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       # taz.de -- Benachteiligte Fußballerinnen in Köln: Platz da – die Frauen kommen!
       
       > Die Zukunft der Frauenfußball-Abteilung bei Fortuna Köln ist bedroht. Die
       > Betroffenen sehen die Schuld beim Klub und kündigen lauten Protest an.
       
   IMG Bild: Starkes Team: Fortuna Köln gewinnt 2022 und 2023 den Landespokal Mittelrhein
       
       Sechzig Sekunden lang liegt am 4. Juni in der Regionalliga West der Ball
       still. Die Fußballerinnen protestieren gegen Benachteiligung. Die Idee kam
       von den Spielerinnen von Fortuna Köln. In deren Pressemitteilung ist von
       gemeinsamen Erfahrungen der Teams die Rede, etwa „Belächeln unserer
       Leistung“, „fehlende Unterstützung durch den Verein“, „fehlende Förderung
       und mediale Präsenz“. Und die Fortuna-Frauen stellen Forderungen, an erster
       Stelle die nach einem „Ende der in vielen Vereinen praktizierten
       Bevorzugung männlicher Mannschaften“.
       
       Es ist eine ungewöhnliche Aktion in einer Branche, in der hinter
       vorgehaltener Hand viele Frauenteams über vereinsinterne
       [1][Diskriminierung klagen], aber kaum je ein breiter Protest entsteht. Und
       es ist eine Geschichte, die komplizierter ist als diese Solidaritätsaktion.
       Denn der Vorstoß ist auch ein Schachzug in einem Konflikt bei Fortuna Köln,
       der zu eskalieren droht. Es geht um die Zukunft der Frauen und Mädchen, um
       Infrastrukturmangel, um Hierarchien. Und implizit um die Frage:
       Gleichberechtigung in einem traditionellen Männerklub – geht das?
       
       Es ist ein warmer Sommernachmittag am Klubgelände in der familiären
       Südstadt, auf den Plätzen trainieren Kinderteams, es sind alles Jungs.
       Fortuna Köln, traditionsreicher einstiger Zweitligist der Männer unter dem
       längst verstorbenen Mäzen Jean Löring, ist wie so viele mittelgroße Klubs
       in einer ungeliebten Zwischenzone angekommen: Die Männer spielen in der 4.
       Liga und träumen von einer Rückkehr in die 2. Bundesliga, aber der Realität
       hält das eher nicht stand, die Infrastruktur ist dürftig. Das
       erfolgreichste Team sind die drittklassigen Frauen, die Chancen auf einen
       Aufstieg in die 2. Liga hatten. Und trotzdem um eine Zukunft bangen.
       
       „Es kann sein, dass es uns in ein paar Wochen nicht mehr gibt“, sagt
       Valentina Adames. Die 32-jährige Mittelfeldspielerin hat gerade den Posten
       als Abteilungsleiterin der Frauen und Mädchen übernommen, kämpft innerhalb
       des Klubs aber schon länger für deren Belange. Der konkrete Auslöser: Auf
       dem Gelände in der Südstadt fehlt es massiv an Trainingskapazitäten. Von 30
       Trainingszeiten auf dem umkämpften Kunstrasenplatz gehen aktuell 29 an die
       deutlich größere Männerabteilung, eine an die Frauenabteilung. „Man muss
       kein Feminist sein, um zu erkennen: Es gibt ein Verteilungsproblem.“
       
       ## Ab auf den Aschenplatz!
       
       Das zwingt Frauen zum Ausweichen in andere Stadtteile oder auf den
       Ascheplatz, führe zu großem Unmut unter Spielerinnen und Beitrag zahlenden
       Eltern, zu Trainingsausfällen im Winter – und erschwere es, Spielerinnen
       anzuwerben. „Uns gegenüber wird immer argumentiert: Die Jungs machen
       Leistungssport, ihr macht Breitensport“, schildert Adames die Lage. Obwohl
       die Frauen und Mädchen mitunter höherklassiger spielten.
       
       Seit rund 20 Jahren gibt es Frauenfußball bei Fortuna Köln, und glaubt man
       den Schilderungen, ist er trotz der Erfolge ein ungeliebtes Stiefkind. Die
       U11 und U13 seien schon durch Vernachlässigung verschwunden, die U17 droht
       nun geschlossen den Verein zu wechseln. Als Regionalligateam brauche die 1.
       Frauen aber vorschriftsmäßig eine U17, sonst würde der Zwangsabstieg
       folgen. Für Adames wäre das „der Punkt, an dem wir sagen: Das macht keine
       mehr mit.“
       
       Es sagt einiges über die Situation, dass viele aus dem Umfeld der Abteilung
       mit Namen sprechen wollen. Vorwürfe, Nestbeschmutzerinnen zu sein, zählen
       nicht mehr, wenn es um die Existenz geht. „Wir werden nicht still und leise
       verschwinden, wie es damals war, als der HSV sein Frauenteam aus der 1.
       Liga abgemeldet hat“, sagt Valentina Adames. „Es wird laut sein, es wird
       schwere Konsequenzen für den Vorstand haben.“
       
       Das hier ist keine Lokalschnurre; [2][ähnliche Konflikte gibt es
       vielerorts,] und es geht um weit mehr als Platzzeiten. „Hier im Verein wird
       einem direkt in die Wiege gelegt, dass der Vorstand nicht hinter den Frauen
       steht, erst recht nicht hinter der 2. Damen“, so Chantal Thelen, Kapitänin
       der 2. Damen in der Landesliga. „Wir sind nur geduldet, wir sollen keine
       Ansprüche stellen.“
       
       ## Vergraulte Spielerinnen
       
       Eine Aufwandspauschale von nur 100 Euro erschwere es, Trainer:innen zu
       finden, ebenso das Training auf Asche. „Wir suchen im Moment selbst einen
       Trainer, vom Vorstand kümmert sich keiner. Wir kriegen kein Geld, wir
       müssen uns selbst um Sponsoren kümmern. Engagierte Leute werden vergrault.
       Trainer haben keinen Bock auf die Bedingungen bei Fortuna.“ Viele
       Spielerinnen wollten nicht mehr bleiben; im Rennen um den Aufstieg habe das
       in der Rückrunde Punkte gekostet. „Man ist mit den Gedanken woanders.“ Der
       Vorstand gefährde, findet Adames, „mutwillig die Existenz der Abteilung“.
       
       Und der Vorstand? Fortuna-Präsident Hanns-Jörg Westendorf laviert, gibt
       erst ein Interview für diesen Text und zieht dann doch alle Aussagen
       zurück. Kurz vor Veröffentlichung des Textes erlaubt er doch Zitate. „Für
       Fortuna Köln war und ist Gleichberechtigung immer ein hohes Gut. Unser Ziel
       ist es, alle Bereiche bestmöglich zu entwickeln. Wir haben aber weder die
       nötige Infrastruktur noch das Geld, um alle Vorhaben von jetzt auf gleich
       umzusetzen. Wir kämpfen ums Überleben.“
       
       Eine Lösung verortet er maßgeblich bei der Stadt Köln. „Wir kriegen auch
       bei den Jungs kaum noch Talente wegen der schlechten
       Infrastrukturbedingungen, was die Profizukunft bei Fortuna Köln gefährdet.
       Wir können dem Frauen- und Mädchenfußball bei Fortuna aktuell noch nicht
       den Stellenwert geben, der ihm gesellschaftlich gebührt.“ Man bemühe sich,
       die Platzsituation zu verbessern. „Politik ist sehr leicht dabei,
       Gleichberechtigung zu fordern, aber dazu gehört, auch Infrastruktur zu
       schaffen.“
       
       [3][Tatsächlich ist die Platznot in vielen Großstädten, auch in Köln,
       massiv]; der geplante Umbau auf Fortunas Anlagen soll frühestens 2028
       kommen. Aber es gibt eben zusätzlich ein Binnenverteilungsproblem.
       Westendorf verweist auf den Profibereich mit 42 Arbeitsplätzen. „Diesen
       Bereich am Leben zu erhalten, ist an sich schon eine Herkulesaufgabe. Ich
       wünsche mir den Aufstieg der Frauen in die 2. Liga, um die Lücke weiter zu
       schließen. Das ist aktuell nur leider kein realistisches Ziel“, wegen
       Infrastruktur und Budget.
       
       ## Viel Gestaltungslust
       
       Ist also der Profibereich wichtiger als der Fortbestand einer ganzen
       Abteilung? Die Untergangsszenarien bei Umverteilung hält Adames für eine
       Ausrede: „Wenn ich einer U16-Bezirksliga drei statt vier Einheiten auf dem
       Kunstrasen gebe, kann ich mir selbst mit viel Fantasie nicht vorstellen,
       dass das der Untergang des Profifußballs bei Fortuna Köln ist.“
       
       Neben vier von 30 Kunstrasenzeiten schlägt Adames etwa eine Kampagne für
       einen gemeinsamen Aufstieg der Männer und Frauen in die 2. Liga vor oder
       gar die Fortuna-Frauen als erstes soziales Fußballbusiness, das dem Klub
       neue Sponsoren und neues Publikum bringe und einen festen Teil der
       Einnahmen an gesellschaftliche Projekte im Viertel zurückgebe. Dass so viel
       Gestaltungslust in Kombination mit dem Wissen, wie man lokale Medien
       bespielt, auf Widerstände stößt, dafür braucht es nicht viel Fantasie.
       „Lasst uns doch aufhören zu sagen: Wir als Fortuna Köln sind hier nur das
       Opfer. Und fragen: Was können wir machen?“, fordert Adames.
       
       Interne Mails, die der taz vorliegen, zeigen zahlreiche Vorschläge der
       Abteilungsleiterin, auf die der Vorstand knapp oder gar nicht reagierte.
       Westendorf sagt: „Wir können nicht bei allen Problemen, die wir haben,
       immer zeitnah auf alle Mails antworten.“ Und: „Die Optionen, die jetzt bei
       Infrastruktur im Raum stehen, wurden alle schon geprüft“, eine Ausdehnung
       der Trainingszeiten etwa.
       
       ## Gesellschaftlicher Trend verpasst
       
       Mittlerweile hat sich eine breite Front aus Spielerinnen, Trainern und
       Eltern gebildet. Ina Conen, Mutter einer U17-Spielerin, hat einen von
       Eltern unterschriebenen offenen Brief verfasst. Darin heißt es: „Wir sind
       offen gesagt entsetzt, dass die konstruktiven Vorschläge keinerlei
       Beachtung finden.“ Conen erklärt: „Die Mädchen- und Frauenabteilung ist
       eine Patientin an der Infusion. Aber es gibt keine Visite.“
       
       Malte Frömbgen, Trainer der U15, klagt: „Wir Trainer erfahren nicht immer
       gleich die komplette Wahrheit, das ist unfair gegenüber Spielerinnen und
       Eltern. Man bekommt das Gefühl, es bestehe kein großes Interesse am
       Frauenfußball im Verein, das ist wahnsinnig bitter. [4][Man verpennt einen
       gesellschaftlichen Trend.] Ich habe die Hoffnung nicht ganz aufgegeben,
       aber es sind sehr negative Zeichen.“
       
       Bleibt die Frage: Warum tun sie sich das an? „Klar wäre es anderswo
       einfacher“, sagt Valentina Adames, „aber ich finde es fast wichtiger, dass
       bei den größeren Vereinen gegen massive Widerstände was passiert. Ich will
       nicht, dass die 14-jährigen Mädels denken: Ich kann da eh nichts machen.“
       
       Bis 30. Juni müssten die Mädchen und Frauen sich abmelden, Termine mit der
       Stadtverwaltung wegen der Platzsorgen stehen noch aus. „Es gibt eine
       massive Verunsicherung“, sagt Adames. „Aber es kommen in den letzten Wochen
       auch immer mehr Mädchen und Frauen, die sagen: Hey, dieser Verein bedeutet
       mir auch was, ich will mich hier einbringen. Ich will den Mädels zeigen:
       Man kann was tun.“ Noch hat sie den traditionellen Männerverein nicht
       abgeschrieben.
       
       9 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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