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       # taz.de -- Gesetzentwurf zur Staatsbürgerschaft: Schneller zum deutschen Pass
       
       > Das Innenministerium geht einen Trippelschritt bei der Reform. Aber vor
       > jeder Einbürgerung soll genau geprüft werden.
       
   IMG Bild: Entwurf vorgelegt: Innenministerin Nancy Faeser treibt die Reform des Staatsbürgerrechts voran
       
       Berlin taz | SPD und Grüne im Bundestag haben verhalten positiv auf den
       neuen Entwurf zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechts reagiert, auf den
       sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Buschmann (FDP)
       geeinigt haben. Die vorgesehenen schnelleren Einbürgerungen befürworten
       alle Regierungsfraktionen, doch bei Detailfragen sind sich die Koalitionäre
       offenbar noch uneinig. Der SPD-Abgeordnete Hakan Demir sagte, man wolle
       „nun im parlamentarischen Prozess weiter verhandeln“.
       
       Das Papier vom Freitag sieht vor, dass Ausländer*innen schon nach fünf
       Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden können – statt wie
       bisher nach acht. Wer bestimmte Kriterien erfüllt, soll sogar schon nach
       drei Jahren die Staatsbürgerschaft erhalten. Zu diesen sogenannten
       „besonderen Integrationsleistungen“ gehören etwa gute Sprachkenntnisse,
       ehrenamtliches Engagement oder besondere Arbeitsleistungen. In Deutschland
       geborene Kinder sollen automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit
       erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit fünf Jahren eine
       Aufenthaltsgenehmigung hat.
       
       Senior:innen über 67 Jahren sollen nicht mehr den bisher verlangten
       Sprachnachweis erbringen müssen, sondern nur noch die „Fähigkeit zur
       mündlichen Verständigung“ nachweisen. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft
       annimmt, soll zudem seine vorige Staatsangehörigkeit weiter behalten
       können. Damit wäre der Weg frei zur doppelten Staatsbürgerschaft – ein
       Thema, über das in Deutschland jahrzehntelang heftig gestritten wurde. Mit
       der Reform soll die bisher geltende „Optionspflicht“ für in Deutschland
       geborene Kinder von Ausländern ganz abgeschafft werden.
       
       Mit besseren Abfragen bei den Behörden sollen Menschen von der Einbürgerung
       ausgeschlossen werden, die wegen Taten verurteilt wurden, bei denen
       „antisemitische, rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige
       menschenverachtende Beweggründe“ festgestellt wurden. Hiermit werden
       bestehende Regelungen allerdings nur etwas konkreter ausformuliert.
       Innenministerin Faeser erklärte dazu: „Wer unsere Werte nicht teilt, kann
       nicht Deutscher werden.“
       
       Dieser Punkt war der FDP besonders wichtig. Sie hatte sich Ende letzten
       Jahres noch gegen die damaligen Pläne zur Staatsbürgerschaftsreform
       gewandt. Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der
       FDP-Fraktion, begrüßte am Freitag nun die verschärften Prüfungen und
       Sicherheitsabfragen. Aus den anderen Ampelfraktionen kam kein Widerspruch.
       
       Bei einem anderen Thema scheint es aber noch Uneinigkeit zu geben. Nach
       derzeitigem Recht ist eine Einbürgerung in der Regel nur für Menschen
       möglich, die keine Sozialleistungen empfangen. Der neue Entwurf sieht das
       ebenfalls vor. Allerdings sind neue Ausnahmen geplant, etwa für Menschen
       aus der sogenannten „Gastarbeitergeneration“, die bis 1974 in die
       Bundesrepublik, sowie ehemalige Vertragsarbeiter*innen, die bis 1990 in die
       DDR eingewandert sind.
       
       Auch Menschen, die so schlecht bezahlt sind, dass sie trotz Vollzeitstelle
       auf das Existenzminimum aufstocken müssen, können sich einbürgern lassen.
       Voraussetzung ist, dass sie in den letzten zwei Jahren mindestens 20 Monate
       gearbeitet haben. Eine weitere Ausnahme gibt es für Familien mit
       minderjährigen Kindern: In einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft
       reicht es, wenn eine Person Vollzeit arbeitet. Bis hierhin scheinen sich
       alle Ampelfraktionen auch einig.
       
       Mit dem neuen Entwurf fallen aber andere bisher geltende Ausnahmen weg. So
       etwa für Sozialleistungs-Beziehende, die Angehörige pflegen oder
       erwerbsunfähig sind. Außerdem fällt eine geltende Ausnahme weg, die Kinder
       die Einbürgerung ermöglicht, auch wenn deren Eltern Sozialleistungen
       empfangen.
       
       Die SPD-Fraktion sieht hier noch Änderungsbedarf. Hakan Demir, zuständiger
       Berichterstatter der SPD, sagte, es brauche weiterhin Sonderregelungen für
       Menschen, die Angehörige pflegen und deshalb Sozialleistungen beziehen oder
       Personen, die ihre Rente im Alter aufstocken. „Wir dürfen Menschen nicht
       von der Staatsbürgerschaft und demokratischen Teilhabe ausschließen, weil
       sie sich um andere kümmern oder in schlecht bezahlten Jobs arbeiten.“
       
       Die Haltung der Grünen dazu ist weniger deutlich. Die Abgeordneten Lamya
       Kaddor und Filiz Polat begrüßten die Reformpläne zwar grundsätzlich, sagten
       aber auch, es sei gut, „dass noch vor der ersten Ressortbeteiligung die
       Bundesländer und die Zivilgesellschaft beteiligt werden.“
       
       Der neue Entwurf geht nun in die Abstimmung mit den anderen
       Bundesministerien und Verbänden. Im Sommer soll das Kabinett einen
       Gesetzentwurf beschließen.
       
       Aktualisiert und korrigiert am 23.05.2023 um 11:45 Uhr. Ergänzt wurde der
       Hinweis auf bisher geltende Ausnahmen für Sozialleistungs-Beziehende, die
       im neuen Gesetzentwurf fehlen. d. R.
       
       19 May 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
   DIR Jasmin Kalarickal
       
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