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       # taz.de -- Extreme Trockenheit in Deutschland: Der nächste Dürresommer kommt
       
       > Obwohl es im Frühjahr ordentlich geregnet hat, sind viele Regionen in
       > Deutschland zu trocken. Expert*innen mahnen zur Tat – mit
       > Lösungsvorschlägen.
       
   IMG Bild: Staubtrockener Acker: Mancherorts ist die obere Bodenschicht aktuell trocken wie sonst im August
       
       Berlin taz | Dürre wird immer präsenter in Europa und auch in Deutschland.
       Die langanhaltende Trockenheit ist oft eine Folge des menschengemachten
       Klimawandels. Mit vielen Folgen: Vielerorts brennen in Deutschland die
       Wälder, jüngst in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.
       
       Einige landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland warnten vor
       Ernteausfällen durch Notreife. Hier muss Gemüse oder Getreide früher
       geerntet werden, bevor es vertrocknet. [1][Global gesehen verbraucht die
       Landwirtschaft] am meisten Trinkwasser. Die Berliner Umweltsenatorin Manja
       Schreiner (CDU) erwägt eine [2][Rationierung des Trinkwassers]. Der
       Weltklimarat warnt vor mehr Hitzetoten.
       
       Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet für den gesamten Sommer 2023 mit
       hohen Temperaturen und extremer Trockenheit. Dabei war das Frühjahr 2023 in
       Deutschland vergleichsweise feucht. Der März 2023 sei zwar bundesweit der
       nasseste seit 2001, meldete der DWD. Seit Wochen regnet es aber in vielen
       Gebieten nicht mehr und die Temperaturen steigen bis zu 30 Grad an.
       
       In weiten Teilen Ostdeutschlands und in Regionen Süd- und Westdeutschlands
       ist der viele Regen im Frühjahr längst wieder aufgebraucht. Er
       durchwässerte nur die erste Bodenschicht. Die Trockenheit in den tieferen
       Bodenschichten, die durch die letzten Dürrejahre 2018 bis 2020 und 2022
       entstanden ist, behindert die Grundwasserneubildung. Trockene Böden können
       Wasser zusätzlich schlechter speichern.
       
       ## Boden bräuchte ein Jahr Dauerregen
       
       Um das Wasserdefizit im Boden wieder aufzubessern, müsse es ein gesamtes
       Jahr durchregnen, erklärte Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für
       Klimafolgenforschung (PIK) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Niederschlag
       allein hilft also nicht gegen die anhaltende Dürre in Deutschland.
       
       „Es müssen andere – ganz individuelle – Maßnahmen geschaffen werden, die
       Dürre und ihre Folgen wie Wasserknappheit, Versalzung und Hitze zu
       bekämpfen“, meinte Stefan Schwarzer, physischer Geograf. Er sprach in
       dieser Woche auf einer Tagung mit der Autorin Ute Scheub und
       Naturwissenschaftler*innen über Maßnahmen zur Anpassung an die
       Dürre.
       
       Ein Ansatz: [3][mehr Bäume pflanzen], denn die helfen nicht nur beim
       Regenmachen, sondern auch bei der Kühlung. Ein großer Baum kann etwa 400
       Liter Wasser am Tag verdunsten. Das ist ein Kühlungseffekt der fünf
       Klimaanlagen entspricht, die 24 Stunden durchlaufen“, machte Schwarzer
       deutlich. Das funktioniert auf dem Land und in der Stadt. Frankfurt hat
       bereits im Mai einen Anfang gemacht: Gebäudebegrünung bei Neu- und Umbauten
       wird zukünftig Pflicht.
       
       Weiterhin müssen Städte entsiegelt werden, sodass Regenwasser ungehindert
       in den Boden sickern kann. Dadurch werden die Hauptprobleme der Trockenheit
       in Städten verbessert. Diese Maßnahmen werden in dem städtebaulichen
       „[4][Schwammstadtprinzip]“ zusammengefasst. Kopenhagen macht es seit 2012
       vor: Bis 2033 werden überall in der Stadt Flächen geschaffen, die in der
       Lage sind, eine Menge Wasser aufzunehmen und langsam wieder abzugeben.
       
       ## Landwirtschaft braucht auch Strategien gegen Trockenheit
       
       „Das Prinzip ‚Verlangsamen, Verteilen, Versickern‘ brauchen wir in der
       Landwirtschaft auch“, erklärte Sassa Franke vom Verein Klimapraxis. Sie
       zeigte bei der Tagung auf, welche Strategien der Anpassung an die
       zunehmende Trockenheit es in der Landwirtschaft gibt.
       
       Zum Beispiel wird das „Mob Grazing“ untersucht. Das Prinzip diene dem
       Bodenaufbau in trockenen Gebieten mithilfe von Tieren. Kühe sollen dabei
       gezielt Weidereste wie trockene Gräser niedertrampeln. Gemischt mit dem
       Dung soll dann eine Mulchschicht entstehen, die den Boden vor Austrocknung
       schützt.
       
       Ein weiteres Prinzip, um Wasser auf Flächen zu halten, ist das „Key
       Design“. Das ist eine höhenlinienparallele Bearbeitung, die das Wasser auf
       Feldern zurückhalten sollen. Das gesammelte Regenwasser soll dann auf dem
       gesamten Feld langsam verteilt werden. Auf einem Hof in Luzern in der
       Schweiz wird dieses Projekt aktuell in die Tat umgesetzt.
       
       „Insgesamt werden vor allem soziale Folgen der Dürre zu wenig betrachtet“,
       sagte Sassa Franke. Sie kritisierte, dass es noch keine nationale
       Wasserstrategie in Deutschland gibt. Diese [5][wurde erst im März dieses
       Jahres vom Kabinett beschlossen]. Franke schlug vor, der Bund müsse eine
       Person einsetzen, die sich um Wasser kümmert. In Italien gibt es so
       jemanden bereits.
       
       Zumindest eine Folge der Dürre will Bundesgesundheitsminister Karl
       Lauterbach jetzt angehen. Am Dienstag schlug er einen Hitzeaktionsplan nach
       dem Vorbild Frankreichs vor. Hier werden je nach Schwere der Hitzewellen
       verschiedene Maßnahmen angesetzt, zum Beispiel Anrufe bei alten Menschen
       oder die Einrichtung von Kälteräumen.
       
       Hinweis: Aus der ursprünglichen Fassung des Artikels ging hervor, bei der
       Landwirtschaft in Deutschland handle es sich um die größte
       Wasserverbraucherin. [6][Das wäre nicht korrekt]. Wir haben die unpräzise
       Stelle angepasst.
       
       15 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/wasser.html
   DIR [2] /Wasserpolitik-in-Berlin/!5940472
   DIR [3] /Palmoel-in-Honduras/!5879475
   DIR [4] /Wassermanagement-in-der-Stadt/!5905389
   DIR [5] /Landwirtschaft-versus-Wasserwerke/!5918984
   DIR [6] https://www.umweltbundesamt.de/daten/wasser/wasserressourcen-ihre-nutzung#die-wassernutzer
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
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