URI: 
       # taz.de -- Kommission übergibt Abschlussbericht: Weniger Wahlen wahrscheinlich
       
       > Wird der Bundestag bald nur noch alle fünf Jahre gewählt? Die
       > Wahlrechtskommission des Parlaments schlägt das vor. Eine Mehrheit ist
       > möglich.
       
   IMG Bild: Plenarsitzung im Deutschen Bundestag zum 75. Jahrestag der Gründung Israels
       
       Berlin taz | Auf rund 100 Seiten sind sie zusammengefasst: die Vorschläge
       zur Wahlrechtsreform. Nach mehr als einem Jahr Beratungen hat eine
       Kommission aus Bundestagsabgeordneten und Sachverständigen am Freitag ihren
       Abschlussbericht zur Reform an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD)
       übergeben.
       
       Zentrale Empfehlungen sind, die Dauer der Legislaturperioden des
       Bundestages von vier auf fünf Jahre anzuheben, das Mindestwahlalter auf 16
       Jahre abzusenken und für mehr weibliche Abgeordnete im Parlament zu sorgen.
       
       Am aussichtsreichsten, in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt zu
       werden, ist der Vorschlag zur Verlängerung des Abstands zwischen den
       Bundestagswahlen auf fünf Jahre. „Wir haben aktuell sehr kurze Zeiten, in
       denen Parlamente wirklich arbeiten können“, sagte Till Steffen, Obmann der
       Grünen in der Kommission. „Im ersten Jahr ist die Findungsphase und im
       letzten Jahr ist nur noch Wahlkampf.“ Sitzungswochen des Bundestages seien
       eng getaktet und „Ressourcen begrenzt“.
       
       Daneben nannte Steffen als Vorbilder das Europarlament sowie die Landtage,
       die alle fünf Jahre neu gewählt werden. Die einzige Ausnahme bildet bei den
       Bundesländern Bremen, wo alle vier Jahre gewählt wird. Die Verlängerung der
       Legislaturperiode, für die das Grundgesetz geändert werden müsste, könnte
       die nötige Zweidrittelmehrheit erhalten, weil auch die Union grundsätzlich
       Zustimmung signalisiert hat.
       
       „Es ist eine Möglichkeit, die Stabilität der Gesetzgebung zu erhöhen“,
       sagte Ansgar Heveling, Obmann der Unionsfraktion in der
       Wahlrechtskommission. Jedoch gebe es „keinen Anlass zur Eile“. Er fügte
       hinzu: „Die Argumente für und wider eine Verlängerung der Wahlperiode
       müssen noch einmal sorgfältig abgewogen und in einem größeren Rahmen
       diskutiert werden.“
       
       ## Wählen ab 16 steht im Koalitionsvertrag
       
       Zu einem abgesenkten Mindestwahlalter von 18 auf 16 Jahre sagte
       Grünen-Obmann Steffen: „Die politische Beteiligung wird dadurch gefördert“.
       Sebastian Hartmann (SPD) sagte: „Wir entsprechen damit dem Willen der
       jungen Generation, sich zu beteiligen.“ Eine Absenkung des Wahlalters steht
       auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung.
       
       Allerdings hat die Union bereits eine Absage erteilt. „Die Festlegung des
       Wahlalters war den Vätern und Müttern des Grundgesetzes so wichtig, dass
       sie es ins Grundgesetz geschrieben haben“, sagte Unions-Obmann Heveling. Es
       dürften nicht „leichtfertig Veränderungen vorgenommen werden.“ Die
       Volljährigkeit ist dabei ein guter und bewährter Maßstab“, so Heveling.
       
       Gerungen wird auch weiterhin um den Anteil weiblicher Abgeordneter im
       Bundestag. SPD und Grüne wollen durch ein Paritätsgesetz eine Quotierung
       von Mandaten zwischen Frauen und Männern. Eine solche Quoten-Regelung ist
       aus Sicht des Grünen Steffen dringend notwendig: „Die Repräsentation liegt
       sehr schief“. Weiter sagte er: „Solche Regeln führen dazu, dass Frauen
       Erfahrungen sammeln, um an der Spitze zu stehen.“ Nachdem in der
       Vergangenheit die Zahl weiblicher Abgeordneter deutlich gestiegen sei, habe
       es „jetzt wieder Rückschritte“ gegeben.
       
       „Der Anteil von Frauen von knapp 35 Prozent ist deutlich niedriger als der
       Bevölkerungsschnitt und dieser Zustand ist nicht hinnehmbar“, bekräftigte
       Hartmann. Der SPD-Politiker begrüßte den Anstoß zu der Debatte, „unabhängig
       von einer späteren Entscheidung“.
       
       ## Union und FDP gegen Paritätsgesetz
       
       Die FDP hält ein Paritätsgesetz für verfassungswidrig und lehnt es ab. Auch
       die Union spricht sich dagegen aus. Unions-Politiker Heveling verwies auf
       „hohe verfassungsrechtliche Hürden“ und darauf, dass das Anliegen an den
       Landesgerichtshöfen in Thüringen und Brandenburg bereits gescheitert sei.
       
       Die Unions-Fraktion schlägt stattdessen ein Maßnahmenpaket ohne
       Quotenregelung vor. Die Fraktionen sollen sich selbst einen Kodex
       auferlegen und durch den Anspruch auf Elternzeit und Elterngeld, den es
       bisher für Abgeordnete nicht gibt, soll die Arbeit der Abgeordneten im
       Bundestag familienfreundlicher werden.
       
       ## Wählen aus dem Ausland erleichtern
       
       Von der Wahlrechtskommission wird auch eine „Entschlackung des
       Wahlverfahrens aus dem Ausland“ angeregt, wie Till Steffen es formuliert.
       Weil Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig ankämen, hätten
       Bundesbürgerinnen und -bürger häufig keine Möglichkeit, ihre Stimme
       abzugeben.
       
       „Das ganze Beantragungsverfahren soll online möglich sein und ich könnte
       mir vorstellen, dass Unterlagen selbst ausgedruckt werden“, sagte Steffen.
       Konsulate könnten anhand der ausgedruckten Wahlunterlagen Stimmzettel
       ausgeben. Eine Erkennung durch QR-Code sei ebenfalls denkbar. Andere
       Staaten würden die Wahl in ihren Konsulaten längst anbieten.
       
       ## Bundestags-Verkleinerung im Bundesrat abgesegnet
       
       Nachdem die Ampelkoalition dieses Jahr schon eine Begrenzung des Bundestags
       [1][von 736 auf 630 Mitglieder beschlossen hatte], hat zuletzt auch der
       Bundesrat die umstrittene Wahlrechtsreform passieren lassen. Gegen die
       Verkleinerung wollen die Linkspartei sowie die CSU allerdings in Karlsruhe
       Verfassungsklage einreichen. Durch die Abschaffung der Grundmandatsklausel
       droht beiden Parteien der Verlust von Sitzen, weil Direktkandidatinnen und
       -kandidaten nicht mehr in den Bundestag einziehen könnten.
       
       Ansgar Heveling sagte dazu: „Die Ampel hat ihr Wahlrecht an dieser Stelle
       durchgepeitscht“ und ergänzte: „Wir halten es für verfassungswidrig“. Er
       bedauerte, dass die CDU-/CSU-Fraktion „keine Möglichkeit hatte, das noch
       vertieft bis zum Ende der Wahlrechtskommission zu beraten“.
       
       13 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlrechtsreform-der-Ampelkoalition/!5918772
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Clemens Dörrenberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundestag
   DIR Paritätsgesetz
   DIR Wahlrecht
   DIR Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Ampel-Koalition
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bürgerschaftswahl in Bremen: Jugendliche wählen als ob
       
       Unter 16-Jährige konnten symbolisch für die Bremer Bürgerschaftswahl
       Stimmen abgeben. Besonders die Linke hat dabei verloren. Wahlalter
       umstritten.
       
   DIR Wahlrechtsreform der Ampelkoalition: Nicht nur die Linke muss bangen
       
       Im Wahlkreis direkt Gewählte sollen nur noch in den Bundestag kommen, wenn
       ihre Partei die Fünfprozenthürde schafft. Linke und CSU drohen mit Klage.
       
   DIR Bundestag debattiert Wahlrechtsreform: „Wir machen das jetzt“
       
       Alle Fraktionen wollen, dass der Bundestag verkleinert wird. Die Debatte
       aber zeigt: Einen gemeinsamen Weg dahin wird es kaum geben.