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       # taz.de -- Überraschender Protest in Südchina: Die mutigen Muslime von Najiaying
       
       > In der Provinz Yunnan wehren sich in einem Dorf Muslime gegen Peking.
       > Ihre Moschee soll brachial zwangsrenoviert werden.
       
   IMG Bild: Muslime beim Gebet in China. In der südlichen Provinz Yunnan wehren sich Hui Muslime gegen den Abriss der Najiaying-Moschee
       
       Peking taz | Nur wenige Stunden, nachdem die Gläubigen nach ihrem
       Morgengebet die Najiaying-Moschee verließen, rückten die Bulldozer an,
       bewacht von mehreren Hundert Sicherheitskräften, die sofort den Eingang zum
       Gebetshaus absperrten und die Fassade einrüsteten.
       
       Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee zeigte vor der Moschee Präsenz.
       Der Auftrag: Die Moschee in der südlichen Provinz Yunnan zu „säubern“: Alle
       vier Minarette und die Eingangskuppel sollten entfernt werden.
       
       Schon im Frühjahr 2016 hatte Staatschef Xi Jinping eine landesweite
       Kampagne zur [1][„Sinisierung der Religionen“] initiiert. Sie zielte vor
       allem auf den Islam ab. In vielen Provinzen wurden Moscheen entweder
       vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört.
       
       Stets wurde dabei arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische
       Elemente ersetzt. Das ist aber nur der äußerlich sichtbare Teil einer
       systematischen Umerziehung der Muslime, um potenziellen Extremismus im Keim
       zu ersticken und sozialistische Werte einzubläuen.
       
       ## Frauen lösen bei Menschenkette ihre Männer ab
       
       Erstaunlich ist der energische Protest der Bewohner von Najiaying vom
       letzten Wochenende. Zunächst rissen einige die Bauzäune nieder. Andere
       warfen schließlich Gegenstände auf die Polizei, die offensichtlich
       überrascht und überfordert den Innenhof der Moschee verließ.
       
       Die Dorfbewohner formierten sich schließlich zu einer großen Menschenkette.
       Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich
       ebenfalls laut den Sicherheitskräfte entgegenstellten und ihre
       Najiaying-Moschee beschützten.
       
       Sie hat in der Region einen Sonderstatus. Denn in ihrer Gebetsschule werden
       viele Imame in Yunnan ausgebildet. Hier dürften auch keine Extremisten
       herangezüchtet worden sein, denn Najiayings Muslime gehören zur
       Hui-Minderheit, die als weitgehend assimiliert gilt.
       
       Doch die immer repressivere Politik unter Xi hat in den letzten Jahren
       tatsächlich zu stillem Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen
       Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, erzählt mit Bitte um
       Anonymität: „Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in
       den Islam zurückgezogen.“
       
       ## Kontraproduktive Wirkung der offiziellen Politik
       
       Offen würde man in der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn
       sei es klar: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn
       fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität.
       Hinzu kämen Gängelungen, Vorschriften und Verbote.
       
       Auch in Najiaying scheint die völlig überzogene Reaktion der Staatsmacht
       das Problem, das sie eigentlich beheben möchte, erst kreiert zu haben.
       Dabei erteilte die Zentralregierung in Peking lediglich eine vage Order,
       Moscheen „chinesischer“ zu gestalten. Die Umsetzung überlasst man den
       Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten keinen Ärger zu
       bereiten.
       
       In Najiaying formten sie ein Sonderteam, um die Dorfbewohner von den
       Renovationen ideologisch zu „überzeugen“. Doch wer dazu nicht schriftlich
       sein Einverständnis erklärte, dem drohten Gehaltskürzungen.
       
       Auf die Proteste reagierte die Regierung dann mit einer von Drohnen
       überwachten Ausgangssperre, gekappten Internet- und Telefonverbindungen und
       Militärcheckpoints. Laut Zeugenaussagen wurden auch Dutzende Demonstranten
       verhaftet. Solche Informationen konnten nur unter höchster Gefahr an die
       Außenwelt gelangen. Denn Kontakte etwa zu Korrespondenten waren verboten.
       
       ## Das Schicksal der Uiguren schreckt ab
       
       Die Angst der Muslime von Najiaying hat auch damit zu tun, dass sie sehr
       genau um die [2][Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang] Bescheid
       wissen: Dort wurden zunächst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdboden
       gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren
       [3][Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager] steckte.
       
       In Najiaying befürchtet man nun ebenfalls, dass die Abrissbirnen nur die
       ersten Vorboten für das sind, was in Zukunft noch folgen könnte.
       
       3 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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