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       # taz.de -- Älteste Olympiasiegerin aus England: Spätberufene mit Pfeil und Bogen
       
       > Mit 53 Jahren wurde Sybil Fenton Newall 1908 Olympiasiegerin im
       > Bogenschießen. Dabei hatte sie erst drei Jahre zuvor mit dem Sport
       > angefangen.
       
   IMG Bild: Bogenschießen ist in England seit jeher beliebt. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1936
       
       Bis heute ist sie die älteste Frau, die jemals bei Olympischen Spielen eine
       Einzel-Medaille gewonnen hat: Sybil “Queenie“ Fenton Newall war 53 (und 275
       Tage) alt, als sie 1908 in London beim Bogenschießen siegte.
       
       [1][Eine große Überraschung war es allerdings damals nicht, dass eine
       Engländerin Gold holte,] denn Frauen aus anderen Nationen waren nicht
       angetreten. Und rückblickend ist es auch nicht besonders verwunderlich,
       dass Queenie Newall trotz ihres fortgeschrittenen Alters erfolgreich war:
       Unter den fünf ältesten Olympiasiegern und -siegerinnen befinden sich ein
       Segler sowie vier Leute, die in irgendeiner Form im Schießsport aktiv
       waren.
       
       Das Bogenschießen war Ende des 18. Jahrhunderts zum angesagten sportlichen
       Zeitvertreib der Aristokratie geworden. An Wettbewerben, gern im Stil
       mittelalterlicher Ritterkämpfe abgehalten, durften auch Frauen teilnehmen.
       Der Historiker Martin Johnes beschreibt in seinem Aufsatz „Archery, Romance
       and Elite Culture in England and Wales 1780 – 1840“ unter anderem, dass der
       Sport auch dazu diente, dass junge Frauen sich dabei ungezwungen möglichen
       Heiratskandidaten präsentieren konnten.
       
       Für Queenie Newark war es nie in Frage gekommen, zu heiraten. Dabei war sie
       sicher eine gute Partie, denn ihre Familie gehörte zum alteingesessenen
       Adel. Die Newarks waren bereits im 14. Jahrhundert vom für Heraldik
       zuständigen „College of Arms“ anerkannt worden. Damals hatten Queenies
       Vorfahren in Littleborough (Greater Manchester) den Vorläufer ihres
       Geburtshauses Hare Hill House gebaut. Sie war das älteste von zehn Kindern,
       ihr Vater Henry war ein vermögender Händler, der Großvater war jahrelang
       Parlamentsabgeordneter gewesen.
       
       ## Schnelle Erfolge
       
       Queenie war wohl immer sehr sportlich gewesen, aber ihre [2][endgültige
       Passion] fand sie im Jahr 1905, als sie mit ihrer Schwester Margaret dem
       Cheltenham Bogenschützen-Verein beitrat. Zwei Jahre später war sie die
       ungekrönte Spitzenschützin, von fünf regionalen Wettbewerben hatte sie vier
       gewinnen können.
       
       Dass sie zur Olympiasiegerin wurde, hatte sie allerdings Alice Blanche Legh
       zu verdanken. Die laut Experten „beste britische Bogenschützin aller
       Zeiten“ war Dauerchampion – und verzichtete auf den Start bei den
       Olympischen Spielen, um sich in Ruhe auf die eine Woche später
       stattfindenden britischen Meisterschaften vorzubereiten.
       
       Blieb nur noch Lottie Dod, die nicht nur eine ausgezeichnete Tennis- und
       Hockeyspielerin war, sondern auch im Bogenschießen einige Erfolge gehabt
       hatte. Queenie behielt die Nerven und gewann, obwohl das Wetter am ersten
       Wettbewerbstag derart abscheulich war, dass die Konkurrenz unterbrochen
       wurde. Und dann war es geschafft, innerhalb von etwas weniger als drei
       Jahren war Fenton Newall vom einfachen Mitglied eine kleinen Sportvereins
       zur Goldmedaillengewinnerin geworden.
       
       ## Sportart galt als besonders britisch und patriotisch
       
       Bei den folgenden nationalen Meisterschaften hatte Fenton Newall gegen
       Alice Blanche Legh keine Chance, aber sie schaffte es zweimal, nämlich 1911
       und 1912, britische Meisterin zu werden. Queenie, die stets mit ihrer
       Schwester Margaret zusammenwohnte, blieb eine begeisterte Bogenschützin. In
       den Archiven des Chelenhamer Vereins wird bis heute ihre letzte
       Ergebniskarte verwahrt, die aus dem September 1928 stammt.
       
       Ein Jahr später, am 24. Juni 1929, starb sie im Alter von 74 Jahren. Dass
       Bogenschießen nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle bei der Reha
       von schwer verletzten Soldaten und dienstverpflichteten Frauen spielte,
       würde sie gefreut haben, denn die Sportart galt nicht zuletzt durch
       berühmte Sagenfiguren wie Robin Hood als besonders britisch und
       patriotisch.
       
       Vergessen ist sie nicht, unter anderem wurde vor fünf Jahren ein Rennpferd
       nach ihr benannt – was vielleicht naheliegend war, denn der Vater der Stute
       heißt “Olympic Glory“.
       
       23 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Elke Wittich
       
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