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       # taz.de -- Entwicklungszusammenarbeit mit Indien: Reines Wasser einschenken
       
       > Deutschland möchte Indien beim Wassermanagement unterstützen. Unterwegs
       > mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD).
       
       Delhi/Varanasi taz | Leben und Tod liegen an den sieben heiligen Flüssen
       Indiens nahe beieinander. Am Yamuna Ghat, in der Hauptstadt Neu-Delhi, wird
       einem Kleinkind der Kopf geschoren. Ein Ritual, das den Aufbruch in die
       Zukunft symbolisiert. Andere schwimmen hier im Yamuna, dem wichtigsten
       Nebenfluss des Ganges. Auch wenn das Wasser trüb aussieht und einen leicht
       unangenehmen Eigengeruch hat. Ein Bad kühlt bei heißen 40 Grad ab. Ein paar
       Kilometer flussabwärts feuerbestattet Priester Acharya Sompal Mahapatra die
       Leichen verstorbener Hindus am selben Flusslauf. Ihre Asche wird dann dem
       Strom übergeben, der sich bis über 600 Kilometer nach Allahabad schlängelt.
       
       Doch wie viel Badevergnügen, Abwasser und andere Fremdstoffe, etwa aus der
       Landwirtschaft, verträgt der Yamuna? Der Flussabschnitt, der durch die
       indische Hauptstadt führt, gehört zu den am stärksten verschmutzten des
       Landes. Wie am bekannteren Ganges soll es bereits zu einem Rückgang der
       Artenvielfalt gekommen sein. Auf verschiedenen Ebenen wird deshalb geplant,
       finanziert und gebaut, um den Fluss zu reinigen – auch mit Geldern und nach
       Vorbildern aus Deutschland und der EU.
       
       „Ich sehe Verbesserungen“, sagt die angereiste SPD-Politikerin Svenja
       Schulze, als sie lässig in Turnschuhen am Yamuna Ghat in Delhi steht. Auch
       wenn noch nicht alles umgesetzt sei. Die 54-Jährige verbindet ihren
       Delhi-Besuch mit dem Treffen der Entwicklungsminister:innen der
       wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, bekannt als G20, das am Montag
       in der Gangesstadt Varanasi stattfinden soll. Doch es ist nicht ihre erste
       Reise.
       
       2019 eröffnete sie in Delhi das [1][deutsch-indische Umweltforum] mit dem
       Schwerpunkt Klimaschutz. Diesmal kam sie in ihrer Funktion als
       Entwicklungsministerin mit einer Delegation am Wochenende vor dem
       G20-Treffen an. Der Fokus ist heute klarer definiert: Erneuerbare Energien,
       Agrarökologie und Entwicklungszusammenarbeit mit Drittstaaten stehen im
       Vordergrund. Vor gut einem Jahr unterzeichnete sie entsprechende Abkommen
       mit Indien. Bei all dem will sie den Klimaschutz mitdenken. Das macht sie
       auf ihrer Reise immer wieder deutlich.
       
       Etwas Positives aus der Situation möchte auch die indische Wasserexpertin
       Nupur Bahadur ableiten: „Das Thema Wasser rückt immer mehr in den
       Vordergrund“, sagt sie. Auch wenn die Wasserkampagne nicht mehr in aller
       Munde ist, gehe sie weiter. Wasser ist eines der großen Themen in Indien
       und macht regelmäßig Schlagzeilen. Vor allem, wenn es zu wenig, zu viel
       oder zu verschmutzt ist.
       
       Zur Verschmutzung wie am Yamuna-Fluss tragen vor allem ungeklärte oder
       unzureichend geklärte Abwässer bei. Ein Problem sei weiterhin, die genauen
       Quellen der Verschmutzung zu identifizieren, sagt Bahadur. Sie arbeitet am
       TERI-Kompetenzzentrum für Wasserwiederverwendung in Delhi.
       
       Die Wasserexpertin fordert zudem ein Umdenken: „Es ist an der Zeit,
       Abwasser nicht nur zu reinigen, sondern damit auch Geld zu verdienen“, sagt
       sie. Als Beispiel nennt sie die indische Stadt Surat, die mit der Reinigung
       [2][von Wasser hohe Beträge] erwirtschaftet. An ihrem Wasserzentrum wird
       auch erforscht, wie die Erkenntnisse aus der Reinigung des Ganges auf den
       Yamuna übertragen werden können. Eines der größten Wasserprojekte in Indien
       ist der Versuch, den 2.500 Kilometer langen Ganges zu reinigen. Es ist ein
       Mammutvorhaben mit vielen Anläufen.
       
       Seit 2016 unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale
       Zusammenarbeit (GIZ) das Vorzeigeprogramm der Modi-Regierung „Namami Gange“
       („Sauberer Ganges“). Sie berät bei der Verbesserung der Leistung von
       Kläranlagen im Norden Indiens sowie beim Management des
       [3][Einzugsgebiets]. Ein GIZ-Projekt, das ab Herbst in der dritten Phase
       weiterlaufen soll. „Unser Beitrag ist nicht nur ein finanzieller, sondern
       wir bringen Know-how in das Projekt ein, wie das gesamte Einzugsgebiet des
       Ganges wieder sauberer werden kann“, so Entwicklungsministerin Svenja
       Schulze.
       
       Indien sei zentraler Partner in Asien, war schon von Bundeskanzler Olaf
       Scholz (SPD) zu hören. Und die westliche Balz um Annäherung wird
       weitergehen. Dabei bedeutete Asien für viele lange Zeit vor allem China.
       Mit den wachsenden Spannungen westlicher Staaten gegenüber China und den
       Folgen des Ukrainekriegs hat sich die Position Indiens jedoch verändert.
       Das Interesse an dem Land wächst, trotz autoritärer Züge unter der
       Regierung von Narendra Modi und seiner hindunationalistischen
       Regierungspartei BJP.
       
       Aus Deutschland kam zuletzt neben Scholz und Außenministerin Baerbock auch
       Verteidigungsminister Boris Pistorius. Schulzes zweiter Indien-Besuch war
       zumindest in der Hauptstadt weniger laut als bei ihrem Parteikollegen
       Pistorius, den Vertreter aus der Wirtschaft begleiteten. Während seiner
       Reise wurde eine Absichtserklärung für ein U-Boot-Joint-Venture mit
       thyssenkrupp Marine Systems unterschrieben.
       
       Man fängt etwas scheinbar Kleines an, doch die Idee für ein internationales
       Plastikabkommen, daran arbeite nun ihre Nachfolgerin im
       Bundesumweltministerium Steffi Lemke weiter, so Schulze in Delhi. Dass die
       Reinigung des Ganges ein wichtiges Projekt ist, das steht für sie außer
       Frage. „Wenn wir es schaffen, hier zum Beispiel die Plastikabfälle zu
       reduzieren, dann hilft es den Weltmeeren.“ Das sei nicht nur gut für die
       Region, sondern für die ganze Welt. Sie unterstreicht damit Indiens Rolle:
       „Nur gemeinsam mit Indien können wir globale Probleme lösen“, so Schulze.
       Eine Schlussfolgerung, die sich wohl auch auf Armut und Klimaschutz
       übertragen lässt.
       
       Schulze wirbt für eine Reform der Weltbank: „Die Weltbank ist gegründet
       worden, um Armut zu bekämpfen und die Entwicklung der Staaten
       voranzubringen“, sagte die Entwicklungsministerin während ihres Besuchs.
       Man könne heute Armut nicht mehr bekämpfen, ohne zu berücksichtigen, was
       der Klimawandel bedeutet, betonte sie. Deutschland gehört nach den USA und
       Japan zu den größten Geldgebern. Sie hofft mit dem neuen
       indisch-amerikanischen Weltbankchef Ajay Banga auf Änderungen. Banga hatte
       erst kürzlich angekündigt, die Privatwirtschaft bei der Vergabe stärker
       einzubeziehen.
       
       Aktuell beläuft sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Indien
       jährlich auf etwa 1 Milliarde Euro, vor allem in Form von günstigen
       Krediten. Die Bundesregierung beziffert die Summe des BMZ mit Indien
       einschließlich nichtstaatlicher Mittel auf ungefähr 11 Milliarden Euro, 6
       Milliarden davon entfallen in den Energiesektor „für ein umwelt- und
       klimaschonenderes Wachstum“.
       
       Bei letzten Regierungskonsultationen wurde mit Indien eine Partnerschaft
       für erneuerbare Energien verhandelt sowie überwiegend günstige Kredite für
       eine Energiewende. Kein anderes Land erhält so viel Unterstützung aus
       Deutschland, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Dahinter steckt auch die Idee,
       Indien den Kohleausstieg zu erleichtern. Bisher war das Interesse an der
       „Just Energy Transition Partnership“ ([4][JETP]), die auf dem G20-Gipfel in
       Bali ins Leben gerufen wurde, aber geringer. Im Gegensatz dazu haben
       Südafrika, Indonesien und [5][Vietnam bereits zugesagt].
       
       Doch Indien pocht auf eine Energiewende nach eigenen Vorstellungen, die
       zunächst ohne einen Kohleausstieg auskommt. Nach Angaben des indischen
       Kohleministeriums ist die indische Kohleproduktion in den letzten fünf
       Jahren um rund 23 Prozent gestiegen. Gleichzeitig setzt das Land auf
       erneuerbare Energien sowie grünen Wasserstoff. Der Weg weg von der Kohle
       wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Allerdings hat sich die Regierung
       Modi bisher das ehrgeizige Ziel gesetzt, 500 Gigawatt nicht fossile Energie
       bis 2030 zu installieren. Und die wird Indien brauchen. Denn nicht nur die
       Bevölkerung wächst, sondern auch der Bedarf. Längst ist nicht jedes Dorf in
       Indien elektrifiziert – und selbst in Großstädten wie Delhi oder Varanasi
       sind kurzfristige Stromausfälle keine Seltenheit.
       
       Gleichzeitig ist in Indien ein selbstbewussteres, nationalistischeres
       Selbstverständnis herangewachsen, das die alten Armutsklischees hinter sich
       lassen will. Und das Vorreiter in Sachen Klimapolitik werden will. Wie bei
       der deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit liegt Indiens Schwerpunkt
       im Energiesektor. „Grüne Entwicklung ist eine der wichtigsten Prioritäten
       Indiens, sowohl innenpolitisch als auch auf der G20-Agenda“, sagt der
       Energieexperte Promit Mookherjee, der bei der Denkfabrik Observer Research
       Foundation (ORF) in Delhi zu Energiewende und Klimapolitik forscht.
       
       Schon bei den vierten Regierungskonsultationen 2017 wurde ein
       milliardenschwerer Entwicklungsetat unterzeichnet, doch nun wird auch
       Indien ernster genommen. Was im bevölkerungsreichsten Land funktioniere,
       könne auch in anderen Ländern eine Lösung sein, meint Ministerin Schulze
       und erklärt, dass sich die Idee hinter der Entwicklungszusammenarbeit
       verändert hat: „Wir arbeiten in einer Partnerschaft zusammen“, sagt sie.
       Bei den sogenannten Dreieckskooperationen entwickelten Länder gemeinsame
       Ideen und lernten dabei voneinander. Die Kosten davon trägen sowohl
       Deutschland als auch Indien.
       
       Ob die Zukunft mit elektrischer Einäscherungsanlage noch für den
       Hindu-Priester Acharya Sompal Mahapatra kommt, bleibt dahingestellt. „Seit
       über 50 Jahren führe ich Rituale und Gebetsdienste durch“, sagt er. Er
       leitet ein Krematorium am Rande Delhis. Von seinem Arbeitsplatz aus, dem
       Shamshan Ghat, schweift der Blick über den Strom zum benachbarten
       Bundesstaat Uttar Pradesh. Der Ort ist markant, zwei Hauptautobrücken
       überqueren den Fluss hier und führen den Hauptverkehr der Stadt in und aus
       dem Ballungsraum.
       
       Diese Flussübergänge waren schon oft auf Fotos zu sehen, wenn dort die
       Chhath-Zeremonie stattfand. Bei diesem hinduistischen Fest stehen Frauen
       knietief im Wasser und beten zum Sonnengott Surya und seiner Gemahlin
       Chhathi Maiya. Früher badeten die Menschen auch in diesem Teil des Flusses,
       doch im Laufe der Jahre verschlechterte sich die Wasserqualität so sehr,
       dass der Yamuna bekannt geworden ist für den weißen, giftigen Schaum. „Das
       Wasser hier ist schmutzig“, sagt auch Hindu-Priester Sompal. Der Druck auf
       die Regierung wuchs. Im November vergangenen Jahres wurde die Zeremonie
       [6][im Yamuna verboten]. Je weiter man sich dem Fluss Richtung Stadtrand
       nähert, desto stärker wird der Geruch. Es sind zu viele Abwässer, die aus
       der Hauptstadt in den Fluss fließen.
       
       Unweit vom Shamshan Ghat wird deshalb eine neue Super-Kläranlage gebaut,
       die zudem Biogas produzieren und Strom erzeugen soll. Mit einer
       Reinigungsleistung von 564 Millionen Litern pro Tag soll sie [7][die größte
       Asiens] werden. Die Betonstrukturen von Klärbecken und riesigen Rohren sind
       bereits zu erkennen. Teil des Projekts sind künstliche Seen, die das
       Grundwasser wieder auffüllen sollen. Gerade liegt durch die Bauarbeiten
       besonders viel Staub in der Luft.
       
       Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das von der Erfahrung der japanischen
       Entwicklungsagentur JICA profitierten soll und zudem von der Weltbank im
       Rahmen eines Ganges-Projektes unterstützt wird. „Der Ganges ist Indiens
       wichtigste kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Ressource“,
       unterstreicht Sameer Kumar Khare aus dem indischen Finanzministerium. Im
       Einzugsgebiet, das vom Himalaja bis zum Golf von Bengalen reicht, leben
       immerhin über eine halbe Milliarde Menschen, die darauf warten, dass sich
       die Gewässer wieder erholen.
       
       ## Strom aus Photovoltaikanlagen
       
       Ein weiterer Stopp bei Svenja Schulzes Reise: das Stadtviertel Hauz Khas in
       Delhi. Hier sorgt ein Solarprojekt dafür, dass es in der Umgebung weniger
       Stromausfälle gibt. Zu Stoßzeiten, wenn zum Beispiel alle gleichzeitig die
       Klimaanlage einschalten, hält das Netz nicht immer mit, erklärt ein
       Projektmitarbeiter der GIZ. Dann kommt es zu Stromausfällen für alle
       Haushalte, die nicht an einen Dieselgenerator angeschlossen sind.
       
       Als Notstromversorgung sind Generatoren in vielen Entwicklungsländern noch
       unverzichtbar. Im Süden der Hauptstadt wird in einem Pilotprojekt eine
       Alternative erprobt: Strom aus Photovoltaikanlagen, der nicht sofort ins
       Netz eingespeist, sondern in Batterien gespeichert und dann abgegeben wird,
       wenn der lokale Strombedarf besonders hoch ist.
       
       Das Wasser, das gebraucht wird, um die Anlagen von Staub zu befreien, wird
       auch noch zur Bewässerung kleiner Gemüsebeete verwendet. „Was ich
       faszinierend finde, ist, dass wir zum Beispiel anstoßen, wie man Solar- und
       Batterieelektrik so zusammenbringt, dass dann das Stromnetz stabilisiert
       wird“, sagt Schulze. Das Konzept sei so erfolgreich, dass es nachgebaut
       wird. Entwicklungsministerin Schulze erlebte bei ihrem Besuch auf dem
       Subkontinent ein Land, das sich vom Klischee der Armut lösen will. Durch
       seine Ambitionen bei erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff will
       Indien dabei als fortschrittliches Land auftreten.
       
       Deutschland hat es zwar als Partner an seiner Seite. Doch Indien ist nicht
       nur an Kleinprojekten und Krediten interessiert, sondern auch an
       Investitionen. „Die von Deutschland zugesagten Mittel werden nur dann eine
       große Wirkung entfalten, wenn es gelingt, größere private
       Kapitalinvestitionen anzustoßen“, betont Energieexperte Mookherjee. Von
       Pilotprojekten bis zu großen Kläranlagen, es sind viele Bemühungen, die den
       Herausforderungen an Wasser- und Stromversorgung mit einem kleineren
       ökologischen Fußabdruck gerecht werden wollen. Und es wird noch viele
       solcher Initiativen brauchen.
       
       12 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.retech-germany.net/meldungen/drittes-deutsch-indisches-umweltforum
   DIR [2] https://www.retech-germany.net/meldungen/drittes-deutsch-indisches-umweltforum
   DIR [3] https://www.giz.de/de/weltweit/119600.html
   DIR [4] https://www.bmz.de/resource/blob/132878/bmz-jahresbilanz-2022-final.pdf
   DIR [5] https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/energiewende-partnerschaft-mit-vietnam-135468
   DIR [6] https://indianexpress.com/article/cities/delhi/chhath-ban-yamuna-banks-pollution-manoj-tiwari-7612305/
   DIR [7] https://www.google.com/url?q=https%3A//pib.gov.in/PressReleaseIframePage.aspx?PRID%3D1813994&sa=D&source=docs&ust=1686500223883878&usg=AOvVaw3PY4-2SsxsnSWWFJIUw7n4
       
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