URI: 
       # taz.de -- Tag der Menstruationshygiene: Danke für nichts, PMS!
       
       > Am Weltmenstruationstag hat unsere Autorin nichts zu feiern, denn sie hat
       > das Prämenstruelle Syndrom – und hasst dann alles, sogar ihre
       > Kuscheltiere.
       
   IMG Bild: Hassen bis das Blut fließt: Ein Gemütszustand, den viele Frauen kurz vor der Menstruation kennen
       
       Tag 21: Ich hasse das Geräusch des Genießens. Wenn jemand den Joghurtbecher
       ausschleckt, Wein ins Glas gießt, den Wein trinkt; das Gurgeln des Wassers
       im Kehlkopf, wenn der Durst mal wieder übermächtig war. Ich hasse das
       genüssliche Kauen beim Verzehr eines belegten Brotes. (Ja, 30 Mal ist so
       gesund, aber mal ehrlich, dann esst doch gleich Suppe!)
       
       Tag 22: Ich hasse die Sonne, wenn sie ins Zimmer knallt und mir jeden Fleck
       zeigt, mich auf alles aufmerksam macht, was mal ordentlich geschrubbt
       werden könnte. Und wenn das geschrubbt wurde, deutet der nächste Strahl auf
       eine weitere, bisher für sauber gehaltene Ecke. Das hasse ich.
       
       Tag 23: Ich hasse Warten. Warten auf E-Mails, warten auf zwei blaue Haken,
       warten auf „Updates erfolgen! Bitte fahren Sie den PC nicht herunter!“,
       warten in Warteschleifen, warten auf die Deutsche Bahn, warten in der
       Deutschen Bahn, warten, bis das Wasser kocht, warten auf das Blut in der
       Unterhose, warten auf das Geld auf dem Konto, um das Blut in der Unterhose
       aufzufangen.
       
       Am 28. Mai feiert die Welt das Blut in der Unterhose, am
       [1][Internationalen Tag der Menstruationshygiene]. Ich hab da nichts zu
       feiern, denn ich habe PMS, das Prämenstruelle Syndrom (diesen Begriff hasse
       ich auch!). Zurückzuführen darauf, dass mein Hormonhaushalt im
       Ungleichgewicht ist, Östrogen und Progesteron, ich hasse alle beide. Es
       gibt kaum aussagekräftige Studien dazu, wie viele Menstruierende mit mir
       leiden, aber Befragungen legen nahe, dass nahezu alle mindestens leichte
       PMS-Beschwerden kennen.
       
       ## Gefühlspalette in Neonfarben
       
       Von leichten Beschwerden kann ich nur träumen. Mein PMS sorgt dafür, dass
       meine ohnehin recht bunte Gefühlspalette plötzlich in Neonfarben leuchtet.
       Dass dieser Zustand zehn Tage dauert, ist keine Seltenheit. Und so liegen
       nach Tag 23 noch sieben weitere Tage des Hassens vor mir. Das kann ja
       heiter werden, für mich und für alle, die mich – hoffentlich auch nach
       diesem PMS – noch lieben. Wenigstens irgendwas ist dann noch heiter, ich
       bin es nicht!
       
       Ich hasse es, währenddessen immer noch mehr zu fühlen, noch größer – nein,
       riesig: an Tag 24 Traurigkeit (Oh, ist wieder mal alles vorbei?), an Tag 26
       Wut (Ach, waren sie wieder alle gemein?), an Tag 28 unerwartetes Hochgefühl
       (Na, wohin denn diesmal mit all dem Glück?) und an Tag 30 Mitgefühl,
       ausgelöst durch die Erinnerung an den alten Mann im Eiscafé, damals vor 15
       Jahren. Ja, diese Erinnerung zerreißt mir an Zyklustag 30 das Herz.
       
       Der alte Mann saß an einem Tisch gegenüber von meinen Freund*innen und
       mir, allein, nein, einsam. Ich hätte ihn ansprechen sollen, was hätte ich
       schon verloren? Nichts! Im Gegenteil, ich hätte an Menschlichkeit gewonnen
       und er an Gesellschaft! Aber nein, ich habe einfach mein Eis gegessen und
       wahrscheinlich noch gelacht dabei, ihm mit meinem Lachen seine Einsamkeit
       noch deutlicher vor Augen geführt.
       
       Ob der Mann noch lebt? Unwahrscheinlich. Ich bin ein kalter Mensch, das ist
       der Beweis und rückgängig machen kann ich es niemals mehr.
       
       ## Hassen macht Spaß!
       
       Aber mal ehrlich, warum eigentlich haben meine Freund*innen nichts
       gesagt? Jetzt hass ich die! Die kann ich ruhig hassen, sie werden mir
       sowieso alle die Freundschaft kündigen, wenn wir dieses hormonelle Drama
       hinter uns gebracht haben. Selbst meine Kuscheltiere werfen mir
       vorwurfsvolle Blicke zu. Ich will den Kontakt zu meinen Kuscheltieren
       abbrechen! Wie schaffe ich das? Weiß Google so was? Ich hasse Google, ich
       will mich nicht anmelden, ich will keinen Datenschutz anklicken, ich will
       nur wissen, wie ich mit meinen Kuscheltieren brechen kann.
       
       Mein Mann ruft mich. Er wagt es? Den hasse ich doch auch. Was war er wieder
       laut, als er die Tassen ins Regal gestellt hat. Sicher wollte er damit
       demonstrieren, dass ich nicht mehr alle im Schrank habe. Was will er bloß?
       Hat er keine Angst vor mir? Und vor meinem Hass?
       
       Aber wisst ihr was? Hassen macht Spaß, hassen hasse ich nicht!
       
       28 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Internationaler-Tag-der-Menstruation/!5775167
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sarah Lorenz
       
       ## TAGS
       
   DIR Menstruation
   DIR Kolumne Starke Gefühle
   DIR wochentaz
   DIR Frauen
   DIR IG
   DIR Kolumne PMS-Ultras
   DIR Kolumne PMS-Ultras
   DIR Kolumne PMS-Ultras
   DIR Empathie
   DIR Kolumne PMS-Ultras
   DIR Zukunft
   DIR Kolumne PMS-Ultras
   DIR Menstruationsbeschwerden
   DIR Zukunft
   DIR Kolumne Starke Gefühle
   DIR Menstruationsbeschwerden
   DIR Menstruationsbeschwerden
   DIR Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Letzte PMS-Kolumne: Abschied mit Pommes und PMS
       
       Mit einem letzten Text verabschiedet sich unsere Kolumnistin – und freut
       sich darüber, anderen in ihrem Leiden an PMS geholfen zu haben.
       
   DIR Schlechter Schlaf mit PMS: Prämenstruelle Bettflucht
       
       Unsere Autorin liebt schlafen. Doch spätestens in der zweiten Zyklushälfte
       wacht sie immer wieder nachts auf. Über das Müdesein während PMS.
       
   DIR Zahnfleischschmerzen durch Menstruation: Wo es natürlich auch weh tut
       
       Warum auch sollte nur ein Millimeter des weiblichen Körpers von den
       prämenstruellen Plagen verschont bleiben? Also diesmal: Zahnweh!
       
   DIR Liebe für ausgesetzte Möbel: Wenn zwei sich finden
       
       Einsame Stühle, verirrte Kuscheltiere – in das Herz unserer Autorin passen
       so ziemlich alle Dinge. Nur leider nicht in ihr Zuhause. Ein Dilemma.
       
   DIR Warten, bis das Blut kommt: Alles richtig doll schlecht
       
       Ein verschobener Impf-Termin ist kein Weltuntergang. Aber unter gewissen
       Umständen kann er trotzdem alles infrage stellen.
       
   DIR Diabetes im Zyklus: Zucker und Eier
       
       Die Menstruation wirkt sich auf den Hormonhaushalt aus – und damit auch auf
       die Insulinaktivität. Eine Studie hat die Zusammenhänge erforscht.
       
   DIR Kaum bekannte Diagnose „PMDS“: Wutausbrüche und Selbstkasteiung
       
       Die prämenstruelle dysphorische Störung ist immer noch keine offizielle
       Krankheit – obwohl die Symptome das Leben der Betroffenen stark
       einschränken.
       
   DIR PMS-Ultras: Keine Tipps, nur Mitleid
       
       Unsere Kolumnistin leidet unter dem prämenstruellen Syndrom. Hier ist ab
       jetzt der Platz, das gemeinsam zu durchleiden und zu verarbeiten.
       
   DIR Menstruationsprodukte mit Mängeln: Blut ist dicker als Kochsalzlösung
       
       Zum ersten Mal wurden Menstruationsprodukte mit Blut getestet und
       verglichen. Viele werden den Versprechen der Hersteller nicht gerecht.
       
   DIR Drugchecking in Berlin: Wissen, was man nimmt
       
       In Berlin kann man jetzt harte Drogen auf ihre Inhaltsstoffe checken lassen
       – und das ist sehr vernünftig.
       
   DIR Unternehmer über Menstruationsauszeit: „Es wird genutzt, nicht ausgenutzt“
       
       Der Zyklus des Mondes ähnelt dem der Periode. In Marius Baumgärtels
       Reinigungsfirma „Queere Haushaltshilfe“ können alle einen „Moon Day“
       nehmen.
       
   DIR Roter Reis zur Menstruation: Ein Schälchen Trost
       
       Der Umgang mit Menstruation ist komplex. In vielen Staaten wird die Regel
       tabuisiert, in anderen zelebriert – und in Japan beides gleichzeitig.
       
   DIR Internationaler Tag der Menstruation: Das Blut der Unterdrückung
       
       Weltweit ist die Monatsblutung ein Tabu. Zum Aktionstag sprechen fünf
       Frauen, die sich wehren.