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       # taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Bremen: Strittig sind nur noch die Posten
       
       > Ab Dienstag verhandeln SPD, Grüne und Linke in Bremen. Dabei steht der
       > Vertrag natürlich längst fest, wie die taz aus unzuverlässigen Quellen
       > weiß.
       
   IMG Bild: Wollen sich weitere vier Jahre in Bremen aneinanderklammern: SPD, Linke und Grüne
       
       Der neue Bremer Koalitionsvertrag steht bereits, obwohl erst heute die
       Verhandlungen von [1][SPD, Grünen und Linkspartei] darüber beginnen: Das
       entsprechende Abschlussdokument wurde der taz aus unzuverlässigen Quellen
       zugespült.
       
       Seine Echtheit steht völlig außer Frage: So fehlt auch dieses Mal nach
       altem Bremer Brauch ein großsprecherischer Titel, der die Koalition
       marketinggerecht mit nichtssagenden Etiketten zur glamourösen
       Weltrettungsgemeinschaft verklärt: „Vereinbarung zur Zusammenarbeit in
       einer Regierungskoalition für die 21. Wahlperiode der Bremischen
       Bürgerschaft“ – die bewährte landesübliche Formel.
       
       Der zwischenzeitlich als Kompromiss kursierende Titel „Besser als der Tod“
       war mit Rücksicht auf mehrere alteingesessene Industrieunternehmen wie
       Atlas, Rheinmetall Defence und Lürssen sowie im Hinblick auf die geplante
       Ansiedlung von Saab als zu abschreckend verworfen worden. Neben der
       rituellen Funktion der bis Mitte Juni stattfindenden Verhandlungen von SPD,
       Grünen und Linkspartei, die für die Stabilisierung und gleichsam
       metaphysischen Legitimierung jeder Regierung sorgt, ist in den Runden vor
       allem der Zuschnitt und die Besetzung der Ressorts zu klären:
       
       Strittig ist, ob Wissenschaft, Häfen und Justiz in dieser Form
       zusammenbleiben sollten, oder aber der Wissenschaftsteilbereich Forschung
       und Häfen mit Wirtschaft und Arbeit zusammengelegt. Dafür wird aber, ganz
       sicher, Bauen, Mobilität und Stadtentwicklung, der Umwelt- und
       Klimasenatorin – voraussichtlich Verena Graichen, parteilos – entzogen und
       dann vielleicht der Verwaltung für Justiz und Lehre zugeschlagen, die dann
       auch statt des Kultursenators die Fachaufsicht übers Referat für
       Blockflötenmusik und Origami erhielte. Es ist also noch viel in Bewegung.
       
       Die brisantesten inhaltlichen Verabredungen der neuen [2][rot-grün-roten
       Koalitionsvereinbarung für Bremen und Bremerhaven] dokumentieren wir im
       Wortlaut:
       
       ## Präambel
       
       […] Aus dem Wahlergebnis entsteht die Verpflichtung, alle Möglichkeiten
       auszuloten, um den Krieg zu beenden, die Klimakatastrophe aufzuhalten, die
       Herausforderungen der Flüchtlingsströme zu bewältigen, die soziale
       Ungleichheit zu besiegen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stützen
       sowie die Brötchentaste wieder einzuführen, um den Rahmen für die gute
       ökonomische Entwicklung sowie einer nachhaltigen Haushaltspolitik zu
       schaffen.
       
       […] Stets auf unserem Radar bleiben wird dabei die Wahrung und der Schutz
       der Menschen- und Bürgerrechte. Dies betonen wir, weil es auch von anderen
       Kräften des bürgerlichen politischen Lagers als der CSU immer mehr in Frage
       gestellt wird. […]
       
       ## Fehlerkultur
       
       An Fehlern der Vergangenheit können wir nur wachsen, wenn wir uns ihnen
       stellen. Auch die Regierungszeit des ersten rot-grün-roten Senats war nicht
       ohne Fehler, daher haben sich die Partnerinnen darauf verständigt, diese
       offen zu benennen und zu bearbeiten. Als erste Maßnahme dieser neuen und in
       der Bundesrepublik Deutschland beispiellosen politischen Fehlerkultur wird
       daher gegen Senatorin a.D. Maike Schaefer ein Betretungsverbot für die
       senatorischen Behörden ausgesprochen. Zugleich wird ihr nahegelegt, den
       Namen zu ändern und ihre Partei sowie das Gebiet der Freien Hansestadt
       Bremen freiwillig zu verlassen. Im Gegenzug wird ihr ein Ehrensold von
       jährlich 200.000 Euro bis an ihr Lebensende bewilligt.
       
       ## Bildung
       
       Wir sagen Ja zur empirischen Evaluierung von Bildungserfolgen. Bremen muss
       hier weg vom letzten Platz. Deshalb werden wir über eine
       Bundesratsinitiative dafür sorgen, dass die Erhebungsmethoden die Variable
       eines sozialen Ausgleichs einführt, durch die sich stigmatisierende Befunde
       vermeiden lassen.
       
       […] Um die notwendige Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung und
       Kindertagesbetreuung gewährleisten zu können, ist die Gewinnung von
       zusätzlichen Menschen, die als Erzieherin oder Erzieher im Land Bremen gute
       Arbeit leisten wollen, dringender denn je. Um das oberste Ziel zu
       erreichen, die Gesamtzahl, der in der Weiterbildung zur Erzieherin oder zum
       Erzieher befindlichen Personen deutlich zu erhöhen und mehr junge Menschen
       für eine Tätigkeit im Bereich der Erziehungsberufe zu interessieren, wird
       Bremen prüfen, ob es möglich ist, eine entsprechende Fort- und Ausbildung
       im Strafvollzug zu implementieren, oder aber sie als Ersatz für eine
       Ersatzfreiheitsstrafe zu etablieren.
       
       ## Gesundheit
       
       Auch mit Blick auf die großen Erfolge der Pandemiebekämpfung in Bremen […]
       wollen wir ein Bremer Modell erarbeiten, das […] sämtliche verfügbaren und
       noch zu entwickelnden Impfungen für Landeskinder, Beamt*innen und
       Bedienstete öffentlicher Einrichtungen, Angestellte von Gastronomie- und
       Hotellerie-Betrieben, Beschäftigte der kritischen Infrastruktur und des
       Dienstleistungsgewerbes verpflichtend macht. [] Wir verfolgen damit das
       große Ziel, das Land mit der höchsten Impfquote überhaupt zu werden.
       
       ## Weservertiefung
       
       Die seewärtige Erreichbarkeit der bremischen Häfen ist uns wichtig. […] Wir
       lieben aber auch unseren Fluss […] Sollte der Bund einer Vertiefung der
       Außenweser planerisch den Weg bereiten, wird Bremen diesen notwendigen
       Arbeiten nicht im Wege stehen, sie jedoch wachsam und kritisch begleiten
       und sich dafür einsetzen, dass eine Klage dagegen nicht von vornherein als
       kriminelle Handlung diskreditiert wird.
       
       ## Platanen
       
       Zuverlässiger Hochwasserschutz ist unsere oberste Priorität. Nachdem die
       bisherigen Bemühungen und Gutachten unter Einbeziehung der Neustädter
       Bevölkerung und Bürger*innen-Initiativen, des Beirates und des
       Deichverbandes, kein Einvernehmen haben herstellen können, werden die
       notwendigen Aspekte der Deichanpassung von neuem erörtert und neue
       Gutachten in Auftrag gegeben, damit sich vielleicht doch noch – entgegen
       bisheriger Erkenntnisse – ergeben kann, dass die Möglichkeit besteht,
       Platanen zu erhalten. Sollte dies der Fall sein, wollen wir sie nutzen.
       Dafür sind ausdrücklich auch alternative Gutachtermethoden – Radiästhesie,
       Geomantie, Coelbren-Analyse, Hieroskopie und Rauchopfer – sowie die
       Einschätzung eines zu bestallenden amtlichen Auguren in die
       Gesamtbetrachtung einzubeziehen.
       
       ## Verkehr
       
       Trotz fehlender Finanzierung birgt eine Straßenbahnführung durch die
       Martinistraße verschiedene Vorzüge, über die Bremen das Recht hat,
       kontrovers zu debattieren. Daher wird sie Gegenstand eines Referendums,
       sobald der Bau der ersten Fahrradbrücke über die Weser begonnen hat.
       
       […] Wir werden mit den anderen demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft
       in Verhandlungen treten, um mit der nötigen Mehrheit die Unantastbarkeit
       des Gratis-Kurzzeittickets (Brötchentaste) an Parkautomaten in der
       Landesverfassung abzusichern.
       
       ## Demokratieentwicklung: Mehr Bovi wagen
       
       Das herausragende Personenstimmenergebnis ermutigt uns, dem Präsidenten des
       Senats zusätzliche Befugnisse einzuräumen: Bremen wird an der guten
       Tradition des Kollegialorgans ohne Richtlinienkompetenz festhalten, um dem
       allgemeinen Trend zur Personalisierung von Politik entgegenzuwirken.
       Gleichwohl ist dieses Modell aber dahingehend zu reformieren, dass [3][dem
       Bürgermeister als primo inter pares] ein bevorzugtes Recht eingeräumt ist,
       aus dem Bauch heraus unabgestimmte Vorschläge als konsensuale Projekte
       einzubringen, um lästige oder mögliche Debatten zu beenden.
       
       ## Finanzen
       
       Der Finanzsenator erhält einen weiteren Staatsrat mit der alleinigen
       Funktion, investitionsbedürftige Felder gerichtsfest als außergewöhnliche
       Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die
       staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, [4][im Sinne des GG Art.
       109 zu definieren], um durch Kreditaufnahme Mittel für die notwendigen
       Maßnahmen zu beschaffen. Als zu priorisierende Handlungsfelder werden ihm
       das Bildungswesen, die Schulbauten und der Lehrermangel, die
       Kindertagesplätze, der Straßenbau, die Stadtentwicklung sowie der Ausbau
       einer soziokulturellen Grundversorgung anempfohlen. Auch die Universität
       könnte sich in einer finanziellen Notlage befinden.
       
       29 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kai-Wargalla-holt-Sitz-ueber-Personenstimmen/!5933396
   DIR [2] /Bremer-Gruene/!5932027
   DIR [3] /Landtagswahl-in-Bremen/!5935400
   DIR [4] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_109.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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