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       # taz.de -- Kurz vor den Wahlen in Simbabwe: Patriotismus als Pflicht
       
       > Wer in Simbabwe „nationale Interessen“ schädigt, macht sich nun strafbar.
       > So sorgt die Regierung für einen linientreuen Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Für seine Wiederwahl spielt Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa die nationale Karte. Hier am 43. Unabhängigkeitstag am 18. April
       
       Harare taz | Mit der Festlegung der nächsten Präsidentschafts-, Parlaments-
       und Kommunalwahl in Simbabwe auf den 23. August hat Präsident Emmerson
       Mnangagwa vergangene Woche den Spekulationen ein Ende gesetzt – und
       zugleich die Bühne für eine [1][hitzige Wahlkampfzeit] eröffnet.
       
       Mnangagwas Regierungspartei ZANU-PF (Zimbabwe African People’s Union –
       Patriotic Front), die das Land seit der Unabhängigkeit 1980 regiert, ist
       diesmal mit der erst 2022 gegründeten neuen Oppositionspartei CCC (Citizens
       Coalition for Change) unter ihren Führer Nelson Chamisa konfrontiert.
       
       Die ZANU-PF feiert im August auch ihren 60. Gründungstag und erinnert damit
       pünktlich zu den Wahlen an ihre Ursprünge als antikoloniale
       Befreiungsbewegung. Die Partei, der bei bisherigen Wahlen Gewalt und
       Fälschung vorgeworfen wurde, brandmarkt ihre Gegner jetzt erneut als
       „Marionetten“ der alten Kolonialmacht Großbritannien und des Westens
       insgesamt. „Es ist Zeit, die Marionette Chamisa zu besiegen, die
       Marionettenorganisation CCC und den Puppenspieler USA“, erklärte die
       ZANU-PF: „23. August ist dafür der Tag.“
       
       Chamisa trat schon bei den letzten Wahlen 2018 gegen Mnangagwa an, der
       damals gerade auf den langjährigen Präsidenten Robert Mugabe gefolgt war,
       den die Armee 2017 abgesetzt hatte. Damals kandidierte Chamisa noch für die
       Oppositionspartei MDC (Movement for Democratic Change) und verlor nach
       offiziellen Angaben mit 35 Prozent gegen 52 Prozent für Mnangagwa. [2][Er
       gründete dann seine eigene, neue Partei].
       
       ## Nach der Wahl 2018 starben sechs Menschen
       
       Den 23. August 2023 beschreibt Chamisa nun als „großen Tag“. Er erklärte:
       „Ein robuster Sieg und eine entschiedene Verteidigung dieses Triumphs wird
       den Boden für ein neues Groß-Simbabwe bereiten, das die Bedürfnisse aller
       befriedigt.“
       
       Wahlen in Simbabwe finden immer in einem belasteten Klima statt, da die
       Opposition regelmäßig der Regierung Wahlfälschung vorwirft und westliche
       Länder deswegen Sanktionen gegen Simbabwe verhängen. Nach Mnangagwas Wahl
       2018, als Chamisa vergeblich das Ergebnis vor Gericht anfocht, erschoss die
       Armee sechs Menschen bei Protesten.
       
       Im Vorlauf der Wahlen 2023 hat das Unterhaus des Parlaments in Harare ein
       sogenannten „Patriotengesetz“ verabschiedet. Wer „mutwillig die
       Souveränität und das nationale Interesse Simbabwes schädigt“, macht sich
       demnach strafbar.
       
       Dazu gehört jede Teilnahme an einem Treffen, an dem Ausländer teilnehmen
       und bei dem die Behörden Grund zur Annahme haben, dass dort über
       Regimewechsel in Simbabwe oder Sanktionen gegen das Land gesprochen werden
       könnte. Unter Umständen kann das mit Hochverrat gleichgesetzt und mit dem
       Tode bestraft werden.
       
       ## Neues Gesetz richtet sich gegen Oppositionelle
       
       Kritiker sagen, dass damit die Versammlungsfreiheit ausgehebelt wird und
       dass das Gesetz sich gegen Oppositionelle, Regierungskritiker und
       Journalisten insgesamt richtet.
       
       „Meinungsfreiheit ist jetzt tot“, erklärt [3][Regierungskritiker Hopewell
       Chin’ono]. „Jeder Simbabwer, der einen Vertreter einer ausländischen
       Regierung trifft, landet jetzt im Gefängnis.“
       
       Das Gesetz muss noch durch den Senat und dann dem Präsidenten zur
       Unterschrift vorgelegt werden. In der Unterhausdebatte wurde der
       unabhängige Wahlkreisabgeordnete für Norton, Themba Mliswa, aus dem
       Parlament geworfen, als er das Gesetz scharf kritisierte. Mliswa, ein
       ehemaliges ZANU-PF-Mitglied, erinnerte an die Repression in Simbabwe kurz
       nach der Unabhängigkeit, als bei Massakern an ZANU-PF-Gegnern in
       Matabeleland im Süden Simbabwes rund 20.000 Zivilisten starben.
       
       Zuständig für die [4][damaligen Massaker, genannt Gukurahundi], war der
       heutige Präsident Mnangagwa, damals Geheimdienstchef unter Mugabe. „Es ist
       dieselbe Haltung“, sagte Mliswa. „Wir suchen den Weg zurück in die
       Weltgemeinschaft, während wir die gleichen politischen und sozialen
       Irrtümer und Ungerechtigkeiten begehen, die uns zum Pariastaat machten.“
       
       ## Simbabwe bestellt US-Diplomatin nach Wahlaufruf ein
       
       Simbabwes Beziehungen zum Westen und insbesondere zu den USA sind seit
       Jahrzehnten angespannt. Vergangene Woche bestellte Simbabwe Regierung die
       US-Geschäftsträgerin Elaine French ein, nachdem sie die Menschen in
       Simbabwe aufgerufen hatte, sich zu den Wahlen zu registrieren, „damit eure
       Stimme gehört wird“. Sie sagte: „Simbabwes Verfassung gewährt Bürgern das
       Recht, ihre Vertreter in legitimen, glaubwürdigen und friedlichen Wahlen zu
       bestimmen.“
       
       Diese Stellungnahme erzürnte Simbabwes Regierung, die von „diplomatischer
       Indiskretion“ sprach. French sorgte für weiteren Wirbel, als sie
       LGBTIQ+-Aktivisten traf, um über deren Rechte zu sprechen, wohl wissend,
       dass Homosexualität in Simbabwe verboten ist.
       
       5 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marcus Mushonga
       
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