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       # taz.de -- Razzien bei Klimaaktivisten: Bayern wirbt Letzte Generation ab
       
       > Nach den Durchsuchungen bei der Letzten Generation ist es mit dem Fokus
       > auf Berlin erst mal vorbei. Schwerpunkt wird jetzt Bayern.
       
   IMG Bild: Medienlieblinge: Die Letzte Generation
       
       Berlin taz | Raphael Thelen, Aktivist und Sprecher der Letzten Generation,
       zeigte sich am Donnerstag überwältigt von dem [1][Protestmarsch, den die
       Klimagruppe] am frühen Abend zuvor spontan organisiert hatte. In Reaktion
       auf die bundesweiten Razzien am Mittwochmorgen mit dem Verdacht der Bildung
       einer kriminellen Vereinigung, waren Mitglieder und Sympathisant:innen
       der Letzten Generation sowie von Gruppen wie Greenpeace oder Extinction
       Rebellion auf die Straße gegangen.
       
       „Wir waren viermal so viele Leute wie bei der bislang größten Demo“, sagt
       Thelen. Für viele Teilnehmer:innen sei die Razzia „der letzte Push“
       gewesen, sich jetzt der Gruppe anzuschließen. Laut Polizeiangaben waren es
       350 Menschen, die sich dem „Slow March“, also einem sehr langsamen
       Protestmarsch anschlossen, nach taz-Schätzungen etwa doppelt so viele.
       Schweigend, fast wie bei einem Trauermarsch blockierten die
       Demonstrant:innen die Straße, ganz ohne sich festzukleben; auf dem
       Schild eines Demonstranten stand: „Solidarität schlägt Repression“.
       
       Die Repression gegen die Letzte Generation, deren Konten die bayerische
       Staatsanwaltschaft bundesweit sperren ließ, hat unterdessen ebenfalls
       bundesweit zu Solidaritätserklärungen geführt. Nach einem Spendenaufruf für
       die Gruppe durch die Initiative Gesellschaftsrat Jetzt kamen innerhalb
       eines Tages mehr als 200.000 Euro zusammen.
       
       Auf Berlins Straßen blieb es dagegen am Donnerstag ruhig; der nächste
       Protestmarsch ist aber schon für Freitagnachmittag angekündigt. Mit dem
       alleinigen Fokus auf Berlin, dem Versuch, in den vergangenen fünf Wochen
       [2][die Stadt mit Straßenblockaden zum Stillstand zu bringen], ist es aber
       unabhängig von den Repressionen erst einmal vorbei. Laut einem
       Protestfahrplan der Gruppe folgt ab nun an eine „Lokalphase“. Aktionen soll
       es dann wieder in mehr als 60 Orten geben, aus denen die Aktivist:innen
       nach Berlin angereist waren. Bei Raphael Thelen heißt das: „Wir weiten die
       Proteste auf ganz Deutschland aus.“
       
       ## Fokus auf Superreichtum und Bayern
       
       Schon am kommenden Mittwoch wird bundesweit in vielen Städten zu
       Protestmärschen aufgerufen. Eine Protestpause, über die einige Medien in
       den vergangenen Tagen berichtet hatten, wird es laut Thelen dagegen nicht
       geben. Nur die Organisationsstrukturen gönnen sich ab Mitte Juli eine
       dreiwöchige Auszeit. Ihren Fokus will die Gruppe ab August vermehrt auf
       Bayern legen, dem Bundesland also, dessen Oberstaatsanwaltschaft den
       Verfolgungsdruck nun besonders hochhält.
       
       Schon vorher soll inhaltlich das Problem des Superreichtums in den Blick
       genommen werden, also womöglich die Markierung von Konzernsitzen oder
       Luxusgeschäften. Zu den Betroffenen der Razzia am Mittwoch in Berlin
       gehörte mit Carla Hinrichs auch die Pressesprecherin der Gruppe. In einem
       Video äußerte sie sich sichtlich betroffen über den Vorgang: „Plötzlich
       steht ein Polizist mit schusssicherer Weste an deinem Bett und richtet eine
       Waffe auf dich.“ Eine Szene, sagt sie, die man „nur aus dem Film“ kenne.
       
       Wie die taz am Donnerstag erfuhr, waren nicht nur Aktivist:innen der
       Letzten Generation von den Durchsuchungen betroffen, sondern auch
       unbeteiligte Dritte. So klingelten Polizist:innen in den Morgenstunden
       in Lichtenberg an der Wohnungstür von Eventunternehmer Stephan Hüttner, der
       mit seiner Firma Großveranstaltungen organisiert, etwa Bühnen, auch für
       Kundgebungen zur Verfügung stellt. Die Polizist:innen wollten eine
       Rechnung sicherstellen für eine Veranstaltung im März in München, wie
       Hütter sagt. Auf dem Verwendungszweck aber habe „Klimastreik“ gestanden, es
       handelte sich also um eine Veranstaltung von Fridays for Future und nicht
       von der Letzten Generation.
       
       „Ich habe mit der Letzten Generation nie direkt zu tun gehabt, habe mich
       nicht festgeklebt und bin auch nicht technisch für sie tätig gewesen“, sagt
       Hütter. Nur einmal hätte er eine Bühne für eine Kundgebung der Letzten
       Generation am Brandenburger Tor mitorganisiert, allerdings im Auftrag einer
       Drittfirma. Darum sei es aber gar nicht gegangen. Hütter sagt: „Ich sehe
       das als Einschüchterungsversuch. Die wollten einfach mal herausfinden, wer
       macht was in der Zivilgesellschaft.“ Mit seinem Anwalt wolle er nun dagegen
       vorgehen.
       
       ## Justizsenatorin Badenberg in der Kritik
       
       Für Irritationen sorgte ein wenig souveränes Interview von Justizsenatorin
       Felor Badenberg (parteilos) am Mittwochabend in den „Tagesthemen“. Viel
       Kritik zog sie sich dabei für den Satz zu: „Ob die Letzte Generation in den
       Untergrund zu gehen hat oder Sonstiges, das ist eine Entscheidung, die die
       Letzte Generation für sich treffen muss.“
       
       Zuvor hatte sich Badenberg indirekt von den bayerischen Ermittlungen
       distanziert: Man könne „nicht sagen, dass die Letzte Generation in ihrer
       Gesamtheit als kriminelle Vereinigung einzustufen ist“. Anderseits behält
       sich Badenbergs Verwaltung vor, im Zweifel auch die Berliner
       Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen
       Vereinigung anzuweisen.
       
       Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner verurteilte in der aktuellen
       Fragestunde die Straßenblockaden der Klimaschützer:innen. Es müsse dafür
       gesorgt werden, dass diese Blockaden ein Ende haben, so Wegner.
       Oppositionsführerin Bettina Jarasch (Grüne) reagierte auf Twitter auf die
       Aussagen von Wegner und der Justizverwaltung: „Wenn das der starke
       Rechtsstaat von Schwarz-Rot ist, dann gute Nacht.“
       
       25 May 2023
       
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