URI: 
       # taz.de -- Neue Wege beim Waldumbau: Vor dem Feuer
       
       > Was tun, wenn‘s brennt? Die Stiftung Stift Neuzelle will nicht warten,
       > bis das Feuer wütet. Waldbrandschutz und Waldumbau sollen Hand in Hand
       > gehen.
       
   IMG Bild: Wenn das Wild wegbleibt, spielt die Eiche einmal Feuerlöscher
       
       Schernsdorf taz | So viel Symbolik wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen.
       Einige Tage, bevor Boris Schnittker am Mittwoch durch den Neuzeller
       Stiftswald führte, war in Brandenburg wieder Waldbrandalarm. [1][In allen
       Landkreisen gilt seit Pfingsten mindestens Alarmstufe III]. Das bedeutet,
       dass eine erhöhte Waldbrandgefahr vorliegt. Ohnehin ist Brandenburg nach
       Angaben des Landesbetriebs Forst das Bundesland mit der höchsten
       Waldbrandgefährdung in Deutschland.
       
       Auch Boris Schnittker rechnet in diesem Jahr wieder mit größeren
       Waldbränden in Brandenburg. „Die Gefahr ist realistisch, dass auch wir in
       unseren Beständen ein Großschadensereignis haben werden“, sagt der Leiter
       der [2][Forstabteilung der Stiftung Stift Neuzelle], die mit 9.100 Hektar
       Wald einer der größten privaten Waldbesitzer in Brandenburg ist. „Die Frage
       ist nur, wie man mit der zunehmenden Waldbrandgefahr umgeht.“ Seit
       Mittwochabend [3][brennt es erneut auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz
       bei Jüterbog].
       
       Schnittkers Stiftung jedenfalls will es nicht bei der Sanierung von
       Löschwasserbrunnen oder der Instandsetzung der Waldwege belassen. „Manche
       legen die Hände in den Schoß und hoffen, dass nichts passiert“, sagt er.
       „Doch das ist der falsche Weg.“
       
       Schnittkers Weg ist der der Prävention. Nahe Schernsdorf im
       Ostbrandenburger Schlaubetal zeigt er, welche vorbeugenden Maßnahmen gegen
       Großbrände möglich sind. „Wir errichten Brandriegel im Wald“, sagt er. Das
       Neue daran: Die Brandriegel sollen nicht nur die Ausbreitung von Bränden
       verhindern. Sie sind auch ein Teil der Maßnahmen für den Umbau der
       Kiefernbestände in Mischwälder.
       
       Eingeladen zur Exkursion Waldumbau und Waldbrandschutz hatte die [4][grüne
       Landtagsabgeordnete Isabell Hiekel]. „In Brandenburg ist nur ein Drittel
       des Waldes Landeswald“, sagt sie. Die beiden anderen Drittel gehören
       entweder den Kommunen oder sind privat. „Wenn wir das Thema ernst nehmen,
       müssen wir auch mit den Privaten zusammenarbeiten“, sagt Hiekel. Bei Boris
       Schnittker und der Stiftung Stift Neuzelle rennt sie damit offene Türen
       ein.
       
       Nahe Schernsdorf kann Schnittker zeigen, wie die Brandriegel, die im
       vergangenen Winter gezogen wurden, aussehen. Die bestehenden Waldwege
       wurden durch die Entnahme von Kiefern um drei bis fünf Meter verbreitert.
       Außerdem wurde das Kronendach aufgelockert. „Das Feuer kann damit nicht
       mehr so leicht überspringen“, betont Schnittker.
       
       Wo sich zuvor die Kiefern reihten, sind neben den Wegen zusätzlich Furchen
       gezogen worden. „750.000 Eicheln wurden dort im Winter ausgesät“, sagt
       Schnittker. Auf eine natürliche Waldverjüngung hätte man zu lange warten
       müssen. Das Saatgut stammt aus den ausgedehnten Eichenbeständen der
       Stiftung. Waldumbau mit Bordmitteln gewissermaßen.
       
       Rechts und links der Wege entstehen in den kommenden Jahren nun Waldränder
       mit Laubbäumen, die nicht so schnell in Brand geraten wie ein Kiefernacker.
       
       „Alle Kraft in die Wege setzen“, heißt das Motto im Neuzeller Stiftswald.
       „Die Waldwege sind bei uns der Ausgangspunkt für die Waldumwandlung“, sagt
       Boris Schnittker. Gleichzeitig sollen die Wege auch für die Feuerwehr
       ertüchtigt werden. „Die Feuerwehr sagt, wir müssen nicht nur rein in die
       Wälder“, sagt er. „Die müssen bei einem Großschadensereignis auch wieder
       raus, um einer Feuerwalze zu entkommen.“
       
       Mehr als 500 Waldbrände hat es in Brandenburg im vergangenen Jahr gegeben.
       „Enorm gefordert“ habe das die Feuerwehren des Landes, hatte Innenminister
       Michael Stübgen (CDU) bei der Vorstellung des Waldbrandberichts 2022
       gesagt.
       
       Das kann auch Mario Quast bestätigen, obwohl das [5][Amt Schlaubetal],
       dessen Amtsdirektor Quast ist, von Großbränden bislang verschont wurde.
       
       „Aber auch so ist die Feuerwehr im Amt im vergangenen Jahr 150 Mal
       ausgerückt“, sagt Quast, der zugleich auch oberster Feuerwehrmann des Amtes
       mit seinen 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner ist. „Wir haben zwar
       inzwischen überall moderne Technik“, erzählt Quast auf der Exkursion von
       Isabell Hiekel. „Aber es gibt immer weniger Freiwillige bei den
       Feuerwehren.“
       
       Hinzu kommen Rettungseinsätze, die auch mit dem Klimawandel zu tun hätten.
       „Wir müssen immer mehr Menschen aus ihren Wohnungen holen, die unter der
       Hitze leiden.“ Die Waldumbaumaßnahmen und Brandriegel unterstützt Quast
       deshalb.
       
       Dass das Pilotprojekt Brandriegel in diesem Jahr gestartet wurde, hat auch
       mit der Afrikanischen Schweinepest zu tun, die im Landkreis Oder-Spree, zu
       dem das Amt Schlaubetal gehört, besonders arg wütete. „Wir haben aus der
       Not eine Tugend gemacht“, lächelt Schnittker und weist auf den positiven
       Nebeneffekt der Seuche hin. „Die Bestände an Schwarzwild sind derzeit sehr
       reduziert“, sagt er.
       
       Weil in den Kernzonen der Schweinepest Wildschweine massiv gejagt wurden,
       können sie nun die Eichelsaat nicht auffressen. In normalen Jahren, so
       Schnittker, wären von den 750.000 Eicheln vielleicht 50.000 übriggeblieben.
       So aber können die Eichen zu Brandwällen werden und gleichzeitig die
       Kiefern ersetzen.
       
       Drei Jahre soll der Umbau der Wege dauern. Drei Jahre, in denen noch das
       Prinzip Hoffnung gilt. Bleiben die Stiftswälder bis dahin von Waldbränden
       verschont, kann die Stiftung Stift Neuzelle sagen: Alles richtig gemacht.
       
       2 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://mluk.brandenburg.de/mluk/de/landwirtschaft/forst/waldschutz/waldbrandgefahr-in-brandenburg/waldbrandgefahrenstufen/
   DIR [2] https://www.stift-neuzelle.de/forstbetrieb/portrait
   DIR [3] /Waldbrand-in-Brandenburg/!5938199
   DIR [4] https://isabell-hiekel.de/
   DIR [5] https://www.amt-schlaubetal.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
   DIR Mischwald
   DIR Brandenburg
   DIR Hitze
   DIR Nabu
   DIR Thüringer Wald
   DIR Waldbrände
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Waldbrände
   DIR Mischwald
   DIR wochentaz
   DIR Mischwald
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berliner Wald: Dem Wald eine Pause gönnen
       
       Ende März hat die Umweltverwaltung die bisherige Praxis des Waldumbaus
       gestoppt. Naturschutzverbände begrüßen das, die Förster fühlen sich
       übergangen.
       
   DIR Waldumbau in Thüringen: Schlag um Schlag
       
       Eine Bürgermeisterin will Fällarbeiten in einem Vogelschutzgebiet
       verhindern. Das Forstamt sagt, sie behindere damit sinnvollen Naturschutz.
       Aber wer kontrolliert, was das ist?
       
   DIR Waldbrände in Brandenburg: Der Bund ist in der Pflicht
       
       Großbrände entstehen meist dort, wo noch Munition unter der Erde liegt. Im
       stark belasteten Brandenburg ist bislang nur wenig beräumt worden.
       
   DIR Waldbrand in Brandenburg ​: „Aktuell brennen acht Hektar“​
       
       Das Feuer in der Nähe des brandenburgischen Jüterbog lodert weiter. Ein
       Brand im Harz ist mittlerweile unter Kontrolle.
       
   DIR Brennende Wälder auf der Nordhalbkugel: Frühling mit extremen Waldbränden
       
       Besonders früh, besonders heftig: Die Waldbrandsaison sorgt schon jetzt für
       hohe Emissionen. Deutschland geht neue Wege bei der Brandbekämpfung.
       
   DIR Brandenburger Wald im Wandel: Förster als Bestatter
       
       Wenn die Holzernte nicht mehr reicht: Die Stiftung Stift Neuzelle baut in
       Ostbrandenburg ihre Wälder um – und gleichzeitig ihr Geschäftsmodell.
       
   DIR Tatort Wald: In Brandenburg ist Holzauktion
       
       Der Diebstahl in den Wäldern hat zugenommen. Wegen steigender Holzpreise
       ist vor allem Brennholz begehrt. Aber auch der gewerbliche Diebstahl boomt.
       
   DIR Ausgleich für die Tesla-Rodungen: Übers Wald werden
       
       In Brandenburg entsteht auf 520 Hektar ein neuer Mischwald. Doch geht das
       überhaupt: Wald machen? Und welche Bäume sollen es sein?