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       # taz.de -- NSU-Terroristin vor U-Ausschuss: Zschäpe verneint Tatort-Helfer
       
       > Der bayerische NSU-Ausschuss befragte Beate Zschäpe als Zeugin. Die
       > bleibt bei früheren Aussagen zu der Rechtsterrorserie.
       
   IMG Bild: Im Juli 2018 wurde die Angeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München verurteilt
       
       Berlin taz | Seit gut 11 Jahren sitzt [1][Beate Zschäpe] in Haft für die
       Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), lange schwieg
       sie zu den Taten. Erst zum Ende des NSU-Prozesses in München ließ sie ihren
       Anwalt [2][schriftliche Aussagen verlesen]. Nun stellte sich Zschäpe in der
       JVA Chemnitz den Fragen des bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss – und
       wies Mutmaßungen über Helfer an den Tatorten zurück. Gleichzeitig räumte
       sie eine Mitschuld an der Terrorserie ein.
       
       Der NSU hat von 2000 bis 2007 zehn Menschen erschossen und drei
       Sprengstoffanschläge verübt. [3][Die Terrorserie begann in Bayern, hier
       fanden fünf der Morde statt]. Bis heute sind Fragen etwa nach der
       Opferauswahl oder Waffenlieferanten offen. Seit einem Jahr tagt in Bayern
       deshalb bereits zum zweiten Mal ein NSU-Untersuchungsausschuss, der zuletzt
       noch einmal damalige Ermittler, Verfassungsschützer oder Szeneangehörige
       anhörte.
       
       Am Montag nun befragte der Ausschuss seine heikelste Zeugin: Beate Zschäpe.
       Der Ausschuss reiste dafür eigens in die JVA Chemnitz. Dort sitzt die
       48-Jährige seit ihrer [4][Verurteilung zu lebenslanger Haft vor dem
       Oberlandesgericht München im Jahr 2018] ihre Strafe ab. Rund acht Stunden
       wurde Zschäpe dort nichtöffentlich befragt. Aus „Sicherheits- und
       Platzgründen“ sei nichts anderes möglich gewesen, teilte der Ausschuss mit.
       Es war das erste Mal, dass sich die Rechtsextreme nach dem Urteil in
       München zum NSU-Terror äußerte.
       
       Zschäpe gehörte neben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Kerntrio des NSU,
       gemeinsam waren die drei Rechtsextremen 1998 in Thüringen abgetaucht. Erst
       2011 war die Gruppe nach einem gescheiterten Bankraub aufgeflogen – Mundlos
       und Böhnhardt erschossen sich, Zschäpe stellte sich der Polizei. Im
       NSU-Prozess hatte sie erst gegen Ende ihr Schweigen gebrochen – und alle
       Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben. Sie selbst habe stets erst im
       Nachgang davon erfahren und auch das NSU-Bekennervideo nur verschickt, weil
       sie es den beiden Uwes versprochen hatte.
       
       ## Alle Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben
       
       Diese Version wiederholte Zschäpe laut Teilnehmenden auch am Montag in der
       Befragung des bayerischen NSU-Ausschusses. Böhnhardt und Mundlos hätten
       alle Morde selbst geplant und ausgeführt und die Tatorte allein ausgespäht,
       habe Zschäpe dort erklärt, sagte im Anschluss der Ausschussvorsitzende Toni
       Schuberl (Grüne). Helfer an den Tatorten habe es nicht gegeben, auch in
       Bayern nicht.
       
       Die Betroffenen seien Zufallsopfer gewesen, die nur nach ihrem türkischen
       Erscheinungsbild ausgesucht worden seien. Anders als von Zeugen behauptet,
       will Zschäpe auch nicht mehrmals in Nürnberg gewesen sein. Zwar sei Uwe
       Mundlos verantwortlich für die Vernetzung der Gruppe gewesen. Aus Angst
       entdeckt zu werden, habe sich das Trio aber nach und nach immer weiter
       abgeschottet.
       
       Gerade für die Anfangszeit habe Zschäpe aber Helfer benannt, so Schuberl.
       Allen voran den früheren [5][Anführer des rechtsextremen Thüringer
       Heimatschutz, Tino Brandt]. Dieser habe mit dem Trio über Telefonzellen
       Kontakt gehalten und auch eine Spende in vierstelliger Höhe von der
       Szeneeminenz Peter Dehoust weitergegeben. Dass das Trio nicht aufflog,
       nachdem Brandt 2001 als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutz enttarnt
       wurde, habe sie sehr überrascht, soll Zschäpe erklärt haben.
       
       Auch einen zweiten Helfer habe Zschäpe am Montag benannt: [6][den früheren
       Bloud&Honour-Aktivisten Jan W.], der dem Trio eine Waffe überbracht habe.
       Ihn nannte Zschäpe jedoch [7][auch schon im NSU-Prozess.] Gegen Jan W.
       stellte die Bundesanwaltschaft zuletzt [8][ihre Ermittlungen wegen seiner
       Hilfen für den NSU ein] – ebenso wie gegen vier andere Helfer.
       
       ## Weiter Streit über mögliche Tatorthelfer
       
       Laut den Ausschussmitgliedern hat Zschäpe aber nochmals ihre Beteiligung an
       der Mordserie bedauert. Schon im NSU-Prozess hatte sie sich bei den Opfern
       entschuldigt: Sie habe nicht ausreichend auf Mundlos und Böhnhardt
       eingewirkt, um die Morde zu verhindern. Am Montag nun habe Zschäpe erneut
       eingeräumt, dass sie mitschuldig an den Morden sei, so die
       Ausschussmitglieder. Sie habe die Taten nicht gewollt, aber mit ermöglicht
       – damit fühle es sich an, als hätte sie selbst abgedrückt. Zschäpe habe
       erklärt, sie hätte die Morde verhindern können, wenn sie sich der Polizei
       gestellt hätte. „Das hatte eine neue Qualität“, erklärte Schuberl.
       
       Der Ausschussvorsitzende zeigte sich zufrieden mit der Befragung. Diese
       habe „die Rekonstruktion so mancher Puzzlestücke“ im NSU-Komplex
       ermöglicht. CSU-Mann Holger Dremel betonte, nun sei klar, dass es keine
       NSU-Helfer an den Tatorten gab. Genau davon ist der SPD-Mann Arif Tasdelen
       nicht überzeugt. Zschäpe sei in diesem Punkt „nicht sehr glaubwürdig“
       gewesen, sagte er. Einige Tatorte seien für Ortsunkundige kaum zu entdecken
       gewesen, auch der frühere bayerische Innenminister Günter Beckstein glaube
       an weitere Helfer. „An der Stelle habe ich noch sehr viele Fragezeichen“,
       so Tasdelen. Auch Opferfamilien hatten immer wieder betont, dass sie von
       NSU-Helfern an den Tatorten ausgehen.
       
       23 May 2023
       
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