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       # taz.de -- Landratswahl in Oder-Spree: Der Vorwahlkampf hat begonnen
       
       > Nur knapp gewann SPD-Kandidat Frank Steffen bei der Wahl gegen den
       > AfD-Kandidaten. Dass die Kreis-CDU keine Empfehlung aussprach, stieß auf
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Den Ball flach halten. Jan Redmann nach seiner Wahl zum CDU-Landeschef in Brandenburg
       
       Immerhin räumte Jan Redmann einen Fehler ein. „Wir alle haben die Stichwahl
       unterschätzt“, sagte der CDU-Landeschef am Montag nach der Stichwahl. Zuvor
       war der [1][SPD-Kandidat Frank Steffen mit nur 52,4 Prozent zum Landrat im
       Kreis Oder-Spree in Brandenburg gewählt worden]. Der AfD-Kandidat Rainer
       Galla war auf 47,6 Prozent gekommen.
       
       Redmanns Eingeständnis betraf die CDU des Landkreises. Ihr Kandidat
       [2][Sascha Gehm] hatte es nach dem ersten Wahlgang am 23. April nicht in
       die Stichwahl am 14. Mai geschafft. Nach der ersten Wahl lag Galla mit 24,8
       Prozent vor Steffen mit 22,5 Prozent und Gehm mit 20,7 Prozent. Während
       Gehm persönlich daraufhin zur Wahl Steffens aufrief, gab die Kreis-CDU
       keine Wahlempfehlung ab. Sie forderte lediglich dazu auf, an der Stichwahl
       teilzunehmen.
       
       Ist die Sache nach dem Eingeständnis des CDU-Landeschefs ausgeräumt? Nicht
       ganz. Denn längst hat in Brandenburg, wo am 22. September im kommenden Jahr
       ein neuer Landtag gewählt wird, eine Art Vorwahlkampf begonnen. [3][Die
       jüngste Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des RBB] sieht CDU und AfD
       mit 23 Prozent gleichauf, dicht gefolgt von der SPD mit 22 Prozent. Es kann
       also eng werden für die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Dietmar
       Woidke, die Brandenburg seit der Wende ununterbrochen regieren.
       
       So gesehen, war die Landratswahl in Oder-Spree auch ein Stimmungstest.
       Zumal in einem Landkreis, der bislang als SPD-Hochburg gilt. Gut möglich,
       dass die CDU sich ein knappes Ergebnis bei der Stichwahl gewünscht hat.
       Erst als klar war, wie knapp es am Ende war, ist wohl auch die CDU
       erschrocken. Denn noch schlimmer als ein deutlicher Wahlsieg für den
       SPD-Kandidaten wäre auch für die Christdemokraten der erste AfD-Landrat in
       Deutschland geworden.
       
       Als einen „Weckruf“ hat Landeschef Jan Redmann das knappe Ergebnis in
       Oder-Spree bezeichnet. Allerdings sagte er auch: „Einfach nur Unterhaken
       gegen die AfD ist zu wenig, um sie klein zu kriegen.“ Es gebe eine
       Entfremdung zwischen der Politik und den Menschen vor Ort. „Wir müssen dem
       Frustrationsverstärker AfD ein pragmatisches, positives Angebot
       entgegenstellen“, forderte er.
       
       ## Im Modus des Vorwahlkampfs
       
       Ganz im Modus des Vorwahlkampfs angekommen, warf daraufhin der
       SPD-Abgeordnete Ludwig Scheetz am Dienstag der CDU eine
       Verschleierungstaktik vor. „Die CDU versucht offensichtlich, ihre
       unrühmliche Rolle in Oder-Spree zu verschleiern“, sagte Scheetz nach der
       Sitzung der SPD-Fraktion. Zu Wahlen müssten sich die Vorstände der Parteien
       positionieren, meinte er. „Es geht nicht um den Vorwurf der Einheitsfront,
       der dann von der AfD oft erhoben wird, sondern um die Verteidigung der
       Demokratie“, betonte Scheetz.
       
       Ebenfalls im Vorwahlkampfmodus konterte Redmann, die SPD versuche auf
       verschiedenen Ebenen, die CDU hinter die Brandmauer gegen die AfD zu
       schieben. „Das sind parteitaktische Gründe, die eine Rolle spielen“, meinte
       er. Dabei werde von der SPD in Kauf genommen, letztlich die AfD zu stärken.
       Denn diese werde dadurch wieder in ihrer Erzählung bestärkt, es gebe nur
       die AfD und die Altparteien, meinte Redmann. Diesen Opfermythos der AfD
       habe man nicht noch unterstützen wollen und deshalb auf andere Formen des
       Aufrufs für Steffen gesetzt.
       
       Diese Debatte ist freilich eine Scheindebatte. Bei der Wahl im kommenden
       Herbst wird es, anders als am vergangenen Sonntag in Oder-Spree, keine
       Stichwahl geben. Und damit auch keine Debatte darüber, wer zur Wahl für wen
       aufruft. Vielmehr geht es darum, wer das meiste Vertrauen der Wählerinnen
       und Wähler bekommt und stärkste Partei wird.
       
       SPD und CDU täten deshalb gut daran, den Vorwahlkampf schnellstmöglich zu
       beenden und sich auf die Arbeit in der Kenia-Koalition zu konzentrieren.
       Denn die ist erfolgreicher als ihr Ruf. Brandenburg ist kein Verliererland
       mehr, sondern ein Gewinnerland.
       
       ## Realer Aufschwung, gefühlte Abgehängtheit
       
       Das gilt auch für den Landkreis Oder-Spree mit [4][Tesla] als
       wirtschaftlichem Zugpferd. Nicht nur dem Speckgürtel, der mehrheitlich für
       die SPD gestimmt hat, geht es besser denn je, sondern auch vielen Städten
       und Dörfern, in denen die AfD vorne lag. Es ist fast schon paradox: Dem
       realen Aufschwung steht in vielen Regionen mehr denn je eine gefühlte
       Abgehängtheit gegenüber.
       
       Es sind diese Erfolge, auf die SPD, CDU und Grüne setzen können. Warum
       nicht davon erzählen? Nicht im Sinne von Schönrederei, sondern als Angebot
       an die Wählerinnen und Wähler, darüber nachzudenken, den Aufschwung
       mitzugestalten – oder nur Frust abzulassen und sich anschließend in die
       Schmollecke zurückzuziehen.
       
       21 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://web.landkreis-oder-spree.de/wahlen/lrw2023stichwahl/
   DIR [2] https://www.saschagehm.de/
   DIR [3] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm
   DIR [4] https://www.tesla.com/de_de/giga-berlin
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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