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       # taz.de -- Ehemaliger Flughafen Tempelhof: Stillstand im Flughafen Tempelhof
       
       > Für die neue Landesregierung ist das größte Gebäude der Stadt kein Thema.
       > Dagegen startet Schwarz-Rot wieder eine Debatte über die Bebauung des
       > Felds.
       
   IMG Bild: Wie man sieht, wenig los im ehemaligen Flughafen Tempelhof
       
       Berlin taz | Das Tempelhofer Flughafengebäude ist Europas größtes
       Baudenkmal. Der neuen schwarz-roten Landesregierung aber ist es in ihrem
       Koalitionsvertrag keinen einzigen Satz wert. Die beiden rot-grün-roten
       Vorgängerregierungen hatten immerhin noch Partizipation und
       Zwischennutzungen angekündigt, wenn es darum ging, was aus dem 1,2
       Kilometer langen Ensemble mit seinen über 7.000 Räumen werden soll.
       
       Für die Zivilgesellschaft gibt es bisher so gut wie keinen Zugang. Einige
       Dutzend Initiativen und Institutionen schlossen sich im vergangenen Jahr
       zum [1][Transformationsbündnis THF] zusammen mit dem Ziel, durch
       Kooperation von Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft
       einen lebendigen, gemeinwohlorientierten Zukunftsort zu schaffen. Auch
       Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut sieht das Gebäude als
       einzigartigen Freiraum und Riesenchance für die Stadt, was aber Geld und
       einen langen Atem voraussetze.
       
       „Meine Wahrnehmung ist, dass die Politik diesen langen Atem bisher leider
       nicht gehabt hat“, so Rauhut kürzlich in der Berliner Zeitung. Dabei ist
       klar, dass das unter Denkmalschutz stehende Gebäude auch Ende des
       Jahrhunderts noch existieren und Ignoranz deshalb immer teurer wird und
       somit keine Option sein kann.
       
       Zuständig für die Immobilie ist die Tempelhof Projekt GmbH (TP), ein
       hundertprozentiges Tochterunternehmen des Landes. Nach wie vor ist die
       Polizei der größte Mieter, viele Räume stehen leer. Vor einiger Zeit fiel
       auf, dass in dem Bau, der während der Nazi-Zeit ohne Baugenehmigung und
       Statikprüfung errichtet wurde, Tragkonstruktionen und Baumaterialien an
       ihre Belastungsgrenze gekommen sind. Aktuell sind die rund 100
       TP-Mitarbeitenden deshalb vorwiegend mit Grundlagenermittlung beschäftigt
       und arbeiten nach eigenen Angaben jährlich etwa 5.000 Havarien und
       Störungsmeldungen ab.
       
       Jedes Jahr Ende Juni muss TP einen Lagebericht ans Abgeordnetenhaus
       schicken. 15 bis 25 Jahre werde die Sanierung wohl dauern – „abhängig von
       der jeweiligen Finanzierung“, war da im vergangenen Jahr zu lesen.
       Expert*innen schätzen die Kosten auf zwei bis drei Milliarden Euro. Seit
       Jahren heißt es blumig: Der Flughafen wird ein neues Stadtquartier für
       Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft – ein Areal voller spannender Ideen,
       mit Raum zum Arbeiten, Ausprobieren.
       
       Doch es gibt kein Konzept und für Initiativen, die das ändern möchten,
       keine Chance. Das Transformationsbündnis THF wollte in diesem Sommer eine
       [2][„Halle für alle“] betreiben. Doch nachdem in zwei der sieben Hangars
       wieder Geflüchtete untergebracht werden mussten, wurde nichts daraus. Wegen
       Platzmangels, war das Argument.
       
       Im Juni wird es eine neue Geschäftsführung geben. Noch ist unklar, wer den
       zermürbenden Job übernimmt. Denn im Klartext: Es passiert nicht viel – auch
       weil Legislaturperioden kurz und die Früchte einer guten Entwicklung nur
       längerfristig zu ernten sind.
       
       ## Dachterrasse im Sommer
       
       Im Sommer soll endlich die Dachterrasse neben dem Tower eröffnet werden.
       Für den Herbst ist eine Sause zum 100-jährigen Bestehen des Flughafens
       angekündigt. 200.000 Euro sind für das Jubiläum eingeplant, bei der „auch
       die Einbeziehung der Öffentlichkeit angestrebt“ wird, wie es in der Antwort
       auf eine parlamentarische Anfrage der CDU heißt.
       
       Ansonsten laufen mehrere Ankündigungen in Endlosschleife wie der [3][Umzug
       des Alliiertenmuseums], der inzwischen erst in zehn Jahren erwartet wird.
       Irgendwann soll auch die Geschichtsgalerie eröffnen. Seit vergangenem
       Herbst arbeitet ein Fachgremium an einem Energie- und Klimaschutzkonzept,
       ohne dass es eine konkretere Idee fürs Gesamtgebäude gibt. Die Ankündigung,
       einen Gedenkort für die Opfer des KZ Columbia-Haus zu errichten, ist in der
       Versenkung verschwunden.
       
       Zuständig auf politischer Ebene ist der neue Stadtentwicklungssenator
       Christian Gaebler (SPD). Wenn es um den ehemaligen Flughafen geht, fällt
       ihm nur das Feld ein. Obwohl der Volksentscheid 2014 eine Bebauung
       ausgeschlossen hat, bringt Schwarz-Rot [4][das Thema wieder aufs Tapet].
       „Mit einem internationalen städtebaulichen Wettbewerb werden wir die
       Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung in begrenzten Teilen der Fläche
       ausloten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Das werde nicht ohne Zustimmung
       der Berliner Bevölkerung geschehen, versichert die neue Landesregierung.
       Dabei ist eine von oben initiierte Abstimmung juristisch gar nicht möglich.
       
       ## Initiative wieder aktiv
       
       Die Initiative 100 Prozent Tempelhof, die den erfolgreichen Volksentscheid
       2014 betrieben hatte, wird wieder aktiv. Sie argumentiert mit dem weltweit
       einmaligen Ort und dem Schutz der Kaltluftschneise in Zeiten der
       Klimaerwärmung. Außerdem widerspricht sie der Darstellung, dass es in
       Berlin an Bauland für Wohnungen mangelt. Im Stadtentwicklungsplan sind
       Flächen für 200.000 Wohnungen ausgewiesen. Außerdem gibt es 65.000
       genehmigte Bauanträge, die wohl aus Spekulationsgründen nicht umgesetzt
       würden, heißt es in einem Flyer.
       
       Derweil konnte die Initiative Westfeldgarten vor einigen Tagen endlich
       Erdproben an der Paradestraße neben dem Feuerlöschteich nehmen. Seit 2019
       möchte sie am Rand des Flughafenfelds mit Permakultur den Boden verbessern,
       Essbares anbauen und einen attraktiven Ort für Anwohnende schaffen. Obwohl
       gar nichts gebaut werden soll, musste sie einen Bauantrag stellen, den
       Denkmalschutz konsultieren und zahlreiche Genehmigungen einholen. „Wir sind
       Kompromisse eingegangen, damit es endlich losgehen kann“, berichtet Olivia
       Grandi. Bäume dürfen sie nicht pflanzen, denn alles muss reversibel sein.
       Der Vertrag ist bis 2026 befristet.
       
       Nebenan haben etwa 100 Jugendliche eine Open-Air-Bühne gezimmert,
       organisiert von der gemeinnützigen Gesellschaft Kernzone Berlin. Durch
       praktische Arbeit will sie junge Leute fürs Handwerk begeistern und ihnen
       die Erfahrung ermöglichen, dass sie einen sinnvollen Beitrag für die
       Gesellschaft leisten. Seit ein paar Tagen spielt nun das
       [5][Atze-Musiktheater] vor- und nachmittags für bis zu 300 Kinder im
       Luftschloss.
       
       24 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ehemaliger-Flughafen-Tempelhof/!5885248
   DIR [2] /Streit-um-Nutzung-von-Tempelhof/!5907534
   DIR [3] /AlliiertenMuseum-will-neuen-Standort/!5883181
   DIR [4] /CDU-will-Tempelhofer-Feld-bebauen/!5917070
   DIR [5] https://atzeberlin.de/spielplan/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Annette Jensen
       
       ## TAGS
       
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