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       # taz.de -- Die BVG und ihre Probleme: Das ist doch kein Joke
       
       > Bei der BVG läuft vieles ganz normal, manches aber auch so richtig
       > schief. Das Unternehmen muss darauf reagieren.
       
   IMG Bild: Was gelb und nicht immer witzig?
       
       Am Ende konnte sich auch die BVG dem Hype der vergangenen Tage nicht
       verschließen: [1][Mit der Frage „Sind wir spät dran?“] hat das Unternehmen
       auf Twitter einen Fake-Wes-Anderson-Minitrailer gepostet. Als Hommage an
       den US-Regisseurs mit seinen unverkennbaren Manierismen sieht man ein Kind
       mit einer großen gelben Instantkamera durch bunt gekachelte U-Bahnhöfe
       hüpfen, und irgendwie spielt auch ein Bagel noch eine Rolle.
       
       Man muss der BVG auch Jahre nach dem Start der „Weil wir dich
       lieben“-Kampagne zugestehen, dass nicht nur ihre [2][aufwendig produzierten
       Werbevideos], sondern auch die Memes und schlagfertigen Reaktionen in den
       Sozialen Medien witzig geblieben sind. Die positionieren sich bekanntlich
       auch erfrischend politisch, angefangen bei den legendären Tweet-Battles mit
       dem AfD-Abgeordneten Lindemann bis kürzlich zum Einstandsgruß an den neuen
       Regierenden: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Wegner! Wann Busspur auf der
       A100?“
       
       Das Problem dabei: Manchmal vergisst man ob dieses sorgsam gepflegten
       Images, dass die ganze abgerockt-coole Selbstironie nichts weiter ist als
       genau das: ein von Profis gegen Geld produziertes Image. Mit dem
       Alltagsgeschäft hat das wenig bis nichts zu tun: Da sind die meisten
       FahrerInnen keine schnoddrig-charmanten Originale, sondern Menschen, die
       hart arbeiten und oft gestresst sind – und, wen wundert’s, in einzelnen
       Fällen auch unfreundlich und bräsig.
       
       Auf der anderen Seite die KundInnen: auch sie kein Panoptikum
       exzentrischer, im Kern immer gutmütiger Gestalten, wie uns die BVG-Filmchen
       weismachen wollen, sondern größtenteils komplette Normalos, zum Teil aber
       auch sozial schwer anschlussfähige Menschen mit hohem Aggressionspotenzial
       oder mangelhaften Hygienestandards. Das kann man schulterzuckend als
       Schattenseite der Urbanität abtun, man kann aber auch die Frage stellen,
       wie die Verkehrswende gelingt, wenn viele Menschen sich auf ihren Wegen im
       ÖPNV weder sicher noch komfortabel fühlen.
       
       ## Was das Joke Department kaschiert
       
       Richtig problematisch wird es, wenn das politisch schwer korrekte Joke
       Department der Verkehrsbetriebe auch die strukturellen Probleme im
       Hintergrund kaschiert, die über das übliche Allzumenschliche hinausgehen.
       Etwa die fortwährende Auslagerung von Kontroll- und Sicherheitsjobs in die
       Prekarität von Sub- und Subsubunternehmen: eine aus Kostengründen in Kauf
       genommene [3][Schieflage, die immer wieder zu krassen Fällen von
       Diskriminierung führt].
       
       Denn – so die treffende Analyse der Kampagne #bvgWeilWirUnsFürchten – wer
       solche auch als „Policing“ bezeichneten Tätigkeiten nicht von gut
       geschulten und bezahlten Fachkräften durchführen lässt, eröffnet auch
       Menschen eine gefährliche Machtposition, die mit Macht nicht umgehen können
       oder sie im Kleinen ausleben wollen, weil sie im Großen selbst auf der
       Verliererseite stehen. Im schlimmsten Fall kommt dabei ein racial profiling
       heraus, das für Betroffene lebensgefährlich enden kann. Das aber darf
       einfach nicht sein.
       
       Zuletzt schlugen rund um die BVG die Wellen hoch, als der Aufsichtsrat die
       Vorstandsvorsitzende Eva Kreienkamp schasste. Wie viel von deren Vorwürfen
       zutrifft, dass die Modernisierung der Unternehmenskultur nicht vorankommt
       und das Diversity-Management im Argen liegt, lässt sich zurzeit nur schwer
       beantworten. In jedem Fall zeigt dieser Eklat wie die einzelnen Übergriffe
       auf KundInnen wie auch die parallel dazu ablaufende gigantische Normalität
       des tagtäglichen Betriebs: Die BVG ist alles Mögliche – nur ganz sicher
       kein Wes-Anderson-Film.
       
       12 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/BVG_Kampagne/status/1656577533381586945?s=20
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=vLe7IO5GYe0&t=34s
   DIR [3] /Ticketkontrollen-in-Berlin/!5930204
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
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