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       # taz.de -- Demo gegen Heizungsgesetz in Erding: Rechte Kulisse nützt Söder nichts
       
       > CSU-Chef wird bei einer Demo ausgebuht. Wie es mit der Novelle
       > weitergeht, ist offen. Die Ampel verhandelt weiter darüber.
       
   IMG Bild: Die Geister, die er rief: Söder wird auf einer Demo gegen die Ampel-Politik von Rechten ausgebuht
       
       München/Berlin taz | Das also ist sie, die viel beschworene Mitte
       Deutschlands: Sie pfeifen, wenn sich einer von der AfD distanziert, und
       jubeln, wenn andere behaupten, es herrsche keine Demokratie in Deutschland,
       oder über die Schutzmaßnahmen während der Pandemie herziehen. Und sie
       halten Schilder in die Höhe, auf den etwas von „grüner Autokratie“ und
       „Enteignung der deutschen Bürger“ steht. Auch von „Lügenpresse“ ist dort zu
       lesen oder: „Neue Medien brauchen wir.“
       
       So wenigstens verhielt es sich am Samstag auf einer Demo im oberbayerischen
       Erding, und wenn man CDU-Chef [1][Markus Söder] Glauben schenken darf, war
       es die deutsche Mitte, die hier mit rund 13.000 Vertretern zugange war.
       Söder nämlich hatte tags zuvor angekündigt, an der Demo teilzunehmen, und
       auf Twitter erklärt: „Die Veranstaltung in Erding ist ein deutliches Signal
       aus der Mitte der Gesellschaft in Richtung Berlin.“ Die Bürger fühlten sich
       von der Bundesregierung zunehmend im Stich gelassen. „Diese Sorgen teilen
       wir. Wir rücken die Anliegen der Normalbevölkerung in den Mittelpunkt.“
       
       Die Empörung richtet sich gegen den [2][Entwurf des
       Gebäudeenergiegesetzes], den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
       (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgelegt haben. Er
       sieht vor, dass ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr in Neubauten
       installiert werden dürfen. Bestehende Heizungen sollen repariert werden
       können, bei einem Totalschaden aber durch klimafreundliche Anlagen ersetzt
       werden. Dafür sind mehrjährige Übergangsfristen und zahlreiche Ausnahmen
       vorgesehen, etwa für über 80-jährige Eigentümer:innen. Einem
       Rechtsgutachten im Auftrag des bayerischen Wirtschaftsministeriums zufolge
       soll das Gesetz in der vorliegenden Form in Teilen verfassungswidrig sein,
       etwa wegen der Altersgrenze.
       
       Doch diesem Samstag scheint Söder die Gemütslage der vermeintlichen
       Normalos falsch eingeschätzt zu haben. Mit „Hau ab“-Chören wurde der
       bayerische Ministerpräsident begrüßt, als er in Erding die Bühne betrat, so
       dass er schließlich mit einem „Haut selber ab“ konterte und rief: „Die
       bürgerliche Mitte hat nichts mit AfD, hat nichts mit Anti-Demokraten zu
       tun.“ Wo ist sie denn nun also, die Mitte? Söder scheint mit der
       Standortbestimmung offensichtlich Schwierigkeiten zu haben.
       
       ## Plattform für Generalabrechnung
       
       Dass für allzu differenzierte Töne im bayerischen Wahlkampf wenig Platz
       ist, das hat Söder bei seinen jüngsten Auftritten hinreichend klar gemacht.
       Insofern war es durchaus folgerichtig, dass der CSU-Spitzenkandidat auf
       Einladung der Kabarettistin Monika Gruber, auf den Weg nach Erding machte.
       Gruber hatte die Demo gemeinsam mit einem Erdinger Optiker organisiert.
       
       Schließlich war es eine Veranstaltung, die ganz nach Söders Geschmack hätte
       sein müssen: Vordergründig ging es um – oder besser: gegen – das von der
       Bundesregierung geplante Heizungsgesetz. Darüber hinaus bot die Demo
       allerdings auch eine Plattform für eine Generalabrechnung mit denen in
       Berlin, vor allem den Grünen. Söder brachte denn auch seine Evergreens zum
       besten, warnte vor der Umerziehungsphilosophie der Grünen, vor
       vermeintlichem Gender- und Veganisierungszwang.
       
       Doch der Versuch, sich an die Speerspitze der Bewegung gegen das
       Heizungsgesetz zu stellen, ging in diesem Fall schief. Stattdessen musste
       Söder mitansehen, wie Freien-Wähler-Chef Hubert Aiwanger mit noch
       unverhohlenerem Populismus die Demonstrierenden auf seine Seite brachte.
       „Jetzt ist der Punkt erreicht“, rief der bayerische Wirtschaftsminister
       beispielsweise, „wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes
       sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen: Ihr
       habt's wohl den Arsch offen da oben.“
       
       ## Noch keine Einigung über Heizungsgesetz
       
       Unterdessen ist unklar, ob das Heizungsgesetz wie ursprünglich von der
       Bundesregierung geplant noch vor der Sommerpause von Bundestag und
       Bundesrat verabschiedet wird. Die FDP blockiert das Gesetz weiterhin. Um
       ein reguläres parlamentarisches Verfahren zu gewährleisten, muss das Gesetz
       am Dienstag auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt werden.
       
       Ob sich SPD, Grüne und FDP bis dahin einig sind, ist offen. Am Wochenende
       wurden die Verhandlungen über Änderungen zwischen den Koalitionspartnern
       fortgesetzt, bis Redaktionsschluss ohne Ergebnis. [3][Habeck hat bereits
       Kompromissbereitschaft signalisiert], etwa beim Start des Verbots für Gas-
       und Ölheizungen in neuen Gebäuden. Einem Spiegel-Bericht zufolge soll die
       SPD einen Vorschlag in die Verhandlungen eingebracht haben, nach dem
       Bestandsgebäude erst einmal außen vor bleiben und der Umstieg auf
       klimafreundliche Heizungen bis 2030 staatlich gefördert werden soll. Eine
       Sprecherin der SPD-Fraktion bestätigte das auf taz-Anfrage aber nicht.
       
       11 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
   DIR Anja Krüger
       
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