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       # taz.de -- Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus: Simply the Best – oder auch nicht
       
       > Der neue Regierungschef Kai Wegner (CDU) stellt die von ihm als „Das
       > Beste für Berlin“ eingestuften Richtlinien der schwarz-roten
       > Senatspolitik vor.
       
   IMG Bild: Im Abgeordnetenhaus präsentierte Regierungschef Kai Wegner (CDU) die Richtlinien seiner Politik
       
       Berlin taz | Kai Wegner versucht es auf die vereinnehmende, fast kumpelige
       Tour. Man solle doch zusammenarbeiten, ist vom neuen Regierungschef im
       Abgeordnetenhaus zu hören. Werner Graf von den nun oppositionellen Grünen
       und er hätten doch oft darüber geredet – „ich möchte diese
       Verwaltungsreform mit euch gestalten“. Es ist Wegners erste große Rede im
       neuen Amt, [1][seine erste Regierungserklärung], in der er die Richtlinien
       seiner Politik vorstellt. Das macht ihm die Verfassung zur Pflicht, aber
       für Wegner ist es mehr eine Kür, [2][den schwarz-roten Koalitionsvertrag]
       zu präsentieren, dessen Titel auch über den Richtlinien steht: „Das Beste
       für Berlin“.
       
       Verwaltung und die nötige Reform stellt Wegner als die Basis für all das
       Gute, Neue, Schöne dar, an dem die Koalition nach seinen Worten hart
       arbeiten will. Was wie eine generös ausgestreckte Hand Richtung Opposition
       wirken soll, ist aber unumgänglich: Ohne eine Zweidrittelmehrheit mit
       Stimmen von Grünen oder Linken funktionieren die dafür nötigen
       Verfassungsänderungen nicht. „Ja, wir brauchen euch auch“, gesteht Wegner
       noch zu.
       
       Auf das ganze „Euch“ und den Bezug auf das mehrfach beschriebene zumindest
       bis vor der Wahl gute Verhältnis zwischen ihm und Wegner reagiert
       Grünen-Fraktionschef Graf durchaus reserviert. „Sie, lieber Kai Wegner …“
       ist seine Formulierung. Das soll aber dem offiziellen Rahmen geschuldet und
       nicht etwas der Entzug des „Du“ sein, versichert ein Fraktionssprecher der
       taz.
       
       In seiner rund dreiviertelstündigen Rede geht Wegner weniger ins Detail,
       was das „Beste für Berlin“ ganz konkret sein soll, sondern skizziert eher
       das große Ganze für die Stadt, in der er von Geburt an lebt. Dazu gehört
       für ihn auch die Feststellung: „Berlin ist eine Weltmetropole und nicht
       Bullerbü“. Bei den bald anstehenden [3][Special Olympics], den Weltspielen
       von geistig behinderten Menschen, werde Berlin „zeigen, dass wir
       Großveranstaltungen können.“ Grünen-Fraktionschef Graf wird wenig später
       kritisieren, von der Koalition höre man „vor allem Olympia und
       Weltausstellung“, aber eben keine konkreten strukturellen Neuerungen.
       
       Die seit den ersten schwarz-roten Koalitionsverhandlungen zu hörende
       Kritik, ein solches Bündnis sei eine Rückschrittskoalition, weist Wegner
       zurück: „Diese Koalition steht für Aufbruch und Entwicklung.“ Das sieht
       später auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh so. Dabei lobt Wegner das freie
       Leben und Lieben in Berlin und sieht in der Liebe überhaupt „den besten
       Schutz gegen Hass, der auch jetzt wieder aus der rechten Ecke kommt“. Das
       intolerante Berlin, von dem die AfD fasele, „wird nie mein Berlin sein.“
       
       Der Grüne Graf – auch für ihn ist es eine Premiere als Oppositionsführer –
       fühlt sich bei all diesen großen Linien an Überheblichkeit von
       Fußballbundesligisten wie Hertha BSC erinnert, [4][sein wie Wegners
       Lieblingsverein]. Doch während man dort offenbar wieder Bodenhaftung
       gefunden hat, „ist es bei Schwarz-Rot genau anders herum“. Von großen
       Bauprojekten sei die Rede, von vielen neuen Wohnungen, einem
       Klima-Sondervermögen und einem erneuten 29-Euro-Ticket – „ich gebe zu,
       schöne Zahlen in die Welt zu stellen, das können Sie“.
       
       Graf zitiert dazu, was SPD-Fraktionschef Raed Saleh an gleicher Stelle mal
       über eine CDU-Rede sagte, als er noch mit Grünen und Linkspartei regierte:
       „In 80 Phrasen um die Welt“. Das beschreibt für Graf auch die gerade
       gehörten Richtlinien der Politik am besten. Bei der Linksfraktion arbeitet
       man sich weniger an den Richtlinien, sondern an der Wahl Wegners und an
       einer 800.000-Euro-Spende für die CDU ab. Für Fraktionschefin Anne Helm
       steht zudem genau wie für Graf weiter im Raum, dass Wegner bei seiner
       geheimen Wahl am 27. April Stimmen von der AfD brauchte, um Regierungschef
       zu werden.
       
       Grüne und Linke kritisieren auch die SPD, bis vor Kurzem ihr
       Koalitionspartner. Rücknahme des Mietenstopps und Mieterhöhungen als
       angebliche sozialdemokratische Handschrift? „Es muss nicht alles kostenlos
       sein, aber für alle bezahlbar sollte es schon sein“, sagt Graf.
       
       Am Rande der Besuchertribüne hat sich auch ein früherer Boss der CDU
       Wegners Rede angehört, auch wenn er weder Regierungschef noch
       Parteivorsitzender war. Klaus-Rüdiger Landowsky, langjähriger
       CDU-Fraktionschef, dessen politische Karriere im Bankenskandal 2001 endete,
       ist nach dem vorangehenden Festakt zum Parlamentseinzug vor 30 Jahren noch
       da geblieben, um sich Wegners Rede anzuhören. Landowsky hatte sich
       [5][ablehnend geäußert], als Wegner 2019 den CDU-Vorsitz übernahm: Der sei
       „für dieses Amt zu klein“. Vier Jahre später lobt er an diesem Donnerstag
       gegenüber der taz Wegners Auftritt: „Der hat sich gut entwickelt.“
       
       25 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-0980.pdf
   DIR [2] https://spd.berlin/media/2023/04/Koalitionsvertrag_2023-2026_.pdf
   DIR [3] https://www.berlin2023.org/?gclid=EAIaIQobChMIufLZn8eQ_wIVj8x3Ch09lAUHEAAYASAAEgLDX_D_BwE
   DIR [4] /Kai-Wegner-CDU-zur-Wahlwiederholung/!5911539
   DIR [5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/kai-wegner-ist-fur-dieses-amt-zu-klein-6513676.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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