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       # taz.de -- Drohende Hinrichtung im Iran: Systematik des Verbrechens
       
       > In Iran droht einem Deutschen ein Todesurteil. Seine Tochter hat nun mit
       > Menschenrechtsanwälten in Karlsruhe Anzeige erstattet.
       
   IMG Bild: Gazelle Sharmahd, Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd
       
       Berlin taz | Etlichen Oppositionellen in Iran droht die Hinrichtung. Doch
       das Schicksal von Jamshid Sharmahd ist ein Fall mit besonderer Relevanz für
       Deutschland: Der 68-Jährige, der als Kind nach Deutschland kam und seit
       2003 in den USA lebte, hat auch einen deutschen Pass. [1][Ein iranisches
       Gericht hatte ihn unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich
       gemacht.] Kritiker*innen sehen den Prozess als Schauprozess.
       Vollstreckt worden ist das Urteil noch nicht.
       
       Während die Bundesregierung die Freilassung Sharmahds fordert, daraufhin
       aber nur begrenzt aktiv geworden ist, haben sich nun deutsche
       Menschenrechtsanwälte des Falls angenommen.
       
       Im Namen von Sharmahds Tochter Gazelle hat das European Center for
       Constitutional and Human Rights (ECCHR) Strafanzeige gegen acht Mitglieder
       des iranischen Regimes beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eingereicht,
       wie die Organisation am Mittwoch mitteilte.
       
       ## Anzeige als Initialzündung für die Strafjustiz
       
       Dabei geht es dem ECCHR nicht allein um Sharmahd. Auf einer Pressekonferenz
       in Berlin argumentierte der ECCHR-Anwalt Patrick Kroker, hinter dem Fall
       sei eine Systematik erkennbar. Deshalb habe er in der Anzeige die
       Niederschlagung der jüngsten Proteste in Iran mit dem Fall Sharmahd
       verbunden, der nicht direkt mit diesen in Verbindung steht. Die Tötung von
       Demonstrierenden und die Inhaftierung und Folter von Oppositionellen
       stellten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, so Kroker.
       
       ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck hofft, dass die Bundesanwaltschaft
       ein Strukturermittlungsverfahren zu Iran eröffnet, um staatliche Unrechts-
       und Repressionsstrukturen zu beleuchten. So könnten weitere Individuen
       ausfindig gemacht und angeklagt werden. Möglich macht dies das
       Weltrechtsprinzip, das seit 2002 im deutschen Strafrecht verankert ist.
       
       Demnach können deutsche Behörden auch dann gegen Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit vorgehen, wenn weder Täter noch Opfer Deutsche sind. Das
       ECCHR will die Strafanzeige als „Initialzündung“ für die Strafjustiz
       verstanden wissen. Hintergrund des Schrittes ist ein erfolgreicher
       [2][Prozess gegen syrische Regimemitglieder, die von einem deutschen
       Gericht 2022 verurteilt wurden]. Auch in diese Fälle war das ECCHR
       involviert.
       
       ## Seit vier Monaten kein Kontakt
       
       Ob ein Verfahren im Fall Sharmahd tatsächlich eröffnet wird und wie ein
       solches ablaufen würde, ist unklar. Folge eines Vorgehens deutscher
       Ermittlungsbehörden könnten beispielsweise Festnahmen in Drittstaaten und
       Auslieferungen von Verdächtigen sein, erklärte Kaleck. „Da kann eine Menge
       passieren, man kann weltweite Reisebewegungen scannen“, so der Anwalt. Die
       Strafanzeige richtet sich unter anderem gegen einen ranghohen Richter und
       den iranischen Justiz-Chef.
       
       Jamshid Sharmahd selbst weiß von der Strafanzeige nichts. Seit vier Monaten
       habe die Familie keinen Kontakt zu ihm, sagte seine Tochter, die in den USA
       lebt, am Mittwoch per Videoschalte. Ihr Vater war 2020 in Dubai entführt
       und nach Iran gebracht worden. Dort sitzt er im Gefängnis. Er war früher
       beim Kingdom Assembly of Iran aktiv, einer Gruppe, die einen Regimesturz
       und die Wiederherstellung der Schah-Monarchie anstrebt. Das Mullah-Regime
       betrachtet sie als Terrororganisation.
       
       Sharmahd könnte jeden Tag hingerichtet werden. Ob die Anzeige nicht Gefahr
       laufe, die Vollstreckung des Todesurteils zu beschleunigen? „Das kann
       niemand voraussehen“, so Gazelle Sharmahd. Sie gehe davon aus, dass
       Öffentlichkeit ihren Vater schütze. Dass er überhaupt noch am Leben sei,
       sei vermutlich Folge davon, [3][dass sie den Fall öffentlich gemacht habe].
       „Ich glaube nicht, dass es in dieser Situation irgendetwas gibt, was es
       schlimmer machen kann.“ Das Regime könne ihren Vater ja nicht zweimal
       hinrichten.
       
       21 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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