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       # taz.de -- Im Reinhard's gehen die Lichter aus: Letztes Schnitzel im Promi-Treff
       
       > Um den Geist Berlins zu spüren, ging es früher zum Kurfürstendamm. Heute
       > geht man da shoppen, während das nächste Lokal dicht macht.
       
   IMG Bild: Noch einmal ins Reinhard's, sonst ist ja nichts los
       
       Berlin taz | Man macht es automatisch sofort wie alle hier, die es sich auf
       der Terrasse des Restaurants Reinhard's in Berlin bequem gemacht haben. Man
       setzt sich so, dass man unverstellt direkt auf den berühmten und
       sagenumwobenen Ku'damm blicken kann. Bei dem Flair hier, leicht nobel, aber
       nicht zu sehr, möchte man sofort einen Milchkaffee und dazu eine
       Tageszeitung, die man dann aber nur so durchblättert, weil man ja immer
       wieder das Treiben auf der Straße und dem Boulevard vor einem beobachten
       muss. Ein leichtes Paris-Gefühl kommt auf, im berühmten Café de Flore ist
       es bestimmt gerade auch nicht so viel anders als hier.
       
       Nur dass man sich nicht vorstellen kann, dass gleich Jean Paul Sartre neben
       einem hockt, sondern höchstens der Starfriseur Udo Walz, auch wenn beide
       bereits tot sind. Aber der Mann, der einst Angela Merkel die Haare
       geschnitten hat, soll wirklich gelegentlich im Reinhard's gewesen sein, das
       sich einen Ruf als Promi-Lokal erarbeitet hat, auch wenn es für die Besuche
       der ganz großen Berühmtheiten dann doch nie gereicht hat.
       
       ## Klamotten als Schicksal
       
       Lady Gaga oder Elton John werden es bis Ende Juni wahrscheinlich auch nicht
       mehr schaffen, doch noch mal vorbeizuschauen, um das vielgerühmte Wiener
       Schnitzel zu probieren. Dann wird das Reinhard's nämlich Geschichte sein.
       Macht einfach dicht und wird, so will es zumindest die gesamte
       Hauptstadtpresse herausgefunden haben, auch nicht als Gastrobetrieb unter
       anderem Namen fortgeführt werden.
       
       Auf diesem Wissensstand ist auch Kellner Adrian, den man zur Lage befragt.
       Wahrscheinlich werde ein Klamottenladen hier einziehen, glaubt er, „gibt ja
       noch nicht genug hier“, fügt er hinzu und meint das natürlich sarkastisch.
       Denn am Kurfürstendamm, dem einstigen Herzen Berlins, dem Mythos, den
       bereits Hildegard Knef besungen hat und dem das ZDF eine ganze
       [1][nostalgiesatte Fernsehserie] widmet, in der nicht allein Jugendliche in
       den Fünfzigern und Sechzigern das wilde Leben am Ku'damm entdecken, gibt es
       eigentlich nur noch Klamottenläden.
       
       Ein paar Meter vom Reinhard's entfernt lässt sich bereits begutachten, wie
       es diesem wahrscheinlich auch bald ergehen wird. Dort befindet sich das
       ehemalige Café Kranzler, dessen Besuch in Zeiten, in denen Berlin noch eine
       geteilte Stadt war, für jeden aus Westdeutschland einfach mit zum totalen
       Berlin-Erlebnis gehörte und wo man natürlich eine Berliner Weiße mit Schuss
       trank und echte Torten aß.
       
       Das einst so stolze Kaffeehaus, einst ein Wahrzeichen Westberlins, gehört
       inzwischen einer britischen Klamottenfirma, die aus diesem ein
       Shopping-Areal gemacht hat. Immerhin kann man in der Rotunde auf dem Dach
       noch einen Kaffee trinken, so, als wäre die Zeit doch stehen geblieben.
       Aber wer weiß, wie lange das noch möglich sein wird.
       
       Mit dem Reinhard's stirbt dann auch weniger ein mittelberühmtes Restaurant,
       das eben auch ein paar mittelberühmte Berliner und Berlinerinnen anzog.
       Sondern es verschwindet ein weiteres Stück Ku'damm-Historie. Hier, am
       sogenannten Kempinski-Eck, an dem sich das Reinhard's befindet, gibt es
       seit beinahe 100 Jahren Gastronomie. Damals, während der Weimarer Republik,
       war der Ku'damm noch Ausgeh- und Vernügungsmeile. Erst seit den
       Wirtschaftswunderjahren geht es auf diesem zunehmend um's Shoppen, und das
       in allen nur erdenklichen Preisklassen, bei gleichzeitigem Verlust von
       immer mehr Traditionslokalen hier und in der direkten Umgebung.
       
       ## Shopping schlägt Trinken
       
       Erst vor Kurzem hat es in unmittelbarer Nähe zum Ku'damm das Mommsen-Eck
       erwischt, eine fast 120 Jahre alte Kneipe, die angeblich auch Hildegard
       Knef zu ihren treuen Gästen zählte.
       
       Aufhalten lässt sich diese Entwicklung am und rund um den Ku'damm wohl
       nicht mehr. Seit der Wiedervereinigung hat die Gegend jede kulturelle
       Bedeutung verloren und gilt nicht mehr als etwas, das man in Berlin gesehen
       haben sollte. Wer als Lehrkraft seiner Schulklasse auf Hauptstadtreise den
       Geist Berlins näher bringen möchte, geht mit dieser besser in die
       Sonnenallee in Neukölln anstatt auf den Kurfürstendamm. Es gibt ja wirklich
       nichts Spannendes mehr hier. Selbst das Ku'dorf, einst ein Vergnügungsareal
       für Touristen und perfekt geeignet für Junggesellenabschiede, hat bereits
       vor etlichen Jahren dicht gemacht.
       
       Auch vom Reinhard's aus blickt man nur auf Flagshipstores von COS und Tommy
       Hilfiger, was nicht besonders glamourös wirkt. Außer Shopping wird es hier
       bald gar nichts mehr anderes geben, und wer wissen will, wie es einmal war,
       dem hilft dann nur noch die Ku'damm-Serie in der ZDF-Mediathek.
       
       18 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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