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       # taz.de -- Reaktionen auf Flüchtlingsgipfel: „Tropfen auf heißen Stein“
       
       > In Ländern und Kommunen fallen die Reaktionen auf die Beschlüsse des
       > Flüchtlingsgipfels gemischt aus. Viele vermissen eine langfristige
       > Lösung.
       
   IMG Bild: Auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft im hessischen Bensheim
       
       Berlin taz | Länder und Kommunen äußerten sich am Donnerstag verhalten bis
       enttäuscht zu den Ergebnissen [1][des Flüchtlingsgipfels vom Vorabend].
       Zwar herrschte allgemeine Erleichterung über die Ankündigung des
       Kanzleramts, zumindest etwas mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
       
       Die versprochene 1 Milliarde Euro zusätzlich wurde aber oft als zu gering
       bemängelt. Ministerpräsident*innen und Bürgermeister*innen
       kritisierten auch, dass es keine Einigung über ein dauerhaftes
       Finanzierungmodell gab. Komplett gegensätzlich waren derweil die
       Einschätzungen zu den beschlossenen Verschärfungen in der
       Flüchtlingspolitik.
       
       In den meisten Statements aus Ländern und Kommunen ging es ums Geld.
       SPD-Ministerpräsident*innen äußerten sich deutlich positiver als ihre
       Kolleg*innen von Union, Grünen und Linken. „Dass der Bund für dieses
       Jahr eine Milliarde zusätzlich zugesagt hat, ist ein wichtiges Signal und
       eine große Unterstützung, gerade auch für die Kommunen“, sagte etwa Malu
       Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz. Ihr Partei- und Amtskollege aus
       Brandenburg, Dietmar Woidke, nannte die Ergebnisse einen „Zwischenschritt
       zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Deutschland“.
       
       Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte
       dagegen, es müsse „ für alle Akteure endlich verlässlich und dauerhaft
       geklärt sein, wer welche Lasten trägt. Dies auszuverhandeln ist mit dem
       Bundeskanzler leider nicht gelungen.“ Und Bayerns Ministerpräsident Markus
       Söder (CSU) nannte die Milliarde Euro einen „Tropfen auf den heißen Stein“.
       
       ## Vier Länder ließen ihre Kritik im Papier festhalten
       
       Gemischt fielen auch die Reaktionen der Lokalpolitiker*innen aus.
       Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) nannte den Gipfel gegenüber der
       Rheinischen Post eine „ziemliche Enttäuschung“ und sagte weiter: „Wir
       brauchen Planungssicherheit. Die bekommen wir nur mit einer dauerhaften
       Regelung zur Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration von
       Geflüchteten, die sich steigenden Zuzugszahlen anpasst.“ Der Bürgermeister
       von Wittenberge und Präsident des Städte- und Gemeindebunds, Oliver Hermann
       (parteilos) sagte dagegen: „Ich bin erst mal froh, dass sie sich überhaupt
       geeinigt haben.“
       
       Seltener wurde am Donnerstag die geplante Verschärfung der Asylregeln
       angesprochen. Schon [2][im Beschlusspapier] hatten die CDU-geführten
       Landesregierungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern festhalten lassen,
       ihnen gingen die Verschärfung in der Flüchtlingspolitik nicht weit genug.
       „Es wäre notwendig gewesen, bei den Fragen von freiwilligen
       Aufnahmeprogrammen und der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten
       weitergehende Beschlüsse zu fassen.“
       
       Die Thüringer Landesregierung von Bodo Ramelow (Linke) ließ im
       Beschlusspapier ebenfalls Widerspruch festhalten, allerdings aus der
       entgegengesetzten Richtung: Es bedürfe fortschrittlicher Migrationspolitik
       „anstatt einer Reihe aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen, der Verlagerung
       von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen und weiterer
       Abschottungsmaßnahmen“.
       
       Ähnliche Töne kamen am Donnerstag aus Schleswig-Holstein: Die dortige
       Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte: „Die Scheinlösung,
       Asylverfahren an EU-Außengrenzen zu vollziehen, widerspricht dem deutschen
       Asylrecht und auch den europäischen Grundwerten. Im Übrigen entlastet dies
       die Kommunen nicht unmittelbar.“
       
       Zahlreiche andere Landesregierungen duckten sich am Donnerstag bei dem
       Thema weg. Eine Sprecherin der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen
       bestritt gegenüber der taz zum Beispiel, dass es sich überhaupt um eine
       Verschärfung der Asylpolitik handele. „Im Kern geht es um eine konsequente
       Anwendung geltenden Rechts“, sagte sie. Andere Landesregierungen
       ignorierten Fragen der taz nach den menschenrechtlichen Konsequenzen der
       Bund-Länder-Beschlüsse gleich ganz.
       
       11 May 2023
       
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