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       # taz.de -- Friedenssuche in Kolumbien: Waffenstillstand aufgekündigt
       
       > Wieder Militär gegen Farc-Dissidenten: Vom „totalen Frieden“, den
       > Kolumbiens Präsident erreichen will, bleibt immer weniger übrig.
       
   IMG Bild: Während die Rebellengruppe ein Friedensabkommen unterzeichnete, kämpfen Splittergruppen weiter
       
       Die [1][Ankündigung] von Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro, die
       Militäroperationen gegen die Farc-Dissidentengruppe „Estado Mayor Central“
       (EMC) in vier Amazonasregionen wieder aufzunehmen, hat sein Projekt vom
       „totalen Frieden“ weiter geschwächt. Petro begründete die Entscheidung mit
       dem Tod von vier indigenen Kindern vom Volk der Murui aus der
       Amazonasregion Putumayo.
       
       Laut der Ombudsstelle des Volks hatte die Front „Carolina Ramírez“ des EMC
       die Kinder erst zwangsrekrutiert und sie dann ermordet, weil sie desertiert
       waren. „Das ist eine schreckliche Tat, die den Friedenswillen in Frage
       stellt“, hieß es in einer [2][Mitteilung des Präsidialamts]. „Für solche
       Verbrechen gibt es keine Rechtfertigung.“ Sie seien ein Verstoß gegen das
       humanitäre Völkerrecht.
       
       Was bleibt jetzt vom „totalen Frieden“, über den die Regierung mit allen
       verbliebenen Gruppen verhandeln wollte? Das Hauptprojekt des linken
       Präsidenten Gustavo Petro wird fortgeführt. Denn nach dem historischen
       Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla aus dem Jahr 2017 sind je nach
       Zählung immer noch 26 bewaffnete Organisationen im Land aktiv.
       
       ## Ein Abkommen nach dem anderen kippt
       
       Aber von den fünf Waffenstillstandsdekreten mit verschiedenen bewaffneten
       Gruppen, die die Regierung um die Jahreswende verkündet hatte,
       [3][existieren nur noch zwei]: das mit Segunda Marquetalia (der
       [4][Farc-Dissidentengruppe um Iván Márquez], die bald nach dem
       Friedensabkommen enttäuscht zurück in den Krieg zog) und das mit den
       Autodefensas de la Sierra Nevada. Das bedeutet, dass der Staat offiziell
       jetzt wieder Militäroperationen gegen die drei größten illegalen
       Organisationen des Landes unternimmt.
       
       Den beidseitigen Waffenstillstand mit der [5][ELN-Guerilla] hatte es nie
       gegeben, musste die Regierung zum Jahreswechsel einräumen. Den mit der
       Verbrecherorganisation Golf-Clan kündigte sie im März auf, weil der
       Golf-Clan in den Regionen weiter mordete und Angst und Schrecken
       verbreitete, statt Friedenswillen zu zeigen.
       
       Und nun diesen Montag den mit der Farc-Dissidentengruppe EMC. Zumindest
       teilweise: Denn die Wiederaufnahme militärischer Operationen gilt nur für
       die Regierungsbezirke Putumayo, Caquetá, Guaviare und Meta – alle in
       Kolumbiens Amazonasregion. Die Gruppe ist aber noch in weiteren Gegenden
       aktiv.
       
       Es bestehen Zweifel, ob das Dekret in der Praxis je griff. Der EMC schreibt
       zumindest in seiner Erklärung, dass der Waffenstillstand stets einseitig
       gewesen sei – denn die rechten Paramilitärs seien stets aktiv geblieben und
       Teil staatlicher Politik.
       
       ## Trotz allem: Die Gespräche sollen weitergehen
       
       Der EMC kritisiert in der Erklärung, die den geplatzten Waffenstillstand
       bekannt machte, auch den Friedensbeauftragten der Regierung, der die
       „Kriegsmaschine“ des Staats nicht aufhalte. Die einseitige Aufkündigung
       werde den Krieg neu entfesseln und zu viel mehr Toten, Verletzten und
       Gefangen führen.
       
       Der Estado Mayor Central ist eine von zwei großen Dissidenz-Gruppen der
       ehemaligen Farc-Guerilla. Sie wird von alias Iván Mordisco angeführt.
       Petros rechter Vorgänger Iván Duque und sein Verteidigungsminister hatten
       verkündet, Mordisco bei einer Militäroperation getötet zu haben. Doch der
       Totgesagte sprach Mitte April quicklebendig in San Vicente del Caguán auf
       großer Bühne beim [6][Treffen der Dissidenz-Gruppe], wo diese ihre
       Forderungen an die Regierung besprach und ihren Verhandlungswillen
       erklärte.
       
       Laut der Zeitung [7][El País] hatte die Regierung seitdem gute Gespräche
       mit ihr geführt. Dafür hatte die Regierung ihr extra einen politischen
       Charakter bescheinigt. Das war eine umstrittene Entscheidung, weil sie die
       Gruppe damit von den rein kriminellen Verbrecheroganisationen abhebt und
       Vorteile sichert – obwohl sie sich ähnlich finanziert wie diese. Diese
       Gespräche will die Regierung fortführen.
       
       24 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Farc-Dissidenten-in-Kolumbien-toeten-Kinder/!5936574
   DIR [2] https://twitter.com/infopresidencia/status/1660639372641812480?s=20
   DIR [3] https://elpais.com/america-colombia/2023-05-23/los-fuegos-nunca-pararon-la-paz-total-mantiene-solo-dos-de-sus-cinco-ceses.html
   DIR [4] /Kolumbiens-Friedensabkommen-in-Gefahr/!5621824
   DIR [5] /Buergerkrieg-in-Kolumbien/!5906975
   DIR [6] https://elpais.com/america-colombia/2023-04-16/las-disidencias-de-las-farc-proponen-comenzar-la-negociacion-con-el-gobierno-el-16-de-mayo.html
   DIR [7] https://elpais.com/america-colombia/2023-05-23/los-fuegos-nunca-pararon-la-paz-total-mantiene-solo-dos-de-sus-cinco-ceses.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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