URI: 
       # taz.de -- Sipri-Jahrbuch zu Militärausgaben: Atomwaffenarsenale wachsen wieder
       
       > Nie haben Staaten mehr Rüstungsgüter gekauft. Das liegt nicht nur am
       > Krieg in der Ukraine, erklärt das neue Jahrbuch des Forschungsinstiuts
       > Sipri.
       
   IMG Bild: In China sei die Zahl der Nuklearsprengköpfe von 350 auf 410 gewachsen, Tendenz steigend
       
       Stockholm taz | „Wir sind dabei, in eine der gefährlichsten Perioden der
       Menschheitsgeschichte hineinzuschlittern“, warnt Dan Smith, der Direktor
       des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri,
       anlässlich des aktuell veröffentlichten Jahrbuchs seiner Einrichtung. Darin
       bietet das Institut einen Überblick zu den internationalen Militärausgaben
       und Sicherheitsentwicklungen von 2022.
       
       In seiner [1][55-jährigen Geschichte habe Sipri noch nie höhere Ausgaben]
       verzeichnet. Global seien es im vergangenen Jahr 2.240 Milliarden Dollar
       gewesen – ein „All-time high“. Weltweit würden die Regierungen
       durchschnittlich 6,2 Prozent der Staatsbudgets für das Militär aufwenden.
       Besonders in Europa sieht das Institut einen anhaltenden Aufrüstungstrend.
       
       Zwar sei die Ukraine nur eines von 56 Ländern gewesen, in deren Grenzen
       sich 2022 bewaffnete Konflikte zugetragen haben. Doch gerade der Krieg in
       der Ukraine steche hervor, weil sich durch ihn die Beziehungen zwischen den
       Großmächten so deutlich verschlechtert haben, analysiert das Jahrbuch.
       Damit habe der Krieg dazu beigetragen, dass lokale und regionale Konflikte
       schwieriger zu bewältigen seien.
       
       Beispielsweise hätten sich die EU und die Nato auf die
       Territorialverteidigung der Ukraine fokussiert, statt Konfliktmanagement zu
       betreiben. In Asien seien zudem die Beziehungen zwischen China und den USA
       zunehmend angespannt, heißt es im Jahrbuch.
       
       ## Sorge vor Missverständnissen
       
       Aufgrund der Invasion Russlands hätten vor allem die nukleare
       Rüstungskontrolle und die Abrüstungsdiplomatie schwere Rückschläge
       erlitten, betont Sipri: „Die USA pausierten ihren bilateralen strategischen
       Stabilitätsdialog mit Russland, und im [2][Februar 2023 gab Russland die
       Aussetzung seiner Teilnahme] am Vertrag von 2010 über Maßnahmen zur
       weiteren Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen (New
       START) bekannt – dem letzten verbliebenen nuklearen Rüstungskontrollvertrag
       zur Begrenzung der strategischen Nuklearstreitkräfte Russlands und der
       USA.“
       
       Auch die Gespräche über einen Folgevertrag für die 2026 auslaufenden
       New-START-Maßnahmen wurden ausgesetzt. Stand Januar 2023 blieben die Länder
       aber nominell weiterhin innerhalb der New-START-Grenzwerte, wenn es um die
       Nuklearstreitkräfte ging.
       
       Insgesamt stieg dabei aber die Zahl der potenziell einsatzbereiten atomaren
       Sprengköpfe laut Sipri-Schätzungen 2022 weltweit um weitere 86 auf 9.576.
       Seit dem Ende des Kalten Krieges waren die Atomwaffenarsenale stetig
       gesunken. Doch unter anderem Russland, Indien, Pakistan und Nordkorea
       hätten ihre Bestände aufgestockt. Den größten Zuwachs verzeichne China.
       Dort sei die Zahl der Nuklearsprengköpfe von 350 auf 410 gewachsen. Ein
       Trend, der sich fortsetzen dürfte.
       
       ## Der Krieg in der Ukraine bringt Zusammenarbeit ins Taumeln
       
       „China ist dabei, sein Nuklearwaffenarsenal signifikant zu erweitern“, sagt
       Hans Kristensen vom Sipri-Programm für Massenvernichtungswaffen: „Es wird
       immer schwieriger, diesen Trend mit dem erklärten Ziel Chinas in Einklang
       zu bringen, nur über die Nuklearstreitkräfte zu verfügen, die zumindest
       erforderlich seien, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten.“
       
       Sipri-Direktor Dan Smith spricht sich dafür aus, dass die Staaten mehr
       zusammenarbeiten. „Wenn gerade in dieser Zeit des Misstrauens und
       intensiver geopolitischer Spannungen die Kommunikationskanäle zwischen
       nuklear bewaffneten Staaten geschlossen sind oder kaum noch funktionieren,
       könnten Fehleinschätzungen, Missverständnisse oder Unfälle ein unannehmbar
       hohes Risiko mit sich bringen.“ Es bestehe deshalb „die dringende
       Notwendigkeit, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die
       internationale Kontrolle von Atomwaffen zu verstärken“.
       
       Wegen [3][des Krieges in der Ukraine sei die internationale Zusammenarbeit
       ins Taumeln] geraten, zieht das Friedensforschungsinstitut Bilanz. Aber es
       hebt auch positive Beispiele hervor, wie das Abkommen zur Einrichtung eines
       „Loss-and-Damage“-Schadensfonds für die am stärksten von den Auswirkungen
       des Klimawandels betroffenen Länder. „Vielversprechende Schritte“, schließt
       das Institut, angesichts des gegenwärtigen internationalen Umfelds sei es
       aber besonders schwierig, „kollektives Handeln“ für die Umsetzung
       internationaler Verpflichtungen zu generieren.
       
       12 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neuer-Sipri-Bericht-zu-Militaerausgaben/!5927182
   DIR [2] /US-Vorwuerfe-an-Russland/!5913097
   DIR [3] /Sipri-Bericht-und-Ukraine-Krieg/!5919237
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Sipri
   DIR Atomwaffen
   DIR Abrüstung
   DIR Nuklearwaffen
   DIR USA
   DIR China
   DIR Sipri
   DIR Nordkorea
   DIR Außenpolitik
   DIR Atomwaffen
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Atomwaffen
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Wladimir Putin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sipri-Bericht über Waffenexporte: Rüstungsfirmen fehlen Kapazitäten
       
       Das Friedensforschungsinstitut Sipri sieht vor allem Hersteller aus Asien
       als Profiteure globaler Aufrüstung. Die US-Firmen haben Kapazitätsprobleme.
       
   DIR Nordkorea droht mit Atomwaffen: Säbelrasseln im Koreakonflikt
       
       Nordkorea hat auf den Besuch eines amerikanischen Atom-U-Bootes in Südkorea
       reagiert. Der ist wiederum eine Reaktion auf nordkoreanische Raketentests.
       
   DIR Deutsche Außenpolitik: Strategie für „megakomplexe Welt“
       
       Sicher in die Zukunft – auf allen Feldern. Nach langem Ringen einigt sich
       die Bundesregierung auf eine Nationale Sicherheitsstrategie.
       
   DIR Chinas nukleare Aufrüstung: Gefährliches Druckmittel
       
       Bis Ende des Jahrzehnts könnte China die weltweite Spitzenposition als
       Atommacht innehaben. In der Region ist man sich der Gefahr bereits bewusst.
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Wasserstand des Dnipro sinkt
       
       Während die Großoffensive der Ukraine läuft, sinkt in Cherson das Wasser.
       Russland schließt derweil Vertrag mit einer tschetschenischen Privatarmee.
       
   DIR Gedenken an Hiroshima: In Origamischuhen gegen Atomwaffen
       
       In Hiroshima treffen jährlich 10 Millionen Papierkraniche ein, um der Opfer
       des Atomangriffs zu gedenken. Die alten landen aber nicht einfach im Müll.
       
   DIR Neuer Sipri-Bericht zu Militärausgaben: Auf Rekordniveau
       
       Das Friedensforschungsinstitut Sipri stellt seinen neuen Bericht vor. Mit
       2.240 Milliarden Dollar gebe es bei den Rüstungsausgaben ein „all time
       high“.
       
   DIR Russische Atomraketen in Belarus: Auftrumpfen aus Schwäche
       
       Russlands Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren, ist nur eine
       Drohgebärde. Man kann das gar als Zeichen der Schwäche deuten.