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       # taz.de -- 4.100 Euro für Flughafenbesetzung: Letzte Generation soll blechen
       
       > Die Polizei rückte an, als die Gruppe den Flughafen BER besetzte – dafür
       > sollen Aktivist:innen zahlen. Sind sie aber eine kriminelle Vereinigung?
       
   IMG Bild: Am 18.05.2023 blockiert die Letzte Generation in Berlin wieder die Stadtautobahn
       
       Berlin taz | Die Aktion sorgte für Furore. Im November 2022 hatten
       Aktivist:innen der Letzten Generation den Drahtzaun des Berliner
       Flughafens durchtrennt und [1][sich auf dem Rollfeld festgeklebt]. Der
       Flugverkehr musste zeitweilig eingestellt, 19 Flüge umgeleitet werden.
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „[2][absolut
       inakzeptablen Eskalation]“. Nun steht der Verdacht der Bildung einer
       kriminellen Vereinigung im Raum. Zudem sollen die Aktivist:innen für
       den damaligen Polizeieinsatz blechen.
       
       Eine Sprecherin der Bundespolizei bestätigte der taz, wegen des Einsatzes
       neun Gebührenbescheide mit einer Forderungssumme von insgesamt rund 4.100
       Euro erlassen zu haben. Die strafrechtlichen Ermittlungen liefen weiter.
       Die Vorwürfe: gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr, Sachbeschädigung
       und Hausfriedensbruch. Dafür drohen bis zu zehn Jahre Haft.
       
       Zu der Flughafenbesetzung ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin,
       ebenso wie zu anderen Aktionen der Letzten Generation in Brandenburg – dem
       Abdrehen von Ventilen in der Raffinerie in Schwedt und einer
       Kartoffelbrei-Attacke im Barberini-Museum in Potsdam. Die
       Staatsanwaltschaft bündelte die Verfahren und ermittelt – bundesweit
       erstmalig – wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung. Im Dezember
       2022 wurden deshalb die Wohnungen von 11 Beschuldigten [3][in mehreren
       Städten durchsucht].
       
       ## Justizminister Buschmann wehrt Kritik an Gerichten ab
       
       Am 19. April wies das Landgericht Potsdam eine Beschwerde eines
       Beschuldigten dazu zurück und erklärte den Anfangsverdacht einer
       kriminellen Vereinigung für rechtmäßig – auch das ist eine Premiere. Der
       Beschluss wurde erst jetzt bekannt, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft
       Neuruppin bestätigte ihn der taz.
       
       Kritik an der Entscheidung wehrte Bundesjustizminister Marco Buschmann
       (FDP) ab: Die Gerichte seien unabhängig, [4][twitterte er]. Wenn die Letzte
       Generation als kriminell gilt, eröffnet das den Ermittler:innen
       zahlreiche Befugnisse, die von Telekommunikationsüberwachung bis hin zur
       Ausforschung auch von Kontaktpersonen reichen.
       
       In Berlin dagegen wird dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen
       Vereinigung deutlich widersprochen. Der taz liegt ein fünfseitiges
       Schreiben des zuständigen Oberstaatsanwalts Holger Brocke vor, das dieser
       im Januar als Antwort auf eine Anzeige gegen die Gruppe verfasste.
       
       Demnach lägen „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ für die
       Bildung einer kriminellen Vereinigung vor, da die Gruppierung „nicht auf
       die Begehung hinreichend gewichtiger Straftaten gerichtet ist“.
       
       ## Aktionen „symbolischen Charakters“
       
       Brocke geht dabei auch auf jene in Brandenburg begangenen Straftaten ein:
       So sei es bei den Flughafenblockaden nicht „zu konkreten Gefährdungen des
       Luftverkehrs“ gekommen. Die vorherige Ankündigung der Aktion spreche „gegen
       einen entsprechenden Vorsatz“.
       
       Auch gebe es „keinerlei Erkenntnisse“, dass die Raffinerie-Aktionen zu
       „nennenswerten Störungen von Anlagen oder Betrieben“ geführt hätten;
       letztlich seien diese „symbolischen Charakters“. Ebenso die Aktionen in den
       Museen, bei denen „die Bilder – ggf. mit Ausnahme des Rahmens – selbst
       nicht beschädigt wurden“.
       
       Ein Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft sagte, man gehe „nach
       wie vor nicht vom Vorliegen einer kriminellen Vereinigung aus“. Der
       Beschluss des Landgerichts Potsdam werde aber „in die fortlaufende
       Bewertung einfließen“.
       
       In Bayern wird seit Monaten geprüft, ob die Letzte Generation eine
       kriminelle Vereinigung ist, wie die Münchner Generalstaatsanwaltschaft der
       taz bestätigte. In München hatte die Gruppe Ende 2022 ebenfalls kurzzeitig
       den Flughafen betreten und [5][sich nahe einer Rollbahn festgeklebt]. Auch
       dazu laufen noch Ermittlungen.
       
       In Sachsen erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, dass der
       Tatvorwurf der kriminellen Gruppierung in den dortigen Verfahren bisher
       keine Grundlage habe.
       
       ## Berlin will Präventivgewahrsam verlängern
       
       Unterdessen ist Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) gewillt, den
       Präventivgewahrsam [6][von zwei auf fünf Tage zu verlängern] – insbesondere
       wegen Aktionen der Letzten Generation, zu denen es in Berlin bislang 1.786
       Verfahren gab. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde „zeitnah“ in das
       Parlament eingebracht, wie eine Sprecherin sagte.
       
       Ein Sprecher von Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) erklärte, man
       werde dafür „Hand in Hand“ mit Spranger zusammenarbeiten. Gleichzeitig
       brauche es eine „grundsätzliche und sachliche Befassung mit dem Thema“ des
       verlängerten Präventivgewahrsams, „nicht die Fokussierung auf nur einen
       Sachverhalt“.
       
       Die Letzte Generation gibt sich von all dem bisher ohnehin nicht
       beeindruckt und kündigte an, ihre Blockaden fortzusetzen – bis die
       Regierung ihr „fossiles Weiter-so endlich beendet“.
       
       18 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Letzte-Generation-in-Muenchen-und-Berlin/!5902038
   DIR [2] /Aktion-der-Letzten-Generation/!5898209
   DIR [3] /Ermittlungen-gegen-die-Letzte-Generation/!5902589
   DIR [4] https://twitter.com/MarcoBuschmann/status/1658391221188931584
   DIR [5] /Letzte-Generation-in-Muenchen-und-Berlin/!5902038
   DIR [6] /Klimaproteste-in-Berlin/!5935121
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
   DIR Erik Peter
       
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