# taz.de -- Sachbuchautor über Frauenfußball: „England ist schon weiter“
> Frauenfußball hat enorm an Bedeutung gewonnen. Nun geht es darum, nicht
> die Fehler der Männer zu wiederholen. Justin Kraft über Chancen und
> Sorgen.
IMG Bild: Die Zukunft des (Frauen-)Fußballs: Meisterfeier der Damen und Herren von Bayern München im Mai 2023
taz: Herr Kraft, der Buchtitel „Fußball der Zukunft – Wie Frauen den Sport
revolutionieren“ klingt so, als würden Frauen den Sport Fußball an sich
verändern. Tun sie das?
Justin Kraft: Ich glaube, das gilt es, zu hinterfragen. Mit unserem Buch
gehen wir darauf ein, dass im Frauenfußball strukturell viel aufgebaut
wird. Viele Spielerinnen revolutionieren den Sport ein Stück weit – als
starke Persönlichkeiten, die klar ihre Meinung äußern. Gesellschaftlich ist
die Bedeutung des Frauenfußballs riesig. Und dennoch: Oft gleicht vieles
dem, was beim Männerfußball passiert. Die Verbände machen – beispielsweise
bei der Kommerzialisierung – viele Dinge ähnlich. Auch die
Rücksichtslosigkeit bei der Belastung der Spielerinnen ist etwas, das
Sorgen bereitet.
Wie abhängig ist der Frauen- vom Männerfußball?
Meist sind die Verbände, die bei Männern stark sind, auch bei Frauen stark.
Das hat viel mit finanzieller und struktureller Abhängigkeit zu tun. Clubs,
in denen die Männer in der Ersten oder Zweiten Bundesliga erfolgreich sind,
entscheiden sich zudem häufiger dazu, die Frauenabteilung zu unterstützen.
Da können Clubs ohne erfolgreiche Männerteams aber [1][nicht mithalten].
Die Abhängigkeit an sich muss man aber auch aus einem historischen Kontext
betrachten, da Verbände, wie der DFB, den Frauenfußball jahrelang
[2][unterdrückt haben].
Spüren Sie da aktuell einen Wandel?
Ob sich diese Strukturen in den nächsten Jahren ändern, wage ich mal zu
bezweifeln. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Frauenfußball in
Zukunft Gewinne erwirtschaften wird. In England haben wir mit dem FC
Arsenal ein gutes Beispiel dafür: Der Verein konnte vor der Pandemie zwar
noch keine großen Gewinne erwirtschaften, aber grüne Zahlen schreiben.
Also läuft es in anderen Ländern besser.
Der englische Verband hat früher angefangen, Frauenfußball zu unterstützen.
Auch da läuft nicht alles perfekt, aber ich glaube, dass England in den
letzten Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen hat.
Woher kommt der Hype um Frauenfußball?
Da gibt es viele Gründe. Viele haben das Gefühl, dass der Spitzenfußball
der Männer sich immer mehr von der Basis distanziert. Im Frauenfußball
finden unter anderem die Enttäuschten Zuflucht. Und die Leistung zählt: Wir
haben gesehen, dass die Spielerinnen immer besser geworden sind, dass
sie zu begeistern wissen und nahbar sind. Außerdem spielt die Inklusivität
eine Rolle: Bei den Frauen fühlen sich viele nicht-männliche Fans wohler
als bei den Männern.
Jetzt kommt die WM. Welche Erwartungen haben die Spielerinnen und
Funktionär*innen?
Sportlich gesehen geht es für Deutschland darum, den Erfolg der EM zu
bestätigen und aufzuzeigen, dass man konkurrenzfähig ist. Ansonsten geht es
darum, Aufmerksamkeit zu schaffen: Es gab in den letzten Wochen immer
wieder [3][die Diskussion darum, wer die Spiele überträgt]. Das würde es im
Männerfußball nie geben und zeigt, dass man nicht so weit ist, wie man es
sich nach der EM gewünscht hatte.
Wie würden Sie die Berichterstattung über Frauenfußball bewerten?
Klar, es gibt viele Journalist*innen, die sehr detailreich darüber
berichten, aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass oft nicht in die Tiefe
gegangen wird. Das finde ich schade, weil die Spielerinnen meist bereit
sind, ihre Geschichten zu erzählen: Ich finde die Offenheit der
Spielerinnen beeindruckend. Wenn ich Interviews mit Profis bei den
Männern führe, sind viele Aussagen schon ziemlich vorgefertigt.
12 Jun 2023
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## AUTOREN
DIR Emily Kietsch
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