URI: 
       # taz.de -- TIkTok-Verbot in den USA: Influencer gegen Montana
       
       > Montana verbietet TikTok. Influencer*innen haben jetzt dagegen geklagt.
       > Sie sehen sich in ihrem Lebensunterhalt bedroht – und in der
       > Redefreiheit.
       
   IMG Bild: US-Redefreiheit: bitte nicht bei Medien mit Verbindungen nach China
       
       Helena/Washington/Missoula/Berlin taz/ap/dpa | Am Mittwoch hat der
       republikanische Gouverneur Greg Gianforte ein Gesetz unterschrieben, das im
       US-Bundesstaat Montana [1][die Nutzung der Social-Media-Plattform TikTok
       verbietet] – wenige Stunden später haben fünf TikTok-Influencer*innen schon
       dagegen geklagt.
       
       In der Klage, die ohne öffentliche Bekanntmachung bei einem Bundesgericht
       eingereicht wurde, argumentieren sie, dass das Gesetz gegen die
       verfassungsmäßigen Rechte der Redefreiheit verstoße. Montana habe keine
       Befugnis, über Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zu entscheiden.
       
       Eine Sprecherin des Justizministeriums von Montana sagte, man habe mit
       einer rechtlichen Anfechtung gerechnet und sei umfassend darauf
       vorbereitet, das Gesetz vor Gericht zu verteidigen.
       
       Das Verbot soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Begründet wurde es unter
       anderem mit der Sorge, dass die Videoplattform im Besitz der chinesischen
       Firma ByteDance dafür missbraucht werden könnte, der chinesischen Regierung
       Zugriff auf Daten amerikanischer Bürger zu geben. Außerdem könne
       Desinformation im Interesse Pekings verbreitet und damit die öffentliche
       Meinung beeinflusst werden. Aus diesen Gründen ist es Mitarbeitenden der
       US-Regierung auch untersagt, die App auf Diensthandys zu nutzen. Ähnliche
       Regelungen werden auch für die EU diskutiert.
       
       ## Sorge um Bürger*innenrechte
       
       In den USA laufen schon seit Monaten Untersuchungen, die zu einem
       landesweiten Verbot von [2][Tiktok] führen könnten, falls es keinen
       Eigentümerwechsel geben sollte. Montana ging nun US-weit als erster Staat
       den Verbotsweg. Das Vorgehen der Behörden dort gilt deshalb auch als Test
       für ein mögliches Verbot in den gesamten USA. Technisch dürfte sich solch
       eine Blockade jedoch leicht umgehen lassen.
       
       „Um die persönlichen und privaten Daten der Menschen in Montana vor der
       Kommunistischen Partei Chinas zu schützen, habe ich Tiktok in Montana
       verboten“, twitterte der Republikaner Gianforte nach der Unterzeichnung des
       Gesetzes. Das Abgeordnetenhaus des Bundesstaates hatte es im April
       verabschiedet.
       
       In der Klageschrift gegen das Gesetz werden andere Schwerpunkte als die
       Kommunistische Partei Chinas gesetzt. Dort heißt es: „Montana kann seinen
       Einwohner*innen genauso wenig verbieten, Tiktok zu nutzen und dort
       Beiträge zu veröffentlichen, wie es das Wall Street Journal verbieten kann
       wegen seines Eigentümers oder des Gedankenguts, das es veröffentlicht.“
       
       Der Bundesstaat überschreite seine Befugnis, wenn er unter Verweis auf die
       nationale Sicherheit oder aus außenpolitischen Gründen ein solches Verbot
       erlasse. Montana dürfe auch nicht eine ganze Plattform verbieten, nur weil
       der Bundesstaat einige der dort getätigten Äußerungen, die von der
       Meinungsfreiheit geschützt seien, als gefährlich wahrnehme.
       
       Die Kläger*innen sind allesamt Einwohner*innen Montanas und nutzen
       die App für unterschiedliche Zwecke. Unter anderem machen sie auf ihre
       eigenen unternehmerischen Tätigkeiten aufmerksam, halten Kontakt zu
       Militärveteran*innen, zeigen das Farm-Leben oder berichten von
       Outdoor-Abenteuern. Einige von ihnen erwirtschaften so ein nennenswertes
       Einkommen, wie es in der Klage heißt.
       
       Auch TiktTok selbst kritisierte das Verbot in einer ersten Reaktion als
       Verstoß gegen das Recht auf Redefreiheit. Man werde daran arbeiten, die
       Rechte der Nutzer zu schützen. Zur Klage selbst äußerte sich TikTok bisher
       nicht.
       
       Schwerwiegender als die Reaktion des Unternehmens: Die
       Menschenrechtsorganisation ACLU, die den Fokus ihrer Arbeit auf
       Bürger*innenrechte legt, warnte, das Gesetz lege die Grundlage für
       eine übermäßige staatliche Kontrolle über das Internet.
       
       ## Was das Gesetz verbietet
       
       Das neue Gesetz verbietet es in Montana, die App herunterzuladen. Jede
       Einrichtung – etwa ein App-Store oder TikTok selbst – die in dem US-Staat
       Menschen die Möglichkeit bietet, dagegen zu verstoßen oder anderweitig
       Zugang zu der Plattform zu bekommen, kann mit einer Strafe von täglich
       10.000 Dollar belegt werden. Die Strafen sollen allerdings nicht
       Nutzer*innen angelastet werden.
       
       Weltweit hat Tiktok mehr als eine Milliarde Nutzer*innen und ist die
       erfolgreichste Online-Plattform in westlichen Ländern, die nicht aus den
       USA stammt. Die Firma betont, man sehe sich nicht als Tochter eines
       chinesischen Konzerns. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher
       Investoren, der Firmensitz liege auf den Caymaninseln in der Karibik.
       
       Kritiker*innen kontern, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil
       von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und Bytedance
       eine große Zentrale in Peking habe.
       
       Wegen der großen Sicherheitsbedenken musste Tiktok-Chef Shou Zi Chew Ende
       März im US-Kongress Rede und Antwort stehen. Dabei stieß er bei
       republikanischen wie auch demokratischen Abgeordneten auf Misstrauen und
       Ablehnung.
       
       Tiktok betont, man habe nie Daten-Anfragen von chinesischen Behörden
       bekommen und würde solchen Aufforderungen auch nicht nachkommen. Das
       Unternehmen versucht, Washington mit dem Argument einer abgesicherten
       Datenspeicherung in den USA zu überzeugen.
       
       19 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Bundesstaat-Montana-gegen-TikTok/!5928181
   DIR [2] /Angst-vor-TikTok/!5921307
       
       ## TAGS
       
   DIR TikTok
   DIR USA
   DIR Montana
   DIR Daten
   DIR Social Media
   DIR Soziale Medien
   DIR TikTok
   DIR TikTok
   DIR Doxing
   DIR Holocaustüberlebende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Debatte über TikTok-Verbot in den USA: Das Wichtige bleibt im Dunkeln
       
       In den USA grassiert die Angst vor der Videoplattform TikTok. Bei allem,
       was man weiß, gibt es tatsächlich eine Gefahr chinesischer Desinformation.
       
   DIR US-Bundesstaat Montana gegen TikTok: Totalverbot auf den Weg gebracht
       
       In Montana soll die App komplett untersagt werden, so sieht es ein vom
       dortigen Repräsentantenhaus gebilligtes Gesetz vor. Es fehlt noch die
       Unterschrift des Gouverneurs.
       
   DIR Angst vor TikTok: Wichtige Fragen, komische Ansätze
       
       TikTok zieht Lebenszeit und birgt Gefahren. Wollen Staaten dagegen
       vorgehen, müssen sie Gesetze verabschieden.
       
   DIR Holocaust-Überlebende Tova Friedmann: „Ich muss über die Toten sprechen“
       
       Tova Friedman klärt mit ihrem Enkel bei Tiktok über die Verbrechen der
       Nazis und ihre Geschichte auf. Ein Gespräch über Erinnern als
       Lebensaufgabe.