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       # taz.de -- Lateinamerika-Gipfel in Brasilien: Lula lädt zum Händchenhalten
       
       > Südamerikanisches Gipfeltreffen in Brasilien: Soll die Unasur neu belebt
       > werden? Venezuela darf wieder mitmachen, bekommt aber Kritik zu hören.
       
   IMG Bild: Zwölf Männer, zwölf Fahnen – geht so Integration?
       
       Buenos Aires taz | Am Dienstag hatte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula
       da Silva seine südamerikanischen Amtskollegen in die Hauptstadt Brasília
       eingeladen. Ziel der Zusammenkunft war es, wieder Schwung in die
       südamerikanische Integration zu bringen. Und da die Eingeladenen zugleich
       die Staatsoberhäupter der Mitgliedsländer der Union Südamerikanischer
       Nationen (Unasur) waren, wurde heftig über deren Wiederbelebung spekuliert.
       
       Die Unasur war 2008 auf Betreiben der linksprogressiven Leader der Region
       gegründet worden. Das damalige Dreigestirn [1][Hugo Chávez] aus Venezuela,
       [2][Néstor Kirchner] aus Argentinien sowie Lula da Silva aus Brasilien war
       die treibende Kraft für die Gründung der Staatengemeinschaft, der
       Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien,
       Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela beitraten.
       
       Tatsächlich hatten sich die zwölf Staatschefs nach mehr als zehn Jahren
       erstmals wieder gemeinsam versammelt, darunter auch Venezuelas Staatschef
       Nicolás Maduro. Das Gruppenbild blieb jedoch ohne Dame. Perus Präsidentin
       [3][Dina Boluarte] wurde durch deren Premierminister vertreten. Mangels
       einer gemeinsamen Abschlusserklärung endete das Treffen mit unverbindlichen
       Appellen zur Integration, zur Vertiefung der Handelsbeziehungen sowie zur
       Schaffung einer gemeinsamen Währung. Lula schlug vor, innerhalb von 120
       Tagen eine „hochrangige Gruppe“ zu bilden, die sich aus Vertretern der
       Präsidenten zusammensetzen soll.
       
       So scheint das einzig greifbare Ergebnis die Rückkehr Maduros in die
       regionale Präsidentenriege zu sein. Noch im Januar hatte der Venezolaner
       seine Teilnahme am [4][Celac-Gipfeltreffen] in Buenos Aires im letzten
       Moment absagen müssen, da die argentinische Regierung seine Festnahme nicht
       ausschließen konnte.
       
       ## Klare Kritik an Venezuelas Regierung
       
       „Es ist der Beginn von Maduros Rückkehr“, hatte Lula tags zuvor in dessen
       Beisein verkündet. „Aufgrund politischer Unwägbarkeiten und
       Missverständnisse ist Präsident Maduro acht Jahre lang nicht nach Brasilien
       gekommen“, so Lula. Als offensichtliche Gegenleistung mahnte er die
       Abhaltung freier Wahlen in Venezuela an, die für 2024 geplant sind. „Es
       liegt in Ihren Händen, dass Venezuela seine eigene Geschichte schreibt und
       zu einem souveränen Land zurückkehrt, in dem nur das Volk durch eine freie
       Wahl bestimmt, wer regieren soll“, sagte Lula.
       
       Dass aus einer Wiederbelebung des Unasur vorerst nichts wird, machte
       Uruguays rechtsliberaler Präsident [5][Luis Lacalle Pou] deutlich. „Wir
       müssen damit aufhören, ständig Organisationen zu gründen, und stattdessen
       endlich zu Taten kommen“, sagte Lacalle Pou und zählte die bestehenden
       multi- und bilateralen Zusammenschlüsse auf wie etwa den [6][Mercosur], in
       dem die Integration seit Jahren hakt, oder die [7][Celac, Gemeinschaft der
       Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten], die keinerlei
       Entscheidungsbefugnis hat.
       
       Klare Worte auch in Richtung Venezuela. „Ich war überrascht zu hören, dass
       das, was in Venezuela passiert ist, nur ein Narrativ sein soll.“
       Schließlich gehe es um eine vollständige Demokratie, die Achtung der
       Menschenrechte und darum, dass es keine politischen Gefangenen gebe.
       Ähnlich äußerte sich Chiles linker Präsident [8][Gabriel Boric]. „Die
       Menschenrechtsverletzungen in Venezuela sind kein erzählerisches Konstrukt,
       sie sind real, und ich hatte die Gelegenheit, sie zu sehen“, so Boric.
       
       Zweifellos findet dies alles mit dem Einverständnis der US-Regierung statt.
       Lula war im Februar nach Washington gereist, hatte mit US-Präsident Joe
       Biden über den Umgang mit Venezuela gesprochen und war quasi mit dem
       Auftrag zurückgekehrt, Brücken zur isolierten Regierung in Caracas zu
       bauen. Vor allem zwei Ereignisse haben die Sicht der US-Regierung auf ihre
       südlichen Nachbarn verändert: Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika
       und die durch den Ukrainekrieg ausgelöste Öl- und Gaskrise.
       
       Die 2006 gegen Venezuela verhängten US-Sanktionen, darunter das Verbot des
       Zugangs zum US-Finanzsystem, das Einfrieren von Bankkonten und anderen
       Vermögenswerten von Regierungsmitgliedern sowie die Blockade der Ölexporte
       der staatlichen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela (PDVSA), werden
       inzwischen langsam gelockert. Zuletzt am vergangenen Dienstag, als die
       US-Regierung Finanztransaktionen von vier US-Unternehmen mit der
       staatlichen PDVSA genehmigte.
       
       Um dem Einfluss Chinas entgegenzuwirken, touren schon seit geraumer Zeit
       hochranginge US-Militärs regelmäßig durch die Region. Nach Angaben der
       brasilianischen Tageszeitung Estado de São Paulo wurden erst kürzlich
       „Hunderte von Vereinbarungen“ zwischen den US-amerikanischen und
       brasilianischen Streitkräften geschlossen, die einen „bilateralen
       Personalaustausch, gemeinsame Übungen und andere professionelle
       militärische Aktivitäten“ vorsehen.
       
       31 May 2023
       
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   DIR Jürgen Vogt
       
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