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       # taz.de -- Konzert von Erobique in Hamburg: Easy Mobeasy is in the air
       
       > Bei seinen Konzerten kreiert Carsten Meyer alias Erobique Stücke aus dem
       > Moment heraus. Am Samstag spielte er im Hamburger Stadtpark.
       
   IMG Bild: Geburtstagsparty-Stimmung mit Seifenblasen und Regenbogenschminke beim Erobique-Konzert
       
       Ganz leichte Wolken nuancierten am Samstag den ansonsten perfekten
       Sommerhimmel über der Hamburger Stadtparkbühne. Davor Menschen zwischen 17
       und 70, von denen auffällig viele verrückte Sonnenbrillen, Anglerhüte und
       Latzhosen trugen, in Geburtstagsparty-Stimmung.
       
       Den Anlass wie den Soundtrack dazu lieferte Carsten Meyer, oder Erobique,
       wie er sich als (eines seiner) Musiker-Ichs nennt. Zum 50. Lebensjahr und
       25 Jahre nach seinem Debüt „Erosounds“ schenkt er sich und seinen Fans das
       zweite Soloalbum. Solo, mit viel Begleitung allerdings: Während Meyer
       selbst (nicht nur) alles mit schwarzen und weißen Tasten spielt, liefert
       zum Beispiel Lieven Brunckhorst, bekannt von Jan Delay, das Saxofon, Lucas
       Kochbeck das Schlagzeug, Philipp Kacza und Johnny Johnson den Bläsersatz
       und der Fünf-Sterne-Deluxe-Rapper Luis Balte singt. Außerdem sind auf dem
       Album mit dem unprätentiösen Namen „Erobique No. 2“ [1][Sophia Kennedy] und
       Nicola Rost von Laing zu hören, und der Berliner Elektro-Magier Siriusmo
       hat mitgeschrieben, gespielt und produziert, wie noch etliche weitere
       Freunde.
       
       [2][Wer den Komponisten der „Tatortreiniger“-Melodie Erobique] (alias
       Babyman, alias International Pony etc. ) schon live erlebt hat, weiß, dass
       Carsten Meyer Stücke am liebsten aus dem Moment heraus kreiert.
       Live-Improvisieren vor Tanzenden ist das Größte. Eine Playlist einzuhalten,
       eher nicht. Oder, wie Meyer es geheimnisvoll ausdrückt: „Es gibt tolle
       Momente, auf die das Publikum wartet, aber wie ich dahin komme, wird meine
       Sache bleiben.“
       
       So war es auch im Stadtpark, dem zweiten Tourstop nach einem „Warm Up“ in
       Lüneburg – der „schönsten Stadt der Welt“, wie der gebürtige Münsterländer
       findet. Nach einem Support durch das Vater-Sohn-Duo George und Lukas, das
       mit gekonnten Interpretationen alter Hits Keyboard und Schlagzeug warm
       spielte, stellte Rapper Luis Balte die Big-Band vor. In Latzhosen und
       Anglerhüten bezogen alle für ein Intro ihre Plätze – und verschwanden
       wieder. Bis auf Carsten Meyer hinter seinen Tasten-Konsolen und Lukas
       Kochbeck am Schlagzeug, die in ein instrumentales „I say a little Prayer“
       von Burt Bacharach diffundierten, welches der Meister der Metamorphosen
       dann zunächst in das (spontan erfundene?) Lied „Die Wolken sind scheiße –
       wir wollen Sonnenschein“ verwandelte, dann in George Harrisons „Here comes
       the Sun“ und schließlich bei einer ausdauernden Version von Blondies „Heart
       Of Glass“ blieb.
       
       Dankbar parierten die Fans das „Wuhu-aha“, schwenkten die Hände, und einer
       schmierte jedem Regenbogenfarben ins Gesicht. Die Wolken wichen, doch
       Flugzeuge erschienen. In hoher Frequenz nahmen sie vom nahegelegenen
       Flughafen Fuhlsbüttel Kurs auf …Urlaubsziele? Ein willkommener Anlass für
       einen gesungenen Appell, im Urlaub auf Kerosin zu verzichten und gespartes
       Geld besser in Schnaps umzusetzen.
       
       Über die Bridge „Jeder Flieger ein Schnaps“ ging es zum ersten neuen Song,
       „Aquamarine“, welcher sehr ähnliche Vibes hat wie das „Aquarius“ mit dem
       die Gruppe The 5th Dimension 1968 das Zeitalter des Wassermanns einläutete.
       Gleich darauf versetzte uns das ebenfalls neue „Salut les Copines“ auf eine
       imaginäre Yacht an der Côte d’Azur, mit The Style Council als Bordband,
       hier vertreten durch den Power-Bläsersatz Bruckhorst, Kacza und Johnson.
       Mit dem bluesartigen „Verkackt“ und dem witzig-albernen „Ravedave“ sowie
       dem eigentlich schon älteren „Hitsong von uns Beiden“ beschloss man an
       diesem Abend die Neuvorstellungen, von denen es auf der Platte noch acht
       weitere gibt, und wechselte in die Sparte „bekannt und beliebt“:
       „Maserati“, „Easy Mobeasy“ und „Urlaub in Italien“ brachten das Publikum
       zum Tanzen und zu Seifenblasen-Salven.
       
       Die Besetzung der Bühne variierte, nur das Kern-Team Meyer-Kochbeck blieb
       konstant. Mit einer Ausnahme, einem ernsten Moment. Meyer erinnerte an die
       kürzlich verstorbene Kollegin DJ Pattex und widmete ihr ein Lied,
       vorgetragen von einem weiteren Kollegen, Michele.
       
       Nach zwei Stunden und einer Polonaise durchs Publikum zu „Dancing in the
       Moonlight“ war es noch hell und alle so richtig aufgekratzt, doch die
       beharrlich eingeforderte Zugabe gab es nicht. Wer mehr will, besuche eine
       weitere Stadt mit Gig oder erwerbe das neue Album. Jenes ist genau das
       Richtige für Stimmungs-Hochs im Sommer. Auf die Frage nach einer Grundidee
       dafür sagt Meyer: „Ich bewundere Künstler:Innen, die ihre Arbeit von Anfang
       an konzeptualisieren können. Ich hatte eigentlich eher ein Gefühl für
       dieses Album. Wichtig war, dass man es auf dem Fahrrad im Sommer genießen
       kann. Oder es halt gerne mit in den Urlaub nimmt.“
       
       Einige Stücke auf dem Album enden ziemlich abrupt – so ist es ja manchmal
       mit den schönen Phasen des Lebens, auch bei Konzerten.
       
       18 Jun 2023
       
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