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       # taz.de -- EU-Abgeordnete über Naturschutz: „Wolf und Weidetiere erhalten“
       
       > Naturschutz gelinge nicht mit Konzepten und Papieren. Stattdessen brauche
       > es Pragmatismus und Engagement, sagt Maria Noichl vom Verband für
       > Landschaftspflege.
       
   IMG Bild: Der Wolf ist eine geschützte Tierart
       
       Frau Noichl, an diesem Mittwoch gründet sich der europäische Dachverband
       der Landschaftspflege namens Landcare Europe. Im deutschen Mitgliedsverein,
       dem [1][Deutschen Verband für Landschaftspflege] (DVL), sitzen sowohl
       Vertreter der Bauern- als auch der Naturschutzverbände. Zum Beispiel beim
       Thema Wolf vertreten beide völlig gegensätzliche Positionen. Wie arbeiten
       sie im DVL zusammen? 
       
       Maria Noichl: Mit Respekt. Wir arbeiten in dem Bewusstsein, dass beide
       Seiten berechtigte Standpunkte haben. Der Naturschutz beharrt zu Recht
       darauf, dass der [2][Wolf eine geschützte Tierart] ist. Und für
       Landwirtinnen und Landwirte, die Weidehaltung betreiben, ist der Wolf eine
       Bedrohung. Beide Seiten vertreten Positionen, die wahr und echt sind. Der
       DVL hat es geschafft, einen Grundkonsens zu erstellen, darauf bin ich
       stolz.
       
       Wieso? 
       
       Es geht darum, die geschützte Tierart in Deutschland zu halten,
       gleichzeitig mit Rindern, Schafen und Ziegen in der Weidehaltung. Sie hält
       die Landschaft offen, und sie ist wichtig für Biodiversität und Tierwohl.
       Viele Weidetierhalter hatten es schon bislang schwer, kommt der Wolf hinzu,
       wird es existenzgefährdend. Wir müssen also ihre Lage generell verbessern,
       und wir brauchen mehr Herdenschutz. Wir wollen die Beratung stärken, mehr
       finanzielle Unterstützung.
       
       Naturschutz in Deutschland läuft oft schlecht. Sehen wir da einen
       Machtkampf mit der Landwirtschaft, in dem der Naturschutz den Kürzeren
       zieht? 
       
       Die ständigen Anklagen der Naturschützer nützen gar nichts. Es gibt
       Probleme beim Schutz der Insekten, des Wassers, der Vögel, und ich
       verstehe, dass sich da auch Wut aufstaut. Aber Wut ist kein guter Ratgeber.
       Es braucht Geschick, um Win-Win-Situationen zu erkennen. Die gibt es dann,
       wenn Landwirtinnen und Landwirte mit Tätigkeiten für den Naturschutz
       Einkommen generieren.
       
       Die EU fährt aber seit Jahren eine ganz andere Subventionspolitik, sie
       belohnt Höfe mit viel Fläche, nicht nachhaltiges Wirtschaften… 
       
       Stimmt. Im EU-Parlament stehen sich Agrar- und Umweltausschuss
       unversöhnlich gegenüber, das ist fast kindisch, wie dort Gegensätze
       aufgemacht werden. Ich selbst bin eine klare Gegnerin der Flächenförderung,
       wir müssen punktgenau nachhaltiges Wirtschaften fördern. Der DVL hat mit
       der Gemeinwohlprämie einen praxistauglichen Vorschlag unterbreitet.
       
       Es geht aber in die andere Richtung, das Naturwiederherstellungsgesetz ist
       erst einmal gescheitert, Frankreichs Premierminister Macron hat gefordert,
       [3][die EU brauche eine Pause in der Umweltpolitik] … 
       
       Damit nimmt Macron quasi eine Täter-Opfer-Umkehr vor. Die Landwirte leiden
       nicht unter Umweltgesetzen, sondern unter Unwettern, Dürre,
       Biodiversitätsverlusten – die bedrohen die Landwirtschaft. Es ist sehr
       ungeschickt, so zu tun, als würde eine Gesetzespause irgendeinem Landwirt
       ebenfalls eine Pause bei der Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften
       ermöglichen. Darum bedaure ich auch die Attacken aus den konservativen und
       rechten Fraktionen des EU-Parlaments gegen das EU-Renaturierungsgesetz. Wir
       brauchen das, und die Landwirte brauchen es auch.
       
       Vielleicht braucht Europa wirklich weniger Regeln und mehr Anstrengung, die
       bestehenden umzusetzen? 
       
       Das ist doch kein Gegensatz. Wir haben in Europa im Bereich Umwelt jetzt
       sieben wichtige Strategien, die wir politisch umsetzen und vor Ort mit
       Leben füllen müssen: Die Strategien zum Schutz der Biodiversität, des
       Bodens, der Landwirtschaft und zur Klimaanpassung, die gemeinsame
       Agrarpolitik, die Wasserrahmenrichtlinie und den Green Deal. Die
       europäischen Landschaftspflegerinnen und Landschaftspfleger sind für die
       letzten 100 Meter Strecke dieser Vorhaben verantwortlich, wir setzen sie
       tatsächlich um. Papiere und Projekte versauern gerne in Schubladen, weil
       vor Ort die personelle Kraft und die Finanzen fehlen, um sie umzusetzen. Da
       müssen wir hinein investieren!
       
       7 Jun 2023
       
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