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       # taz.de -- Frauen in E-Sports: Game und Geschlecht
       
       > Die Welt der professionellen Gamer ist männlich dominiert. Das wollen
       > Computerspielfirmen jetzt ändern.
       
   IMG Bild: Bob Tran bei der Valorant
       
       Die zehn erfolgreichsten deutschen Profis im Ego-Shooter-Spiel
       „Counter-Strike: Global Offensive“ („CS:GO“) sind Männer. Auch unter den
       Top 100 ist keine einzige Frau zu finden. Ähnlich sieht es in den
       Ranglisten der meisten [1][E-Sport-Disziplinen] weltweit aus. Frauen sind
       in Kadern, auf der Coach-, Management- und Geschäftsführungsebene drastisch
       unterrepräsentiert. Und das [2][in einer Branche, deren Umsatzzahlen seit
       Jahren stark wachsen]. Der deutsche E-Sport knackte 2021 erstmals die
       100-Millionen-Euro-Marke, ein Großteil davon besteht aus Sponsorengeldern.
       
       Seit einigen Jahren verfolgen manche E-Sport-Organisationen und
       Computerspielfirmen deshalb einen Ansatz, den einige als „Empowerment“
       verstehen, andere als „Segregation“ ablehnen: Teams und Ligen
       ausschließlich für Frauen und nichtbinäre Personen. Damit sollen „Safe
       Spaces“ etabliert und Sichtbarkeit erhöht werden, damit mehr
       Spieler*innen den Weg in den Profi-E-Sport finden.
       
       Im September beispielsweise stellte die dänische Organisation Astralis, die
       als erfolgreichster „CS:GO“-Club gilt, ihr erstes Frauenteam vor. Im März
       zogen Guild aus Großbritannien und G2 aus Deutschland nach. Und aktuell
       läuft mit dem Equal eSports Cup das erste „League of Legends“-Turnier
       („LoL“) für Frauen und nichtbinäre Personen im deutschsprachigen Raum.
       
       ## Frauen und marginalisierte sollen sich fokussieren können
       
       Der buchstäbliche Spielmacher dieses Ansatzes ist das US-Unternehmen Riot
       Games, das für seinen First-Person-Shooter „Valorant“ bereits seit 2021
       eine beispiellose Kampagne zur Förderung von Frauen und nonbinären Personen
       verfolgt: mit Turnieren, Community-Events und Caster-Trainings der
       Initiative Game Changers.
       
       Man sei „fest entschlossen“, eine Gaming-Infrastruktur zu schaffen, „in der
       sich Frauen und andere marginalisierte Gender auf den Wettbewerb
       fokussieren können statt auf die Bürde der geschlechtsbezogenen
       Belästigung“, erklärte Anna Donlon, Executive Producerin für Valorant, beim
       Start des Programms.
       
       Mit dieser [3][„Bürde“ ist der Alltagssexismus gemeint], mit dem sich
       Frauen und nonbinäre Personen seit jeher konfrontiert sehen und der sich in
       der Szene in sexistischen Beleidigungen während des Spiels von männlichen
       Gegnern, Teamkollegen, Zuschauern niederschlägt.
       
       ## Ginger sagt, es wird besser
       
       Die „Valorant“-Spielerin Nicole alias „Ginger“ berichtet, dass sich die
       Lage in letzter Zeit ein wenig gebessert habe, auch dank der Frauenligen.
       In der Frauenliga Project Queens habe sie weniger sexistische Kommentare
       unter Videos wahrgenommen und deren Autor*innen würden konsequenter
       zurechtgewiesen als früher.
       
       Dieser plakative Sexismus sei nur einer von vielen Exklusionsmechanismen,
       erklärt Natalie Denk. Sie leitet das Zentrum für Angewandte Spieleforschung
       an der Donau-Universität Krems in Österreich. Hauptursache für die geringe
       Zahl an Profi-Gamerinnen sei die geschlechtsspezifische Sozialisierung,
       dazu kämen der Mangel an Vorbildern und das vorrangig an Männer gerichtete
       Marketing.
       
       All das führe dazu, dass Frauen im E-Sport rar sind. Und das, obwohl
       hobbymäßig etwa gleich viele Frauen wie Männer zocken. Laut der deutschen
       Games-Branche waren im Jahr 2021 48 Prozent der Computerspieler*innen
       weiblich, 52 Prozent männlich. Doch professionell spielen weltweit nur etwa
       5 bis 8 Prozent Frauen.
       
       Da es nur wenige Frauen in die Top-Ligen schaffen, bekommen sie an Gehalt
       und Preisgeldern durchschnittlich deutlich weniger als ihre männlichen
       Kollegen. Unter den aktuell 152 Pro-Gamern, die laut esportsearnings.com 1
       Milllion US-Dollar oder mehr mit Preisgeldern verdient haben, findet sich
       keine Frau. Die „Starcraft II“-Spielerin Sasha „Scarlett“ Hostyn“ ist mit
       einer Summe von rund 451.000 US-Dollar nach wie vor die Frau mit dem
       höchsten eingestrichenen Preisgeld.
       
       Wissenschaftlerin Denk findet Women-Only-Teams als Sprungbrett in den
       E-Sport sinnvoll, das Hauptziel müsse aber sein, den herkömmlichen E-Sport
       inklusiver zu machen. Clubs sollten Mixed-Gender-Teams fördern, damit sie
       irgendwann zur Normalität gehörten. Frauenteams böten zwar einen
       Rückzugsraum, in dem sich ausgetauscht und frei entfaltet werden könne,
       doch an diese Strategie müsse angeknüpft werden mit dem Ziel, Frauen in
       allen Bereichen des E-Sport zu etablieren.
       
       ## Sayna hat Geschichte geschrieben
       
       Mareike Burg alias „Sayna“ spricht vom „Transfer-Problem“. Die 24-Jährige
       hat am 9. Februar E-Sport-Geschichte geschrieben: Als erste Frau trat sie
       in der First Division der Prime League an, quasi die „League of
       Legends“-Bundesliga. Ihr Team Unicorns of Love ist eines der
       Top-„LoL“-Teams.
       
       Burg hat eine Hürde überwunden, die bisher wenige Frauen genommen haben:
       Sie hat früher auf niedrigerem Niveau in Frauenteams gespielt und verdient
       nun ihr Geld in einer männerdominierten Top-Liga. Auch sie hält
       Women-Only-Teams für notwendig, kritisiert aber, dass nur wenige dieser
       Frauen in die Top-Ligen aufsteigen. Es gebe im E-Sport kaum Anreize, einer
       Frau im Main-Team eine Chance zu geben. Denn ein gutes Frauenteam ist
       billiger und bringt vergleichsweise schnell Siege, Preisgelder und
       Werbeabsatz.
       
       2021 scheiterte Riot Games mit einem Versuch, den Übergang von
       Women-Only-Teams zu Mixed-Teams zu gestalten. Nach dem Erfolg von Game
       Changers in Nordamerika hatte Riot das Format auch für Europa und den Nahen
       Osten angekündigt. Mit einer Änderung: Nicht nur Frauenteams sollten
       zugelassen werden, sondern alle mit mindestens drei Spielerinnen – eine
       Frauenquote. Organisationen wie „Femme Gaming“ fordern dies seit Langem.
       Doch nach heftiger Kritik daran, dass sich die Game-Changers-Reihe so des
       „Safe Space“-Gedankens entledige, ruderte Riot Games zurück.
       
       Wie der E-Sport generell machen auch die Frauenligen den meisten Umsatz mit
       Sponsoring. Gut vermarkten lassen sich Frauen schon allein aufgrund der
       Tatsache, dass sie, sofern sie einem klassischen Schönheitsideal
       entsprechen, viel geklickt werden. Valorant-Spielerin Nicole berichtet von
       zahlreichen Fällen, in denen Gamerinnen aus ihrem Umfeld die Erfahrung
       gemacht hätten, dass Organisationen sie nur ins Team holen wollten, „weil
       sie gut ausschauen und gut fürs Marketing sind“.
       
       ## Eigene Liga
       
       Beim ersten weltweiten Frauen-Major-Event, das Game-Changers-Finale im
       November, schalteten in der Spitze knapp 240.000 Zuschauer*innen ein.
       Marken wie Nivea oder Shopify sponserten Turniere oder Teams. In
       Nordamerika hat der Konzern Procter & Gamble gleich eine eigene
       Valorant-Liga gestartet, präsentiert von seinen Damenhygienemarken „Tampax“
       und „Always“.
       
       Darüber hinaus versuchen Clubs mit Frauenteams ihr Image aufzupolieren –
       durch sogenanntes „Pinkwashing“. G2 startete sein erstes „CS:GO“-Frauenteam
       nur wenige Monate nach einem Skandal, im Zuge dessen einer der G2-Chefs
       seinen Posten räumen musste, weil er mit dem frauenhassenden Influencer
       Andrew Tate Party gemacht hatte.
       
       Beim kommerziellen Aspekt von Women-Only-Teams ist die Community
       zwiegespalten: Einerseits bekommen die Athletinnen Geld und eine Bühne.
       Andererseits kann frauenspezifisches Marketing Geschlechterklischees und
       Sexismus reproduzieren. Auch wird immer wieder kritisiert, dass viele Ligen
       und Initiativen zwar explizit non-binäre Menschen ansprechen, diese
       Marketing-Ansprache sich in der Praxis aber kaum widerspiegele.
       
       „Ich habe am Rande eines Turniers mal eine nichtbinäre Person
       kennengelernt, die sich ein bisschen verloren und dazwischengequetscht
       gefühlt hat, weil überall nur von ‚Frauenteams‘ die Rede war“, berichtet
       Burg.
       
       Bis der erste weibliche Name in den Top Ten der erfolgreichsten deutschen
       „LoL“-Profis auftaucht, dürfte es noch eine Weile dauern. Burg schwärmt
       trotzdem von den Möglichkeiten des E-Sports. „Da es im Gegenteil zum
       herkömmlichen Sport keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der
       Physis gibt, kannst du als 15-jähriges Mädchen den 21-jährigen Profi
       plattmachen.“ Wären da nicht „die großen systemisch bedingten Probleme“,
       die der Entwicklung von Spielerinnen entgegenwirkten.
       
       9 Jun 2023
       
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