einpersonenhaushalte – gefolgt von
       Zweipersonenhaushalten. Ob ein Singlehaushalt unbedingt 81 Quadratmeter
       haben muss, wirkt angesichts der Wohnraumknappheit zumindest fragwürdig.
       
       „Es wird immer noch am Bedarf vorbei gebaut“, sagt dazu Sylvia Sonnemann,
       die Geschäftsführerin des Mietervereins Mieter helfen Mietern. Das Motto
       „bauen, bauen, bauen“ sei nicht die ultimative Lösung. Man dürfe nicht die
       Frage aus den Augen verlieren, wer baue – und für wen. Auch der
       Sozialverband Hamburg warnte davor, dass beim Bauen nicht auf den realen
       Bedarf geachtet werde.
       
       ## Sozialverband warnt vor Katastrophe
       
       „Mehr als die Hälfte der Senior*innen bezieht eine Rente von höchstens
       1.000 Euro“, sagt Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverbands.
       Hinzu komme ein steigender Bedarf an barrierefreien Wohnungen im Alter. „Da
       ist die Katastrophe programmiert, wenn nicht sofort entsprechende Maßnahmen
       ergriffen werden“, sagt Wicher.
       
       Der Senat setzt eher auf breite Förderung. Stadtentwicklungssenatorin Pein
       hatte im Januar bekanntgeben müssen, dass im vergangenen Jahr wesentlich
       weniger Baugenehmigungen erteilt wurden, als der Senat sich zum Ziel
       gesetzt hatte. [3][Pein erhöhte daraufhin den Fördertopf für das Bauen um
       zwölf Prozent]. Zudem können sich Investor*innen über extrem niedrige
       Kreditzinsen freuen.
       
       Doch dass Bauen nicht alles ist, scheint auch auf Senatsebene angekommen zu
       sein. „Beim Schutz der Mieterinnen und Mieter muss nachgebessert werden“,
       sagte Pein am Dienstag. Der Senat hat beschlossen, zusammen mit Bremen eine
       Bundesratsinitiative gegen die Umgehung der Mietbremse durch die Vermietung
       möblierten Wohnraums einzubringen. Durch das Bereitstellen etwa eines
       Bettes und eines Stuhls hebeln Vermieter*innen immer wieder die
       Mietbremse aus.
       
       Damit soll nach dem Antrag von Hamburg und Bremen bald Schluss sein. Bei
       Vermietungen über sechs Monaten und Kettenverträgen, also mehreren
       Kurzzeitverträgen zwischen denselben Parteien, soll die Möblierung nicht
       mehr als Alibi für Mondpreise herhalten.
       
       24 May 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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