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       # taz.de -- Rezension zu „Tiny Beautiful Things“: Mit Wärme und Wahrhaftigkeit
       
       > Die Disney+-Serie bewegt sich zwischen Trauer, Komödie und brutalem
       > Pathos. Besonders überzeugt aber die Hauptdarstellerin.
       
   IMG Bild: Kathryn Hahn als Claire Pierce
       
       Dass sich bei „Tiny Beautiful Things“ das Einschalten lohnt, weiß man
       eigentlich, bevor man auch nur eine einzige Minute dieser neuen,
       zehnteiligen [1][Disney+-Serie] gesehen hat. Der Name der Hauptdarstellerin
       genügt, um umgehend einschalten zu wollen. Wenn man ihn denn kennt.
       
       Kathryn Hahn als Hollywoods bestgehütetes Geheimnis zu bezeichnen, wäre
       übertrieben, aber ein Superstar ist die im Juli 50 Jahre alt werdende
       Schauspielerin eben auch nicht. Die längste Zeit ihrer inzwischen fast
       25-jährigen Karriere war sie eigentlich eine unter vielen: eine
       Schauspielerin, die okay von ihrem Beruf leben konnte, ohne je die ganz
       großen Rollen zu bekommen. Hübsch, aber nicht im Roten-Teppich-Sinne
       glamourös; ungemein talentiert, aber ohne, dass man [2][bei den Oscars] auf
       sie aufmerksam geworden wäre.
       
       Dass nach einer langjährigen Nebenrolle in der Krimiserie „Crossing Jordan“
       und kurzen Auftritten in Kinokomödien wie „Liebe braucht keine Ferien“,
       „Stiefbrüder“ oder „Wir sind die Millers“ inzwischen die New York Times
       oder das W Magazine Schlange stehen für Fotoshootings und Interviews, ist
       eine Entwicklung, die eng mit dem Streaming-Boom verknüpft ist. Denn seit
       sie sich 2014 als Rabbi Raquel Fein in „Transparent“ als wahrer scene
       stealer entpuppte, ist Hahn nicht mehr wegzudenken aus den spannendsten
       Serienproduktionen der letzten Jahre.
       
       Als Clare Pierce steckt Hahn in „Tiny Beautiful Things“ schon beim
       Einsetzen der Handlung in einer handfesten Midlifekrise. Die Ehe mit Danny
       (Quentin Plair) ist trotz Paartherapie in Schieflage, nicht zuletzt, seit
       sie ihrem Bruder ohne Rücksprache eine stattliche Summe Geld geliehen hat.
       Clare treiben zwei große Traumata um: der frühe Krebstod ihrer geliebten
       Mutter (Merritt Wever) sowie die Tatsache, dass sie trotz Talent und
       Buchvertrag nie die Autorin wurde, die sie immer sein wollte.
       
       ## Kurz vor dem Kontrollverlust
       
       „Tiny Beautiful Things“ basiert auf dem gleichnamigen Buch von
       Bestsellerautorin Cheryl Strayed, die darin ihre eigenen „Dear
       Sugar“-Kolumnen sowie autobiografische Essays versammelte. Für die Serie
       bedeutet das, dass sie in ihrer Auseinandersetzung mit Familie, Trauer und
       Sex irgendwie Gegenwart und Rückblenden sowie Visionen, Träume und
       Ratschläge aus dem Off verschmelzen muss.
       
       Mancher Aspekt von Clares Biografie wird dabei allzu kurz abgehandelt,
       während viel Platz für mal kluge, mal banale Lebensweisheiten bleibt. Vor
       allem aber zieht sich ein Übermaß an Sentimentalität durch die Geschichte,
       der eigentlich das Potenzial zu sehr viel mehr abgründiger Wildheit
       innewohnt.
       
       Doch tatsächlich: Kathryn Hahn macht solche Einwände mehr oder weniger im
       Alleingang vergessen. Mit so viel Wärme und Wahrhaftigkeit eine wahrlich
       nicht fehlerlose, aber gerade deswegen liebenswerte Frau zu verkörpern, die
       stets ganz kurz davorzustehen scheint, die Kontrolle über sich und ihr
       Leben zu verlieren – das macht dieser Ausnahmeschauspielerin nämlich so
       schnell niemand nach.
       
       16 May 2023
       
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