URI: 
       # taz.de -- Radverkehr in Berlin: „Zeigen, dass wir viele sind“
       
       > Am Sonntag findet die traditionelle Sternfahrt des ADFC statt. Es ist
       > auch die erste große Aktion des neuen Berliner Vorstands. Was sind seine
       > Ziele?
       
   IMG Bild: Der ADFC-Berlin will mit der Sternfahrt am Sonntag für Veränderungen auf der Bundesebene eintreten
       
       taz: Herr Brodhage, in welche Richtung soll der Berliner ADFC mit Ihnen als
       neuer Vorstand zukünftig radeln? 
       
       Eberhard Brodhage: Wir haben zwei wichtige Themen: Einmal die Radpolitik in
       der Stadt. Da wollen wir unsere Arbeit aus 40 Jahren – dieses Jahr ist
       Jubiläum – fortsetzten, uns aber auch an die neuen politischen
       Konstellationen in Berlin anpassen.
       
       Und die andere? 
       
       Das zweite Thema – dafür steht auch meine Mitvorsitzende Hannelore Lingen:
       Das Fahrrad soll Spaß machen. Da geht es vor allem um unsere Radtouren, zum
       Beispiel auf dem Mauerweg oder Richtung Brandenburg. Das Fahrrad ist also
       nicht nur ein umweltfreundliches Verkehrsmittel in der Stadt, sondern auch
       Spaßfaktor.
       
       Wie bewerten Sie aus Sicht der Radler*innen die Stadt Berlin? 
       
       In den letzten Jahren ist da ein zartes Pflänzlein gewachsen. Es ist schön
       zu sehen, wie – je nach Bezirk unterschiedlich gut – geschützte Radwege und
       Abstellplätze entstanden sind. Es ist einiges geschehen, aber es ist noch
       nicht genug. Von 2.350 Kilometern, die bis 2030 vorgesehen, sind bisher nur
       knapp 5 Prozent umgesetzt. Und auch vom Ziel „Vision Zero“ – also, dass es
       keine getöteten Radfahrer mehr im Berliner Straßenverkehr gibt – sind wir
       weit entfernt.
       
       Die neue Regierung im Roten Rathaus hat wegen ihrer [1][Verkehrspolitik
       bereits mehrfach Kritik abbekommen]. Wie finden Sie die schwarz-rote
       Landesregierung? 
       
       Da sind bisher ein paar Gesprächsangebote erkennbar. Frau Schreiner, die
       neue Verkehrssenatorin, ist uns zum Beispiel auf der Velo-Fahrradmesse
       entgegengekommen und hat das Gespräch gesucht. Auf der anderen Seite gibt
       es auch Nachrichten, die eher an das Erinnern, was Kai Wegner im Wahlkampf
       als „Schutzpatron der Autofahrer“ plakatiert hat. In Berlin wird ein ganz
       wesentlicher Teil der Mobilität auf dem Rad fortgelegt, gleichzeitig fehlen
       geschützte Radstreifen. Es braucht in der Koalition die Erkenntnis, dass
       eine Neuverteilung im Verkehr erfolgen muss und wir hoffen, dass wir dazu
       einen Dialog aufbauen können. Immerhin muss in knapp sieben Jahren der
       Radverkehrsplan vollständig umgesetzt sein.
       
       Bei welchem Ziel könnte es mit der neuen Koalition denn am schwersten
       werden? 
       
       Was da bisher an Anzeichen gekommen ist, will ich jetzt nicht bewerten.
       Unser neuer Vorstand ist selber erst seit knapp sechs Wochen im Amt. Wir
       sind das erste Mal paritätisch besetzt und haben unsere Aufgabenstellung
       und Fokussierung neu festgelegt. Ich würde also auch unserer Regierung die
       angemessenen 100 Tage Schonfrist zugestehen.
       
       Am Sonntag [2][findet die Sternfahrt] unter dem Motto „Mehr Recht fürs Rad
       – Viva la RADvolution“ statt. Welche Revolution soll da stattfinden? 
       
       Die Sternfahrt ist immer ein super Erlebnis, bei dem Klein und Groß
       zusammen radeln. RADvolution ist die bundesweite Kampagne des ADFC. Wir
       geben dieses Jahr zusammen mit dem Bundesverband in Berlin den großen
       Aufschlag für die Kampagne. Die RADvolution ist aber kein Ereignis am 4.
       Juni, sondern hat langfristig das Ziel, das Straßenverkehrsrecht zu ändern.
       Mehrer Kommunen fordern ja, dass sie selbst Tempo 30-Zonen einrichten zu
       können. Noch muss da das Bundesverkehrsministerium zustimmen.
       
       Das ist ja eine Forderung für die Bundesebene. Wieso schließen Sie sich da
       als Landesverband an? 
       
       Wir unterstützen diese Forderung, weil auch Berlin nicht die freie Hand
       hat, den eigenen Verkehr zu ordnen. Mit den unterschiedlichen
       Zuständigkeiten für Bundes-, Landes- und Bezirksstraßen geht da kaum etwas
       voran. Die RADvolution ist eine friedliche Revolution, das sei noch gesagt.
       Wir Radfahrenden brauchen nur ein Zwölftel der Fläche eines SUV, in dem oft
       auch nur ein einzelner Mensch drin sitzt. Radfahrende gehen bei der
       geballten Automasse im Verkehrsbild unter. Wir wollen am Sonntag zeigen,
       dass wir viele sind.
       
       Sie haben sich zum Ziel gesetzt vor allem junge Leute in den Verein zu
       hohlen. Wie soll das gelingen? 
       
       Ich glaube, dass unsere aktuellen Angebote für junge Menschen vielleicht
       nicht ganz so attraktiv sind. Da müssen wir andere Angebote schaffen. Im
       ADFC Berlin kann man schon ab 14 Jahren mit abstimmen. Das ist mir – obwohl
       ich schon älter bin – ganz wichtig. Die Planung einer Radverkehrsanlage zum
       Beispiel ist jetzt aber nicht unbedingt der größte Spaßfaktor. Junge
       Menschen – ich nehme jetzt ganz bewusst das breite Spektrum von 14 bis
       Mitte 20 – sollen eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben.
       
       Wie soll das praktisch aussehen? 
       
       Der Vorstand, der ja leider etwas älter ist, sollte – praktisch als Patron
       – Möglichkeiten schaffen. Wir freuen uns über jedes zahlende Mitglied, das
       uns hilft, unsere Lobbyarbeit zu finanzieren. Wir freuen uns aber noch mehr
       über Mitglieder, die uns aktiv bei unseren vielen Demos und Aktionen in den
       Bezirksverbänden oder Arbeitsgemeinschaften unterstützten. Gerade auch
       junge Menschen.
       
       2 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Friedrichstrasse-nicht-mehr-autofrei/!5933351
   DIR [2] /Rad-Sternfahrt-in-Berlin/!5856866
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benjamin Probst
       
       ## TAGS
       
   DIR Fahrrad
   DIR ADFC
   DIR Sternfahrt
   DIR Verkehrspolitik
   DIR Radwege
   DIR Fahrrad
   DIR Wochenkommentar
   DIR Friedrichstraße
   DIR A20
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berlin stoppt Verkehrswende: Rad ab im Senat
       
       Der Planungsstopp für Radwege stößt auf heftige Kritik. Es droht der
       Verlust von schon genehmigten Fördermillionen.
       
   DIR Jetzt spricht Berlins Friedrichstraße: Gefragt hat mich noch keiner
       
       Erst Fußgängerzone, bald wieder Autos. Kaum einer Straße wurde so zugesetzt
       wie der Friedrichstraße. Was, wenn sie vom Objekt zum Subjekt würde?
       
   DIR Kampfzone Friedrichstraße: Ewiges Hick Hack geht weiter
       
       Der Streit um die Friedrichstraße geht weiter. Ab Juli dürfen wieder Autos
       fahren. Nur wirklich zufrieden ist niemand.
       
   DIR Verkehrsclub-Vorstand über die A20: „Die Behörden lassen nicht locker“
       
       Mit Sternfahrten protestieren Autobahngegner:innen am Wochenende
       gegen einen Weiterbau der Autobahn A20. Jens Deye fordert einen
       Planungsstopp.