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       # taz.de -- Nyege Nyege im Festsaal Kreuzberg: Vom Nil an die Spree
       
       > Rasant, punkig, experimentell: Das Afropollination-Projekt begann in
       > Uganda und bringt jetzt Musiker:innen aus Afrika und Deutschland nach
       > Berlin.
       
   IMG Bild: Binghi und Astan KA beim Proben auf der MS Stubnitz
       
       BERLIN taz | Wer im vergangenen September aus dem fernen Berlin [1][zu
       Nyege Nyege an den Ufern des Nils] nach Uganda gereist war, dachte vorab,
       das legendäre Festival sei so etwas wie die [2][Fusion] Afrikas. Das erwies
       sich zumindest als nicht ganz richtig, zu (kulturell) unterschiedlich sind
       beide Veranstaltungen, Nyege Nyege ist etwa auch auf die Unterstützung von
       Sponsoren angewiesen.
       
       Aber musikalisch war das Festival an den Itanda Falls in Uganda zweifellos
       eine Offenbarung, was die elektronische Undergroundszene Afrikas betrifft.
       Dazu trugen auch die Gäste des [3][„Afropollination“]-Projekts nicht
       unerheblich bei; ein Projekt der Berliner Agentur Piranha Arts und
       [4][Nyege Nyege aus Kampala,] das Künstler:innen verschiedener
       Disziplinen, vor allem Produzent:innen und Musiker:innen, aus Afrika
       und Deutschland zusammenbrachte – darunter [5][Astan KA].
       
       Die 30-jährige, seit zehn Jahren in Berlin lebende franco-malische Sängerin
       und Performerin sagt, sie möge auch Afropop, aber ihre Identität sei durch
       Afropunk geprägt, der experimenteller sei, „edgier“.
       
       In der Villa des Nyege Nyege Tapes-Labels in Ugandas Hauptstadt Kampala –
       bis vor Kurzem war sie noch ein sicherer Ort für die [6][queere Szene der
       Stadt] – waren die Afropollination-Mitwirkenden für ihre Residencies
       untergebracht. Das war der Grundstein für eine Vielzahl von Kooperationen,
       die im Januar auf der [7][„MS Stubnitz“] in Hamburg fortgesetzt wurden –
       und obwohl es da ziemlich kühl war, schwärmen alle vom Aufenthalt in der
       Hansestadt (was auch der Gastfreundschaft von Felix Stockmar, dem Betreiber
       des Musikschiffs, geschuldet ist).
       
       ## Schlusspunkt in Kreuzberg
       
       Nach Konzerten in Dortmund (ausgerichtet von Cosmo/WDR) und auf der MS
       Stubnitz steht jetzt der feierliche Abschluss von Afropollination an –
       [8][ein Wochenende im Festsaal Kreuzberg] direkt neben der Spree, wo alle
       Beteiligten endlich einem größeren Publikum vorführen können, was sie im
       Laufe der Monate erarbeitet haben. Auch Astan KA freut sich schon darauf.
       Sie ist wohl eine der am besten geeigneten Personen, um zu beschreiben,
       worum es bei dem Austauschprojekt geht: um gegenseitige Befruchtung,
       Begegnung auf Augenhöhe.
       
       Astan KAs Vater kommt aus einem kleinen Dorf im Elsass und ist Christ, ihre
       Mutter eine Muslima aus Mali. Das Leben zwischen den Welten empfindet Astan
       als eine Bereicherung und nennt sich ein „Kind der Versöhnung“. Während sie
       in Berlin viele traumatisierte Afrodeutsche getroffen habe, die ihre
       Wurzeln verleugnen, ermöglichten es ihr die Eltern, beide Seiten ihrer
       Herkunft als gleichberechtigt anzuerkennen.
       
       Sie sagt, dass sie privilegiert aufgewachsen sei – davon will Astan KA der
       Heimat ihrer Mutter etwas zurückgeben. „Ich denke, Afrika braucht die
       Diaspora.“ Bei Afropollination wurde ihr die [9][ruandische
       Singer/Songwriterin Binghi als Partnerin zugeteilt] – ein „perfect match“
       sei das gewesen, sagt Astan KA. Sie nennt ihre Musik spaßeshalber „Gangsta
       Jazz“. Und der sei genauso „futuristic“ wie „anchestral“. Auch Astans
       Partner [10][Exocé] ist als Performer und Tänzer an Afropollination
       beteiligt.
       
       Freuen kann man sich im Festsaal Kreuzberg ebenfalls auf den
       Heavy-Bass-Sound von [11][Chrisman], der inzwischen die Nyege Nyege-Studios
       leitet, und auf [12][DJ Mp3], der den neusten Gqom aus Durban am Indischen
       Ozean im Gepäck hat. Zwar ist der luftige [13][Ampiano-House] in Südafrika
       die Musik der Stunde, doch der düstere Gqom ist es allemal wert,
       international mehr Beachtung zu finden.
       
       ## Der Sound der Armenviertel
       
       Die vielleicht heißeste Musik kommt aus Tansania: [14][Singeli], der Sound
       der Armenviertel Daressalams. Vom traditionellen Taarab beeinflusste, auf
       Suaheli gesungene Songs (wenn sie überhaupt Vocals haben), die trashige
       Synthie-Loops und Soukous-Samples auf ungeahnte Geschwindigkeiten treiben –
       Beats mit über 200 bpm sind hier ebenso die Regel wie eine
       Cyberpunk-Ästhetik, bei der viele MCs Namen von Antivirus-Software tragen.
       Singeli sei die „womöglich räudigste, lauteste und schnellste aller
       afrikanischen Dancehall-Varianten“, [15][schreibt] der Journalist Jonathan
       Fischer.
       
       Nach Berlin kommen mit [16][Sisso und Maiko] zwei Pioniere des Genres.
       Sisso hatte 2017 mit seinem bei Nyege Nyege Tapes als Kassette
       veröffentlichten Album „Sounds of Sisso“ den Singeli erstmals über Tansania
       hinaus ins Gespräch gebracht.
       
       Ein Highlight dürfte auch der Auftritt von [17][DJ Diaki (Mali) und Jay
       Mitta (Tansania)] werden. Schon zu Jahresanfang haben sie beim
       [18][CTM-Festival] zusammen mit der Wahlberliner Produzentin Zoë Mc Pherson
       das Berghain gerockt. Zu Beginn gab es da zwar einen Moment der
       Überraschung, bis das Publikum begriff, dass es den rasanten
       digitalisierten Balafon-Kaskaden von Diaki im Mix mit dem ähnlich schnellen
       Singeli von Jay Mitta und der elektronischen Unterfütterung durch Zoë nur
       angemessen begegnen kann, indem mensch seinen Körper in Bewegung versetzt,
       sich schüttelt und bis zum letzten Trommelschlag nicht mehr damit aufhört.
       
       Wer am Samstag und Sonntag in den Festsaal Kreuzberg kommt, sollte darauf
       vorbereitet sein. Es werde „insane“ werden, frohlockt Astan KA. Wer das
       verpasst, ist selber schuld.
       
       15 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Musikfestival-Nyege-Nyege-in-Uganda/!5881416
   DIR [2] /Fusion-Festival-in-Laerz/!5603969
   DIR [3] https://www.facebook.com/afropollination/
   DIR [4] /Album-von-ugandischer-Rapperin-MC-Yallah/!5929687
   DIR [5] https://pan-african-music.com/pam-meets-astan-ka/
   DIR [6] /LGBTQI-feindliches-Gesetz-in-Uganda/!5934947
   DIR [7] https://www.stubnitz.com/
   DIR [8] https://www.festsaal.shop/events/13-afropollination
   DIR [9] https://www.youtube.com/watch?v=QwPItiXEoIg&list=PLASR8Pmb6GpMLYlEAySMVrSiu3u0-H8OQ&index=4
   DIR [10] https://www.youtube.com/watch?v=FChtuDGHj9g&list=PLASR8Pmb6GpMLYlEAySMVrSiu3u0-H8OQ&index=8
   DIR [11] https://www.youtube.com/watch?v=Pa0PI2EJ78s&list=PLASR8Pmb6GpMLYlEAySMVrSiu3u0-H8OQ&index=6
   DIR [12] https://djmp35.bandcamp.com/
   DIR [13] /Amapiano-Boom/!5917256
   DIR [14] https://www.youtube.com/watch?v=1vqwMFM1Z_U
   DIR [15] https://www.welt.de/kultur/pop/article245223004/Singeli-Music-Die-schnellste-und-schmutzigste-Musik-der-Welt.html
   DIR [16] https://www.youtube.com/watch?v=l8hpYbqKAvo&list=PLASR8Pmb6GpMLYlEAySMVrSiu3u0-H8OQ&index=7&t=197s
   DIR [17] https://www.youtube.com/watch?v=zbTKbtOBHu8&list=PLASR8Pmb6GpMLYlEAySMVrSiu3u0-H8OQ&index=1
   DIR [18] /Kurator-ueber-Musikfestival-CTM-in-Berlin/!5911526
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ole Schulz
       
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