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       # taz.de -- Einigung in der EU-Flüchtlingspolitik: Nicht historisch, sondern wertlos
       
       > Selbst wenn man alle menschenrechtlichen Bedenken beiseite wischt, bleibt
       > die Einigung in der Flüchtlingspolitik ein schlechtes Ergebnis.
       
   IMG Bild: Ein Geflüchteter aus Somalia schützt sich mit einer Thermodecke vor dem Regen
       
       Haftlager an den EU-Außengrenzen, Geflüchtete, die in nur vermeintlich
       sichere Drittstaaten zurückgebracht werden: Aus menschenrechtlicher Sicht
       ist das, worauf sich die EU-Innenminister*innen am Donnerstagabend
       verständig haben, eine Katastrophe. Das Elend der Flüchtlinge dürfte sich
       noch vergrößern.
       
       Aber selbst wenn man die menschenrechtlichen Bedenken beiseitewischt, so
       wie es SPD und Teile der Grünen-Spitze tun, bleibt die Einigung vom
       Donnerstagabend [1][ein schlechtes Ergebnis]. Denn das, was [2][Europas
       Flüchtlingspolitik] so dringend fehlt – auch aus unterkühlt funktionaler
       Sicht –, stand in Luxemburg nicht einmal zur Debatte: ein umfassender und
       verbindlicher Mechanismus zur Verteilung von Geflüchteten auf alle
       EU-Staaten, der die überforderten Länder an den Außengrenzen wirklich
       entlastet. Stattdessen einigten sich die EU-Innenminister*innen auf einen
       Solidaritätsmechanismus, bei dem die Aufnahme weiter freiwillig bleibt. Das
       funktioniert bisher nicht und wird auch in Zukunft nicht funktionieren.
       
       Dass Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen, künftig 20.000 Euro pro
       Nicht-Aufnahme zahlen sollen oder sich am Außengrenzschutz beteiligen
       sollen, ändert kaum etwas. Zum einen ist unklar, ob solche Staaten die
       Zahlung nicht einfach verweigern. Polens Europaminister Szymon Szynkowski
       sagte am Freitag schon mal: „Wir werden nicht akzeptieren, dass uns absurde
       Ideen aufgezwungen werden.“ Weil Polen aber ohnehin schon Beamt*innen
       für Frontex stellt, könnte es diese Leistungen wohl auch einfach
       umdeklarieren und argumentieren, seinen Beitrag zu leisten.
       
       Die Probleme der Außengrenzenstaaten aber wohl auch dann weiter bestehen,
       wenn Nichtaufnahmestaaten künftig tatsächlich etwas Geld abdrücken. Schon
       in der Vergangenheit nahm Griechenland ihm zustehende EU-Gelder für die
       Flüchtlingsaufnahme vielfach gar nicht in Anspruch. Und auch die neuen
       Regelungen für beschleunigte Grenzverfahren sind nicht mal ein zynischer
       Ersatz für einen Verteilmechanismus. Sie sollen ja nur wenige Flüchtlinge
       aus „sicheren Herkunftsstaaten“ und Ländern mit niedrigen Schutzquoten
       betreffen. Dass die neue Drittstaatenregelung in ihrer
       Menschenfeindlichkeit für Entlastung sorgt, ist ebenfalls unwahrscheinlich.
       Staaten wie die Türkei dürften sich in den dafür nötigen Deals teuer
       bezahlen lassen, Verhandlungen werden sich lange ziehen.
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kann die [3][Einigung vom
       Donnerstagabend] also noch so oft „historisch“ nennen,
       Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) [4][noch so viel von einem
       „schwierigen“, aber „richtigen Kompromiss“] sprechen. Ohne verbindlichen
       Verteilmechanismus bleibt die Einigung der EU-Innenminister*innen wertlos.
       
       9 Jun 2023
       
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