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       # taz.de -- Rigaer Straße Ecke Liebigstraße: Am Dorfplatz droht die Verdrängung
       
       > Im linken Kiez in Friedrichshain droht der Verkauf von drei Häusern. Die
       > Mieter hoffen auf Hilfe der Politik – und gemeinwohlorientierte Käufer.
       
   IMG Bild: Der betroffene Eckblock an der Rigaer Straße/Liebigstraße im Jahr 2012, ein Jahr nach der Räumung
       
       Berlin taz | Zwölf Jahre nach der [1][Räumung des autonomen Hausprojekts
       Liebigstraße 14] in Friedrichshain sorgen sich die seitdem eingezogenen
       Mieter:innen ihrerseits um ihren Verbleib im Haus. Mit ihnen betroffen
       sind auch die Nachbarhäuser Rigaer Straße 95 und 96 – insgesamt etwa 30
       Mietparteien. Dem linksradikalen Hotspot „Dorfplatz“ droht ein weiterer
       Aufwertungsschritt, nachdem zuletzt vor zweieinhalb Jahren auf der
       gegenüberliegenden Seite das [2][Hausprojekt Liebigstraße 34 geräumt
       wurde].
       
       Kerstin Neugebauer, seit 1999 in der Rigaer Straße, spricht von einer
       Hausgemeinschaft, die „die Ecke mitgetragen“ und sich „aktiv gegen
       Räumungen in der Nachbarschaft gestellt“ habe. Dabei waren die
       Neubewohner:innen der Liebig 14 nach der Räumung und Sanierung 2011
       zunächst selbst Attacken ausgesetzt. Laut Neugebauer wussten viele der neu
       Eingezogenen nichts von der Besetzergeschichte, der Voreigentümer hatte die
       Adresse und den Eingang von der Liebig 14 auf die Rigaer 96 verlegt.
       
       Mit ihren Sorgen haben sich die Mieter:Innen nun an die Politik
       gewendet, in der Hoffnung, einen gemeinwohlorientierter Käufer zu finden.
       In einem Brief heißt es: „Dieser Kiez ist unser Zuhause und wir sind in
       unserem Viertel sehr verankert. Mit dem Verkauf droht unsere Verdrängung
       aus dem Kiez und unsere Hausgemeinschaft zerschlagen zu werden.“ Neugebauer
       spricht von einem „Damoklesschwert, das über uns schwebt“.
       
       Laut Neugebauer wurden die Häuser vom Eigentümer, der diese vor etwa zehn
       Jahren erworben hat, 2017/18 in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Ein
       Einzelverkauf der Wohnungen mit der Gefahr von Eigenbedarfskündigungen ist
       ebenso möglich wie der Verkauf der ganzen Häuser – alles wohl eine Frage
       des Preises. Momentan werden die sanierungsbedürftigen Häuser aufgehübscht,
       mit Arbeiten im Treppenhaus und am Dach.
       
       ## Eigentümer verkaufsbereit
       
       Über die bezirkliche Stelle AKS Gemeinwohl wurde bereits Kontakt mit den
       Eigentümern aufgenommen, die grundsätzlich die Bereitschaft erklärt hätten,
       an eine Genossenschaft oder landeseigene Wohnungsbaugesellschaft zu
       verkaufen, wie AKS und Mieter:innen bestätigen. Aufgerufen ist demnach
       ein Preis von 11 Millionen Euro für die 3.000 Quadratmeter Fläche. Eine
       erste Genossenschaft ist bereits abgesprungen angesichts des hohen
       Sanierungsaufwands. Hierfür gibt es im Normalfall keine Zuschüsse, anders
       als für einen genossenschaftlichen Ankauf.
       
       Auf eine Anfrage der taz an die vermeintliche Hamburger Eigentümerfirma
       hieß es, die Häuser gehörten mittlerweile „Privatpersonen“. Mit dem Verweis
       auf Drohungen gegen den – für die Räumung der Liebig 14 verantwortlichen –
       Voreigentümer und danach folgenden Anschlägen auf die
       Neubewohner:innen wollen diese anonym bleiben; Gespräche mit dem
       Bezirk werden jedoch „aus gesicherter Quelle“ bestätigt.
       
       Inzwischen ist der Fall auch schon im Senat angekommen, nach einem Gespräch
       der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger mit dem Staatssekretär für
       Wohnen und Mieterschutz, Stephan Machulik.
       
       „Gerade diese schon aufgeteilten Häuser in Milieuschutzgebieten muss sich
       der Senat schnappen“, sagt Schmidberger. Es müssten Möglichkeiten geprüft
       werden, wie auch die Sanierung bezuschusst werden kann, so wie zuletzt beim
       [3][Kauf der Kastanienallee 12] erstmals geschehen. „Es darf den
       Mieter:innen nicht zum Verhängnis werden, wenn da 30 Jahre nichts
       gemacht wurde“, sagt Schmidberger. Die Bewohner:innen hoffen auf das
       Wohlwollen der Politik – und laden am Donerstagabend zum Hoffest.
       
       20 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Raeumung-Liebigstrasse-14-in-Berlin/!5127477
   DIR [2] /Hausprojekt-Liebig-34-in-Berlin/!5719147
   DIR [3] /Berliner-Hausprojekt-Kastanienallee-12/!5899923
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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